Künstliche Intelligenz im Krankenhaus: Der Mensch bleibt unersetzlich. Vorläufig.  [16.05.06]

Softwareagenten als Planer und Entscheider: Auf dem Abschlusskolloquium „Intelligente Softwareagenten und realistische Anwendungsszenarien“ ziehen Forscher Bilanz

Ein Computer, der nicht nur reagiert, sondern selbstständig die Bedürfnisse seiner Umwelt wahrnimmt und ihr entsprechende Lösungen anbietet – das ist das Ziel bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI). Gefördert von der DFG forschten renommierte KI-Wissenschaftler aus Deutschland sechs Jahre lang in verschiedenen Teilprojekten, ob die Software den Menschen bei der Steuerung komplexer logistischer Prozesse schon ersetzen kann. „Grundsätzlich ja!“, bilanziert der Koordinator des Forschungsprogramms, Prof. Dr. Stefan Kirn vom Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik II der Universität Hohenheim auf dem heutigen Abschlusskolloquium. In einem Teilprojekt hatte der Hohenheimer Wirtschaftsinformatiker im Forschungsteam die Einsatzmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz in klinischen Studien evaluiert.

Ein Agent ist jemand, der für seinen Auftraggeber komplexe Probleme löst, selbstständig, unerkannt und mit vollständiger Auftragserfüllung. Nach demselben Prinzip arbeitet die so genannte Agententechnologie auf der Basis Künstlicher Intelligenz. Mit ihr sollen Logistikprozesse aus unterschiedlichsten Bereichen wie der Fertigungsindustrie oder im Krankenhaus effektiver gesteuert werden können. Dank Künstlicher Intelligenz erkennt der Agent eine bestimmte Situation, koordiniert alle notwendigen Teilschritte eines komplexen Ablaufs und erzielt so ein optimales Ergebnis. Wie ein Schachcomputer wird der Agent dazu mit den Basisregeln vertraut gemacht, woraufhin er in der Lage ist, eine Unmenge möglicher Spielsituationen selbstständig zu erfassen und seine Züge danach auszurichten.

Im Unterschied zu klassischer Software müssen die eintretenden Möglichkeiten nicht explizit in der Programmstruktur enthalten sein. Auch ist er lernfähig. „Der Agent arbeitet proaktiv und kann auf unvorhergesehene Situationen reagieren, während klassische Softwaresysteme nur einem vorab festgelegten Bearbeitungsverfahren (Algorithmus) folgen können“, erläutert Prof. Dr. Kirn. Im Teilprojekt ADAPT (Adaptive Multiagent Process Planning & Coordination in Healthcare) hatte Prof. Dr. Kirn und sein Team die Technologie eingesetzt, um Abläufe bei klinischen Studien zu simulieren. Durchgeführt wurde die Arbeit in einem Forschungstandem mit Informatikern der Universität Würzburg und in Zusammenarbeit mit den Universitätskliniken Jena und Würzburg.

„Klinische Studien sind Voraussetzung, um neue Medikamente zugelassen zu bekommen“, erklärt Prof. Dr. Kirn. Wichtig ist deshalb, dass exakte Behandlungspläne angewandt werden, die strikt einzuhalten sind. So werden die Medikamente in bestimmten Zeitintervallen verabreicht, medizinische Untersuchungen zur Überwachung müssen zu genauen Zeitpunkten erfolgen. Für Krankenhäuser bedeutet dies einen hohen Koordinationsaufwand von Information, Räumen, Personal und Material. Ungewiss bleibt dabei, ob die vorhandenen Ressourcen nicht noch effektiver hätten eingesetzt werden können.

Vor dem tatsächlichen Praxiseinsatz sehen die Wissenschaftler jedoch noch Forschungsbedarf, insbesondere in den Engineering-Methoden: „Wichtig ist, dass wir in den nächsten Jahren den Programmieraufwand weiter reduzieren und die Arbeit des Agenten transparenter machen, um die Akzeptanz unter den Ärzten und anderen Nutzern zu erhöhen“, sagt Kirn. Bislang sei der Aufwand sehr hoch, den Agenten mit den Basisregeln seiner Umgebung zu füttern. Verbesserungen im Lernverhalten seien allerdings absehbar und auch die Integration dieser innovativen Lösungen in bestehende Unternehmenssoftware-Landschaften ebenso wie in die betriebliche Organisation müssen noch weiter entwickelt werden.

"Eine große Chance besteht darin, dass Agenten flexibel an komplexen Fragestellungen zusammenarbeiten können", so Prof. Dr. Kirn weiter. Das mache die angebotenen Lösungen vor allem für solche Anwendungen interessant, die von hoher Dynamik geprägt sind und in denen das zur Lösung benötigte Wissen nur zum Teil schon explizit vorliegt. „Für Chefärzte beispielweise, aber auch für Planungsabteilungen und Disponenten in der Industrie, ist dies eine äußerst interessante Eigenschaft der Agententechnologie, denn diese eröffnet Chancen für Softwarelösungen auf Gebieten, die bisher nicht oder nur sehr schlecht durch Informationstechnologie unterstützt werden konnten“, weiß der Hohenheimer Wirtschaftsinformatiker.

Kontakt für Medien:

Christian Anhalt, Universität Hohenheim, Wirtschaftsinformatik II,
Tel.: 0711 459-24331, E-Mail: canhalt@uni-hohenheim.de


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