Angriff auf die Energieversorgung:
Forschungsprojekt erforscht Achillessehne des Cholera-Erregers [29.03.12]
Forschungsprojekt an der Universität Hohenheim macht Medikament gegen die tödliche Durchfallerkrankung wahrscheinlicher
Nach einigen Stunden tritt der Tod ein: Außer purem Glück half bisher nicht viel gegen die Cholera. Eine Mikrobiologin der Universität Hohenheim geht im Kampf gegen die Seuche nun neue Wege. Sie untersucht den Stoffwechsel des Erregers und ist dabei auf ein winziges Zellkraftwerk gestoßen. Ein Hemmstoff könnte es in Zukunft lahmlegen – und so die Krankheit besiegen. Mit 367.000 Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft das Projekt. Damit gehört es zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim.Ursprünglich stammt er aus den Sundarbans, den riesigen Mangrovenwäldern an der Grenze von Indien und Bangladesch. Dort lebt er seit jeher im Brackwasser der Flussmündungen und ernährt sich vom Chitinpanzer der Planktonorganismen. Im 19. Jahrhundert ging das Bakterium Vibrio cholerae mit den Seefahrern auf Reisen. Seither peinigt der Erreger der Cholera in Epidemien immer wieder Menschen auf der ganzen Welt – besonders in Entwicklungsländern.
Angenehme Bedingungen herrschen für ihn in der Schleimhaut des Dünndarms. Dort nistet sich das Bakterium ein und sondert ein Gift ab. Es entzieht dem menschlichen Körper Natrium und große Mengen Wasser. Schon nach einigen Stunden führt die heimtückische Durchfallerkrankung zum Tod. Pro Jahr kommen 120.000 Menschen auf diese Weise ums Leben.
Die Achillessehne des Cholera-Erregers
„Der Knackpunkt ist das Natrium-Ion“, sagt Prof. Dr. Julia Fritz-Steuber, die Leiterin des Fachgebiets Zelluläre Mikrobiologie. „Ohne das Mineral kann sich das Bakterium nicht bewegen. Wenn wir verstehen, wie der Stoffwechsel des Erregers funktioniert, könnten Hemmstoffe gefunden werden, die ihn ausschalten. Das erschwert sein Überleben im Darm des Menschen.“
Die Achillessehne des Vibrio cholerae liegt in seiner Außenhaut, die auch Zellmembran genannt wird. Darin befindet sich ein Eiweiß-Komplex namens NQR. „Das ist ein winziges Zellkraftwerk“, erklärt Prof. Dr. Fritz-Steuber. „Es erzeugt die für das Überleben unerlässliche Spannung an der Zellmembran, indem es das Natrium-Ion aus der Zelle herauspumpt.“
Der Brennstoff des Zellkraftwerks
Ihre Arbeit vergleicht die Mikrobiologin gerne mit der eines Ingenieurs: „Ich zerlege das Zellkraftwerk in seine Einzelteile, um zu verstehen, wie es funktioniert. Allerdings kann ich nicht sicher sein, ob die einzelnen Teile noch richtig funktionieren, wenn ich sie ausgebaut habe. Also muss ich sie in eine künstliche Membran verpflanzen, um sie dort wieder zu testen.“
Die künstliche Membran besteht aus Lipiden, also Fetten. Sie werden im Labor erzeugt und lagern sich zu Mini-Zellen zusammenlagern. In diese Mini-Zellen oder Liposomen baut Prof. Dr Fritz-Steuber die ausgebauten Teile aus dem Zellkraftwerk wieder ein. Am Ende kennt die Mikrobiologin das Zellkraftwerk in allen Einzelheiten: „Wenn ich weiß, wie es funktioniert, kann ich auch abschätzen, wo die Schwachstellen sind“, sagt sie. Damit legt die Hohenheimer Forscherin die Grundlage für ein mögliches Medikament gegen Cholera.
Hintergrund: Forschungsprojekt
Das Forschungsprojekt „Molekulare und funktionelle Eigenschaften der Na+ transportierenden NADH: Chinon Oxidoreduktase (Na+-NQR) aus Vibrio cholerae“ ist auf drei Jahre angelegt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt die mikrobiologische Grundlagenforschung mit rund 367.000 Euro. Projektpartner sind Prof. Dr. Frank Neese vom Max-Planck-Institut für Bioanorganische Chemie in Mülheim, PD Dr. Günter Fritz von der Universität Freiburg und Prof. Dr. Hideto Miyoshi von der Universität Kyoto.
Hintergrund: Schwergewichte der Forschung
Rund 28 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim im vergangenen Jahr für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer viertel Million Euro bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
Text: Weik / Klebs
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Julia Fritz-Steuber, Universität Hohenheim, Fachgebiet Zelluläre Mikrobiologie
Tel.: 0711/459-22228, E-Mail: julia.steuber@uni-hohenheim.de