WM-Studie 2022:
Gesunkenes Interesse kommt Bruttoinlandsprodukt zugute [16.11.22]
Repräsentative Umfrage der Uni Hohenheim untersucht WM-Erwartungen, Vermarktung, Medienverhalten & politische Aspekte / Teil 3 von 4: Die WM als Medienereignis
Das gesunkene Interesse der Deutschen an der WM 2022 in Katar macht sich auch wirtschaftlich bemerkbar: Immer weniger Deutsche opfern Arbeitszeit für die WM – so dass dies dem deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) weniger schadet als bei der WM 2018. Während das BIP damals um rund 15,8 Mrd. Euro sank, sind das nun knapp 5,6 Mrd. Euro weniger. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Fußball-WM-Studie von Marketing-Experte Prof. Dr. Markus Voeth von der Universität Hohenheim in Stuttgart. Die Studie basiert auf einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage unter 1.000 Personen in Deutschland zu den Themen sportliche Erwartungen, Sponsoring und Sport-Vermarktung, Medienwirksamkeit sowie Politik. Bei der aktuellen Umfrage handelt es sich um die zehnte WM-Studie seit 2001. Die Universität Hohenheim veröffentlicht die Ergebnisse in vier Teilen. Vollständige Studie unter: mub.uni-hohenheim.de/wm2022
Voraussichtlich werden die Deutschen durchschnittlich rund zehn Minuten ihres Arbeitstages für die WM in Katar aufwenden. Die Arbeitgeber:innen dürfte dies freuen: Im Vergleich zu den Weltmeisterschaften 2010 (28 Minuten), 2014 (13 Minuten) und 2018 (16 Minuten) wurde nie weniger Arbeitszeit für WM-Zwecke geopfert als bei dieser WM.
Dies macht sich auch beim Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) bemerkbar: So nahm das BIP pro Kopf im Jahr 2018 aufgrund der WM in Russland noch um rund 352 Euro ab. Bei der WM 2022 in Katar werden es nur noch knapp 223 Euro sein.
Und das obwohl die deutschen Arbeitgeber:innen seit der WM 2010 in Südafrika insgesamt deutlich toleranter geworden. Während 2010 nur rund 22 Prozent der Arbeitgeber:innen das Anschauen von Fernsehübertragungen oder Livestreams am Arbeitsplatz toleriert haben, sind es dieses Mal rund 41 Prozent.
Public Viewing – Stimmungskiller Winter-WM
Insgesamt wollen deutlich weniger Deutsche die WM 2022 in Katar sehen als in den Jahren zuvor. Vor allem hat seit der Corona-Pandemie das Interesse der Deutschen, Spiele im Rahmen von Public Viewing oder in Kneipen bzw. Bars zu verfolgen, deutlich abgenommen: Es sank von 27,2 Prozent bei der WM 2014 auf jetzt 11,3 Prozent.
Nur ein Fünftel der Deutschen geht davon aus, dass die Stimmung während eines Public Viewings bei der WM in Katar gut sein wird. Dementsprechend plant eine überwältigende Mehrheit von fast 90 Prozent der Befragten, bei dieser Winter-WM ganz auf Public Viewing zu verzichten.
Aus Sicht von Prof. Dr. Voeth vom Lehrstuhl für Marketing & Business Development der Universität Hohenheim steht fest: „Diese Winter-WM ist aus Sicht der Deutschen ein echter Stimmungskiller, was das Public Viewing betrifft.“ „Auch die Idee, die Winter-WM auf dem Weihnachtsmarkt zu verfolgen, finden nur wenige gut: Mehr als 90 Prozent der deutschen Bevölkerung stehen ihr eher skeptisch gegenüber“, so Co-Studienleiter Yannick Urbitsch.
Deutsche bevorzugen klassische TV-Berichterstattung – und Weltmeistertrio als TV-Experten
Wenn es darum geht, sich über die WM zu informieren, ziehen die Deutschen, ähnlich wie bei vergangenen Weltmeisterschaften, das klassische Fernsehen mit verschiedenen Formaten (Live-Übertragungen, Berichterstattungen oder Nachrichten) gegenüber anderen Kanälen vor. Insgesamt ist das Informationsbedürfnis aber deutlich geringer ausgeprägt im Vergleich zu den bisherigen Weltmeisterschaften.
Die geeignetsten TV-Experten für WM-Berichterstattungen sind für die Deutschen das Weltmeistertrio Bastian Schweinsteiger, Per Mertesacker und Christoph Kramer. Auf einer Skala von 1 bis 6 erhielt der ehemalige Mannschaftskapitän den Bestwert von 4,8 Punkten. An zweiter Stelle folgen die beiden Ex-Nationalspieler mit jeweils 4,6 Punkten. Weibliche TV-Expertinnen kommen bei den Deutschen vergleichsweise weniger gut an.
Mit der zunehmenden Glamourisierung des Fußballs rücken, neben den Spielern selbst, auch die Spielerpaare verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung, so die Studienleiter. Als das Paar mit den höchsten Sympathiewerten kürten die Befragten Thomas und Lisa Müller mit 4,3 von 6 Sympathiepunkten. An zweiter Stelle folgten die Paare Kai Havertz und Sophia Weber mit 4,1 sowie Mario und Ann-Kathrin Götze mit 4,0 von 6 Sympathiepunkten.
WM-bezogene Werbung sehen die Deutschen sehr skeptisch
WM-bezogenen Werbeaktivitäten von Unternehmen steht die deutsche Bevölkerung skeptisch wie nie zuvor gegenüber. Nur etwas mehr als 12 Prozent der Deutschen finden es aktuell gut, dass viele Unternehmen die WM als Werbethema aufgreifen. Bei der WM 2014 waren dies noch 22 Prozent.
„Vor allem zeigt unsere Studie, dass Werbeaktivitäten im Rahmen von Fußball-Weltmeisterschaften bei der deutschen Bevölkerung meist nur einen kurzfristigen Effekt haben“, sagt Prof. Dr. Voeth. „Wenn überhaupt, dann bietet sich WM-bezogene Werbung nach wie vor besonders bei Sportartikeln an.“ So überrascht auch nicht die Antwort auf die Frage, wie gut Fußballspieler zu den beworbenen Marken passen: In den Augen der Deutschen sind sowohl Leroy Sané und Nike als auch Serge Gnabry und Adidas nahezu ein „perfect match“.
HINTERGRUND: WM-Studie 2022
Die WM-Studie 2022 ist eine bevölkerungsrepräsentative Online-Umfrage in Bezug auf Alter, Geschlecht und Bundeslandzugehörigkeit unter 1.000 Teilnehmer:innen. Durchgeführt wurde sie zwischen dem 13. Oktober und 27. Oktober 2022 vom Lehrstuhl für Marketing und Business Development der Universität Hohenheim.
Der Lehrstuhl von Prof. Dr. Markus Voeth begleitet die FIFA Fußballweltmeisterschaften seit 2001 mit regelmäßigen repräsentativen Bevölkerungsbefragungen. Schwerpunkte der Befragungen sind Themen wie Begeisterung, Pläne und Fanverhalten der Bevölkerung, ergänzt durch wechselnde Sonderschwerpunkte wie beispielsweise politische Themen rund um die sportlichen Großereignisse. Einzel- und Langzeitstudien sollen einerseits Stimmungsindikator, andererseits auch konstruktiver Beitrag für eine erfolgreiche Organisation sein.
Text: Stuhlemmer
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Markus Voeth, Universität Hohenheim, Fachgebiet Betriebswirtschaftslehre, insb. Marketing & Business Development, +49 (0)711 459 22925, voeth@uni-hohenheim.de
M.Sc. Yannick Urbitsch, Universität Hohenheim, Fachgebiet Betriebswirtschaftslehre, insb. Marketing & Business Development, +49 (0)711 459 23414, yannick.urbitsch@uni-hohenheim.de