Klimawandel & Landwirtschaft:
Afrika wahrscheinlich am schlimmsten betroffen [06.12.10]
Internationale Agrarökonomen tagten beim 117. Seminar der European Association of Agricultural Economists an der Universität Hohenheim: Welthunger könnte um 20% zunehmen
Dürreresistentere Pflanzen, verbessertes Wassermanagement, aber auch angepasste Institutionen: So könnte sich die Landwirtschaft nach Meinung internationaler Agrarökonomen an den Klimawandel anpassen. Bei der dreitägigen Konferenz der European Association of Agricultural Economists (EAAE) trafen sich Forscher aus Europa, Afrika, Asien und Amerika an der Universität Hohenheim zu aktuellen Fragen, die sich aus dem Klimawandel für die Ernährungssicherung ergeben. Eine beunruhigende Erkenntnis: Afrika wird wahrscheinlich am stärksten unter den negativen Folgen des Klimawandels zu leiden haben. Die Ernährungssicherung und die Auswirkungen des Klimawandels gehören zu den Forschungsschwerpunkten der Universität Hohenheim.Die sicherste wissenschaftliche Erkenntnis in Bezug auf den Klimawandel ist, dass Unsicherheiten und Schwankungen weiter zunehmen werden. Zwar sind sich die Experten einig, dass Temperaturen und die Niederschlagsmenge im globalen Durchschnitt zunehmen werden, doch detaillierte Vorhersagen zu Dauer, Stärke, Verlauf sowie die regionale Verteilung von Niederschlag und Trockenheit werden ungewisser. Die unsicheren Wetterverhältnisse der Zukunft sind besonders für Landwirte eine schwierige Herausforderung.
Auch über eine andere beunruhigende Erkenntnis herrschte unter den Agrarökonomen auf der EAAE-Konferenz Einigkeit: Afrika wird am meisten unter den negativen Folgen des Klimawandels zu leiden haben. Dort, wie auch auf den anderen Kontinenten, werden vor allem Arme, Hungernde sowie Menschen in ökonomischen und ökologischen Randgebieten betroffen sein. Die Forscher gehen davon aus, dass die Anzahl der chronisch unterernährten Menschen durch die Effekte des Klimawandels um ca. 20% steigen wird.
Die Landwirtschaft spielt hier eine Doppelrolle: Einerseits leidet sie unter dem Klimawandel, andererseits hat sie ihn mit verursacht. 70 bis 80% des globalen Wasserverbrauchs gehen in die landwirtschaftliche Produktion und sie verursacht 14% der Welt-CO2-Emmissionen. Dabei könnte die Landwirtschaft in den nördlichen Teilen der USA sowie in Nordeuropa sogar vom Klimawandel profitieren. Die Agrarökonomen sehen diese Landwirte in der Pflicht, ihr zusätzliches Potenzial zu nutzen, um die Verluste im Süden auszugleichen.
Da nur sehr unsichere Voraussagen darüber möglich sind, welche Gegenden künftig von Dürren oder Überschwemmungen heimgesucht werden, aber gleichzeitig an vielen Standorten mehr Schädlinge zu erwarten sind, müsse sich die Pflanzen- und Tierzucht nach Ansicht der Experten auf die Überwindung von gleichzeitig auftretenden multiplen Stressfaktoren ausrichten. Beispielsweise sollten die Kulturpflanzen so gezüchtet werden, dass sie in Zukunft widerstandsfähiger gegen bestimmte Krankheiten sind und gleichzeitig toleranter auf Dürreperioden reagieren.
Kontroverse: Weniger Fleisch für besseres Klima?
Die Forscher diskutierten auch die Frage, wie sich der Klimawandel durch die Vermeidungsstrategien beeinflussen lässt. Zum Beispiel dadurch, dass weltweit weniger Fleisch gegessen wird, um die klimaschädliche Tierproduktion zu verringern oder zumindest effektiver zu gestalten. Hier konnten sich die Forscher noch nicht darauf einigen, ob eine solche Forderung effizient ist. Es gelte zunächst effiziente Formen der Anpassung sowie der Vermeidung zu identifizieren und nur diese ökonomisch zu fördern.
Mit konsequenten Anpassungs- und Vermeidungsstrategien könnte die Zahl der zusätzlichen hungernden Menschen wieder aufgefangen und kompensiert werden, so der Konsens der Forscher. Jedoch würden entsprechende Maßnahmen zurzeit nur begrenzt umgesetzt.
Landwirtschaftliche Produktion besser absichern
Eine weitere zentrale Forschungsfrage war, wie sich die Landwirte selbst besser gegen die Auswirkungen des Klimawandels absichern und wie sie besser darauf reagieren können. Hier sei nach Auffassung der Wissenschaftler weitere Forschung unabdingbar. Insbesondere sollten die institutionellen Zusammenhänge untersucht werden, in denen sich die landwirtschaftlichen Haushalte bewegen.
Dabei sei zu klären, welche institutionellen Mechanismen, die Auswirkungen des Klimawandels abfedern könnten. So diskutierten die Forscher beispielsweise besondere Programme der Mikrofinanzierung, aber auch die Möglichkeiten von Ernteausfall-Versicherungen für die Landwirte in Entwicklungsländern.
Kernkompetenz der Universität Hohenheim seit 1818
Mit dem diesjährigen EAAE-Seminar war die Universität Hohenheim zum zweiten Mal Gastgeberin des internationalen Forschertreffens. Der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Hans-Peter Liebig, betonte in seiner Rede zur Eröffnung, die Universität Hohenheim komme damit ihrem Auftrag nach, die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Ernährungssicherung zu untersuchen und realistische Perspektiven aufzuzeigen. Diesen Auftrag habe sie „von Beginn an nun schon seit fast 200 Jahren“. Damals waren es zwei besonders nasse Jahre, die zu Ernteausfällen und Hungersnöten führten, und Königin Katharina 1818 veranlassten die Ackerbauschule Hohenheim zu gründen, aus der sich schließlich die Universität Hohenheim entwickelte.
Hintergrund: European Association of Agricultural Economists (EAAE)
Die europäische Vereinigung der Agrarökonomen (European Association of Agricultural Economists – EAAE) veranstaltet in einem Drei-Jahres Rhythmus ein Seminar, das Themen der ländlichen und landwirtschaftlichen Entwicklung in Entwicklungsländern diskutiert. So hat dieses Seminar in den letzten Jahren an Forschungseinrichtungen in Montpellier (2007), Florence (2004), Wye-Kent (2001) und Wageningen (1998) stattgefunden. Nach 1992 war es dieses Jahr das erste Mal, dass die Universität Hohenheim wieder dieses Seminar erfolgreich ausgetragen hat.
Text: Töpfer
Kontakt für Medien:
Dr. Detlef Virchow, Universität Hohenheim, Food Security Center, Tel.: 0711 459-24451, E-Mail: Detlef.Virchow@uni-hohenheim.de