Humboldt reloaded:
Uni Hohenheim verstetigt Erfolgsprojekt zum Forschenden Lernen [21.09.20]
Preisgekrönte Initiative wird auch künftig Studierende bereits im Bachelor-Studium für die Forschung begeistern / StuFo 2020 und Summer School 2020 zeigen Erfolg auf
1.430 studentische Forschungsprojekte mit 4.635 Teilnehmenden, 9 Jahrestagungen, 4 Summer Schools und ein attraktives Begleitangebot – die Bilanz von neun Jahren Humboldt reloaded kann sich sehen lassen. Seit 2011 weckt das Vorzeigeprojekt der Universität Hohenheim in Stuttgart schon bei Bachelor-Studierenden den Forschungsgeist. 2014 wurde es dafür mit dem Ars legendi-Preis ausgezeichnet, der bundesweit höchsten Auszeichnung für Exzellenz in der Lehre. Ende des Jahres läuft die Förderung durch Bundesmittel aus. Doch auch in Zukunft wird Humboldt reloaded an der Universität Hohenheim seinen festen Platz haben, betont Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert: „Das Forschende Lernen ist akademische Lehre auf höchstem Niveau. Nur so bilden wir Fachleute aus, die sich den großen Herausforderungen unserer Zeit stellen können. Die Gremien haben die Fortführung von Humboldt reloaded aus Mitteln der Universität beschlossen.“ Die gerade abgeschlossene Humboldt reloaded-Jahrestagung, die in diesem Jahr auch die bundesweite 5. Konferenz für studentische Forschung (StuFo2020) darstellte, hat abermals gezeigt, wie sehr bereits Bachelor-Studierende für die Forschung brennen. Und die heute gestartete internationale Humboldt reloaded Summer School 2020 steht dem in nichts nach.
Fridays for Future: die von Greta Thunberg initiierte Bewegung brachte letztes Jahr das Thema Klimawandel verstärkt auf die mediale Agenda. Die Schülerinnen und Schüler forderten in ihren Demonstrationen die Politik zum Handeln auf. Doch in den Medien – so ein häufiger Kritikpunkt – würde stattdessen darauf fokussiert, wie jeder Einzelne seinen individuellen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Ob in der öffentlichen Debatte tatsächlich die politische bzw. gesamtgesellschaftliche Perspektive fehlt, diese Frage hat sich Romy Prero in ihrem Humboldt reloaded-Projekt gestellt.
Die Studentin der Kommunikationswissenschaft nahm die Berichterstattung zusammen mit ihren Mitstudierenden und unter fachkundiger Anleitung der Seminarleiterin Claudia Thoms unter die Lupe. Über eine fundierte Inhaltsanalyse von 530 Artikeln vor und nach dem ersten „Schulstreik fürs Klima“ kamen die Studierenden zu dem Ergebnis, dass sich die Fridays for Future-Bewegung als mediales Schlüsselereignis einordnen lässt – die Kritik aber nur zum Teil berechtigt ist.
Romy Prero ist eine von 441 Studierenden, die in diesem Jahr an der Universität Hohenheim am preisgekrönten Reformprojekt Humboldt reloaded teilgenommen haben. 132 Projekte standen zur Auswahl. „Die Zahlen liegen, bedingt durch die Corona-Krise, etwas niedriger als im Vorjahr“, erläutert Dr. Natascha Selje-Aßmann, die Koordinatorin von Humboldt reloaded. „Aber Corona zeigt uns auch, wie groß das kreative Potenzial bei Humboldt reloaded ist: Betreuende und Studierende haben auch im digitalen Format wieder spannende und thematisch breit gestreute Projekte auf die Beine gestellt.“
Kern-Elemente von Humboldt reloaded bleiben erhalten
„Humboldt reloaded wird sowohl innerhalb als auch außerhalb der Universität Hohenheim als Markenzeichen für exzellente Lehre wahrgenommen“, erklärt Rektor Prof. Dr. Stephan Dabbert. „Bisher erhielten wir für das Erfolgsprojekt rund 1,7 Mio. Euro pro Jahr vom Bund. Diese Förderung wird ab nächstem Jahr nach der maximalen Förderzeit wegfallen. Doch das ist nicht das Aus von Humboldt reloaded: Wir werden es an der Universität Hohenheim aus eigenen Mitteln fest etablieren und so dieses attraktive und hervorragende Lehrangebot erhalten.“
Die für die Studierenden wesentlichen Elemente werden erhalten bleiben. Das betrifft insbesondere die studentischen Forschungsprojekte selbst und die Jahrestagung, bei der die Studierenden ihre Ergebnisse als Vortrag oder Poster präsentieren. „Die Präsentation der eigenen Ergebnisse in der wissenschaftlichen Community ist ein wesentlicher Bestandteil von Forschung und auch der krönende Abschluss der studentischen Forschungsprojekte“, so Dr. Selje-Aßmann. „Das Angebot soll aber auch künftig freiwillig sein, damit die Begeisterung und das Engagement bei Betreuenden und Studierenden erhalten bleiben.“
Gesamtkonzept von Humboldt reloaded wird weiterentwickelt
Das Projektteam rund um Initiator Prof. Dr. Martin Blum wird in nächster Zeit daran arbeiten, das Gesamtkonzept der Initiative weiterzuentwickeln. Es kann dabei auf umfassenden Erfahrungen aufbauen – zum Beispiel bei den interdisziplinären Projekten, an denen Studierende auch fakultätsübergreifend beteiligt waren. „Diesen interdisziplinären Ansatz wollen wir weiter stärken“, berichtet Dr. Selje-Aßmann.
Über die eigentlichen Forschungsprojekte hinaus hat Humboldt reloaded zahlreiche Zusatz-Angebote entwickelt, die Studium und Lehre unterstützen. Zum Beispiel die Lernwerkstatt mit Workshops und Seminaren zu Themen wie Lern- und Arbeitstechniken, wissenschaftliches Schreiben oder Stressmanagement im Studium. Oder das Peer Teaching, in dessen Rahmen Studierende ihre gewonnenen Erkenntnisse an Kommilitonen weitergeben können. Für die frühzeitige Internationalisierung sorgen Summer Schools. Und die Betreuenden unterstützt ein Lehrcoach dabei, ihre eigene Lehrpersönlichkeit zu entwickeln.
Wirkungsstudie belegt Erfolg
Doch nicht nur die Begeisterung der Beteiligten, sondern auch Fakten belegen den Erfolg von Humboldt reloaded. Eine Wirkungsstudie, die den Weg ehemaliger Humboldt-Teilnehmender weiter verfolgt, wird im März 2021 abgeschlossen sein. Sie soll zum Beispiel zeigen, ob ehemalige Humboldt reloaded-Studierende öfter ein Master-Studium aufnehmen und häufiger promovieren als ihre Kommilitonen oder ob sie bessere wissenschaftliche Abschlussarbeiten verfassen. „Die Studie untersucht die generelle Wirkung forschungsnahen Lernens, arbeitet aber auch besonders wirkungsstarke Bestandteile der Initiative heraus“, legt Dr. Selje-Aßmann dar. „Das wollen wir bei unseren künftigen Aktivitäten berücksichtigen.“
Einige Zwischenergebnisse lassen sich jetzt bereits festhalten: „Humboldt reloaded-Teilnehmende erreichen nach dem Projekt früher einen besseren Notendurchschnitt als ihre Kommilitonen. Die Studie zeigt außerdem: Forschendes Lernen fördert Recherchekompetenz, Fachkompetenz, Sozialkompetenz und Reflexionskompetenz. Die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung erhöht sich, was das kritische Denken unterstützt. Und wenn man frühzeitig versteht, wie Forschung funktioniert, kann das den weiteren Karriereweg unterstützen.“
StuFo 2020: Studentische Forschung vernetzt sich
Die diesjährige Humboldt-reloaded-Jahrestagung war zugleich auch eine deutschlandweite Veranstaltung: Die 5. Konferenz für studentische Forschung (StuFo) stand unter dem Motto „Forschungstriebe – Wachsen durch Wissenschaft“. Am 17. und 18. September trafen sich dazu 135 Teilnehmende aus ganz Deutschland an der Universität Hohenheim. „Leider nicht vor Ort, sondern wegen der Corona-Situation nur virtuell“, berichtet Dr. Selje-Aßmann. Doch das tat der Begeisterung keinen Abbruch: „Auch wenn wir die direkte Begegnung natürlich vermisst haben, sind doch außerordentlich kreative, digitale Formate entstanden. Die Poster etwa waren teilweise mit Audio- und Video-Material ergänzt.“
Die breite Themenpalette der Hohenheimer Beiträge reichte von der kreativen Verwertung von Biomüll und dem Einsatz von Biomasse für Elektromobilität über Zwiebelschalen gegen Krebs und den Lebensmittelkonsum stillender Frauen im Ostkongo bis hin zu den Fragen, welchen Einfluss mediterrane Ernährung auf die Entstehung von Brustkrebs haben könnte und welche Rolle Preisalgorithmen im Kartellrecht spielen.
Auszeichnungen durch L-Bank, Ehrensenatorin Johannsen und Rektor
Besonders eindrückliche Beispiele für hervorragende studentische Projekte wurden im Rahmen der Tagung mit Preisen ausgezeichnet. Die L-Bank hat die besten Poster und Vorträge mit einem kleinen Preisgeld prämiert. Die Förderbank des Landes Baden-Württemberg gehört seit 2018 zu den Unterstützern von Humboldt reloaded. Gekürt wurden außerdem besonders engagierte Projektbetreuende.
Drei herausragende digitale Projekte erhielten in diesem Jahr ebenfalls einen Preis – gestiftet von der Hohenheimer Ehrensenatorin Marion Johannsen. Verliehen wurde weiterhin der Rektorpreis, gestiftet von Prof. Dr. Stephan Dabbert, für ein herausragendes Projekt. Er ermöglicht den Studierenden die Teilnahme an einer Fachkonferenz.
Staffelstab ging an Zeppelin-Universität
Einen speziellen Preis der Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee erhielten die die Studierenden, die den insgesamt besten Vortrag gehalten haben: Sie sind eingeladen, an der nächsten StuFo im kommenden Jahr den Keynote-Vortrag zu halten.
Die StuFo findet seit 2016 alljährlich an einer anderen Universität in Deutschland statt, die sich zum Thema Forschendes Lernen vernetzt haben. Seit dem Start an der Universität Oldenburg wird der Staffelstab jedes Jahr weitergereicht – jetzt von der Universität Hohenheim an die Zeppelin Universität: https://www.youtube.com/watch?v=SeSz_BVYbpU
Humboldt reloaded Summer School 2020: „Future Labs – Redesigning Life“
Mit der Humboldt reloaded Summer School hat die Universität Hohenheim ein Format etabliert, das in Deutschland seinesgleichen sucht: Studierende aus aller Welt werden ab 21.9. eine Woche lang zu interdisziplinären Forschungsteams, treffen renommierte Vortragende und arbeiten an brandaktuellen Zukunftsthemen. Dass sich ein solches Angebot auch an Bachelor-Studierende richtet, sei nach wie vor europaweit selten, erklärt Nicole Henninger, eine der Koordinatorinnen der Summer School 2020.
„Wegen Corona muss in diesem Jahr alles digital ablaufen“, bedauert sie. „Doch ebenso wie in den Vorjahren ist vor allem die Vielfalt faszinierend – kaum zwei Studierenden sind aus dem gleichen Studiengang, und vor allem der vielfältige kulturelle Background sorgt für spannende forschungsethische Diskussionen.“ Denn vielleicht hätten Studierende aus Brasilien, China oder der Türkei ja z. B. einen ganz anderen Blick auf das Thema Künstliche Intelligenz als Deutsche?
„Future Labs – Redesigning Life“ ist der diesjährige Titel der Summer School. „Die heutige Welt ist geprägt von Wissen und Technologie. Sie haben auch zu den heutigen Problemen mit beigetragen“, erläutert Henninger. „Gleichzeitig können wir aber nur mit Hilfe von neuartigem Wissen und innovativer Technologie die Herausforderungen bewältigen. Das stellt uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor Herausforderungen: Was wollen wir und was können wir durch unsere Arbeit zu den drängenden Fragen beitragen? Aber auch: Wie sollten wir mit unserem Wissen umgehen? Bis zu welchem Punkt sind wir für die Folgen unserer Forschungsergebnisse verantwortlich?“
Das reflektieren die Studierenden in den „Future Labs“ – virtuellen Laboren – anhand von aktuellen Forschungsthemen: Insekten als Nahrungs- und Futtermittel, künstliche Intelligenz, die Transformation der Arbeitswelt durch die Digitalisierung oder die CRISPR/Cas-Technologie. Gemeinsam mit Fachleuten programmieren sie zum Beispiel einen Agrar-Roboter oder lernen die Funktionsweise von Bots kennen.
Summer School jetzt im Video-Blog auf Instagram
Wer sich einen Eindruck zur Summer School 2020 verschaffen möchte, kann dies auf Instagram tun: Ein bereits Summer-School-erfahrender Teilnehmer berichtet im begleitenden Video-Blog von seinen Erfahrungen, und auch die anderen Teilnehmenden sind aufgefordert, ihre Erlebnisse und Ergebnisse mit Bildern, Videos und Posts zu teilen: https://www.instagram.com/hohenheim_summerschool2020/?igshid=re57xrxvv6dg
HINTERGRUND: Humboldt reloaded
Das Reformprojekt „Humboldt reloaded“ will Studierende von Beginn an für die Wissenschaft begeistern. Die Studierenden arbeiten in kleinen Forschungsgruppen mit optimaler Betreuung. Die Projekte werden im Block oder über ein bis zwei Semester durchgeführt. Der Startschuss zu „Humboldt reloaded“ fiel im Jahr 2011. 2014 zeichneten der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und die Hochschulrektorenkonferenz Prof. Dr. Martin Blum als Initiator von „Humboldt reloaded“ mit dem Ars legendi-Preis für Exzellenz in der Lehre aus. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert „Humboldt reloaded“ durch den Qualitätspakt Lehre in zwei Förderperioden von 2011-2020 mit insgesamt rund 15 Mio. Euro.
Text: Elsner
Kontakt für Medien:
Dr. Natascha Selje-Aßmann, Universität Hohenheim, Koordinatorin von Humboldt reloaded,
T 0711 459-23640, E n.seljeassmann@uni-hohenheim.de