Milchlieferboykott:
„Drastischer Hilferuf mit begrenzter Wirkung“  [27.05.08]

Antworten aus der Forschung: Dr. Thomas Fellmann, Agrarwissenschaftler der Universität Hohenheim über den aktuellen Streik der Milchbauern, weiterhin sinkende Preise und fehlende Signale aus der Politik.

Die Milch wird knapp – so die Prognose des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. Ab sofort wollen sie Molkereien nicht mehr beliefern, um gegen unfaire Dumping-Preise zu protestieren. Krankenhäusern und Kindergärten raten sie zu Vorratskäufen. Brauchen wir alle jetzt große Tiefkühltruhen?

Dr. Fellmann: Nein, für Verbraucher wird das letztlich keine allzu großen Auswirkungen haben. Regional könnten kleinere Molkereien durchaus Engpässe haben. Doch selbst wenn alle BDM-Mitglieder mitmachen…

 

…wozu laut Mitgliederbefragung 88 Prozent bereit sind…

Dr. Fellmann: …selbst dann scheint es genügend andere Landwirte zu geben, die weiterhin liefern werden und somit wird der gewünschte Effekt wohl eher ausbleiben.

 

Sie halten den Lieferboykott eher für einen drastischen Hilferuf als für eine realistische Drohung?

Dr. Fellmann: Die Drohung ist recht massiv, aber die Effekte sind begrenzt. Wir haben einen Milch-Überhang und das drückt den Preis. Viele kleine Betriebe können zu diesen Bedingungen nicht kostendeckend produzieren. Es gibt aber auch andere, die schaffen das. Großen Anteil am Dilemma hat die bisherige Agrarpolitik, die eigentlich unrentable Betriebe mit der Milchquote zu lange am Leben hielt. Höhere Preise werden vorhandene Strukturprobleme nicht wirklich und langfristig beseitigen.

 

Leisten Landwirte nicht mehr, als nur Milch zu produzieren? Manche Gegenden können nur aufwendig als Grünland mit Milchvieh bewirtschaftet werden – dadurch sind Landschaften wie Bergwiesen entstanden, die typisch und wertvoll sind.

Dr. Fellmann: Das ist absolut richtig. Doch rechtfertigt das, EU-weit allen Bauern einen hohen Milchpreis zu garantieren, damit in bestimmten Regionen die Landschaft gepflegt wird? Mit zielgerichteter Politik hat das nichts zu tun.

 

Sie plädieren dafür, solchen Landwirten lieber direkt Unterstützung zu zahlen?

Dr. Fellmann: Richtig: Zahlungen für Landschaftspflege, die komplett davon abgekoppelt sind, ob und wie viel Milch ein Landwirt produziert. Seitens der Politik brauchen wir auch das ganz klare Bekenntnis, dass die Milchquoten abgeschafft werden. Nur so können sich die Landwirte darauf einstellen.

 

In Brüssel wurde dieser Ausstieg für das Jahr 2015 angekündigt.

Dr. Fellmann: Erst in der vergangenen Woche hat die EU ihre Pläne konkretisiert: in einem sogenannten „Gleitflug zum Quotenausstieg“ soll die Milchquote die kommenden 7 Jahre leicht erhöht werden, damit Betriebe, die wachsen wollen, investieren können. Danach läuft die Regelung aus, wie wir es aus wissenschaftlicher Seite auch schon lange gefordert haben.

 

Bis dahin wird die Milchproduktion allerdings steigen, wodurch die Preise fallen

Dr. Fellmann: Dieser Übergang scheint sinnvoll, wird aber auch auf den Preis drücken. Zum Ausgleich erhalten Landwirte zusätzlich ein paar Cent pro Liter als Milchprämie, damit sie das Auslaufen alter Milchmarktregelungen nicht so hart trifft. Der Politik ist es allerdings nicht gelungen, den Eindruck zu vermitteln, dass dieser Ausstieg tatsächlich und endgültig kommen wird. Die Folge: viele Landwirte warten einfach noch ab.

 

 

 

 

 

 

 

Kontakt für Medien:

Dr. Thomas Fellmann, Universität Hohenheim, Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik
Tel.: 0711 459-22638, E-Mail: Fellmann@uni-hohenheim.de


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