Genossenschaftsforschung:
50-jähriges Jubiläum und Wissenschaftspreis-Verleihung  [17.05.22]

Forschungsstelle für Genossenschaftswesen an der Uni Hohenheim feiert 50-jähriges Bestehen / GENO-Wissenschaftspreis geht an drei Hohenheimer Nachwuchsforscherinnen

Baden-Württemberg ist das Land der Genossenschaften. In keinem anderen Bundesland ist diese Rechtsform so beliebt wie im Südwesten. Ganz ihrer Erforschung und damit auch ihrer Förderung widmet sich an der Universität Hohenheim in Stuttgart die Forschungsstelle für Genossenschaftswesen. Sie kooperiert eng mit dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV). Am Montag feierte sie ihr 50-jähriges Bestehen. Im Rahmen des Festaktes im Hohenheimer Schloss verabschiedete der Rektor der Universität, Prof. Dr. Stephan Dabbert, den langjährigen Leiter der Forschungsstelle Prof. Dr. Reiner Doluschitz in den Ruhestand und übergab die Leitung offiziell an Prof. Dr. Sebastian Hess vom Fachgebiet Agrarmärkte. Zugleich wurden auch drei Hohenheimer Nachwuchsforscherinnen mit dem GENO-Wissenschaftspreis ausgezeichnet.


Festrednerin Marion Gentges, MdL, baden-württembergische Ministerin der Justiz und für Migration, hob die Bedeutung des Genossenschaftswesens hervor: „Das Genossenschaftswesen genießt in Deutschland und auch international hohes Ansehen. Menschen vernetzen sich in den unterschiedlichsten Bereichen, um gemeinsam etwas zu erreichen, was ein einzelner alleine nicht erreichen könnte. Das macht die genossenschaftliche Rechts- und Unternehmensform zu einem Erfolgsmodell.“ Allein in Baden-Württemberg gibt es nach Angaben des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes (BWGV) aktuell 770 genossenschaftlich organisierte Unternehmen in rund 50 Branchen.

„Leider gibt es Betrüger, die sich das gute Image der Genossenschaften zu Nutze machen, um möglichst viel Geld zu verdienen. Gründer locken unter dem Deckmantel des gesellschaftlichen Förderprinzips neue Mitglieder an, streichen das Geld dann aber selbst ein, ohne einen echten Förderzweck zu verfolgen. Für mich als Justizministerin steht im Vordergrund, die Rechts- und Unternehmensform der Genossenschaft vor Missbrauch zu schützen und solch unseriösen Gründern das Handwerk zu legen. Denn nicht nur die konkret betroffenen Mitglieder, sondern das gesamte Genossenschaftswesen nimmt durch solcherlei Praktiken schweren Schaden.“


Bindeglied zwischen universitärer Lehre und genossenschaftlicher Praxis


Eine wichtige Unterstützung erfahren die Genossenschaften durch die Forschungsstelle für Genossenschaftswesen der Universität Hohenheim. „Als sie vor über 50 Jahren gemeinsam von BWGV und Universität aus der Taufe gehoben wurde, war es die Idee, ein Bindeglied zwischen universitärer Lehre und genossenschaftlicher Praxis zu schaffen“, so Prof. Dr. Stephan Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim.

„Junge Nachwuchsforschende und Graduierte werden speziell in genossenschaftlichen Fragen aus- und weitergebildet“, fährt er fort. „Gleichzeitig generieren wir so neues Wissen und treiben die Forschung zu aktuellen Fragen voran. So können wir aktiv zu Lösungen beitragen und haben gleichzeitig die Gewähr, dass sie auf kürzeste Weise ihren Weg in die Praxis finden. In den 50 Jahren entstand so eine Vielzahl wertvoller Abschlussarbeiten, die Studierende im Dialog mit und für Genossenschaften anfertigten.“

In seiner Rede dankte der Rektor Prof. Dr. Reiner Doluschitz für sein unermüdliches Engagement. Er habe die renommierte Forschungsstelle fast 15 Jahre lang sehr erfolgreich geleitet und im vergangenen Jahr an Prof. Dr. Sebastian Hess übergeben. „Ich möchte aus wissenschaftlicher Sicht dazu beitragen, dass sich die Genossenschaften den großen Herausforderungen unserer Zeit optimal stellen können“, sagte der neue Leiter. Dabei will er ein besonderes Augenmerk auf die Stabilität und Stärkung der Wertschöpfungskette in den Agrarmärkten legen.

„Gerade in der Krise hat das genossenschaftliche Geschäftsmodell seine Stärke und Robustheit eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, betonte er. „Die Menschen haben gespürt, wie wichtig und wertvoll regional tätige Unternehmen sowie vor Ort erzeugte Produkte und Dienstleistungen sind – in der Landwirtschaft, aber auch in vielen anderen Bereichen.“


Erfolgsmodell genossenschaftliche Forschung

„Die genossenschaftliche Forschung bewegt sich seit jeher ausgesprochen nah an der Praxis. Wir sind sehr dankbar, dass sich an der Universität Hohenheim so viele herausragende Persönlichkeiten mit genossenschaftlichen Fragestellungen beschäftigen“, betonte auch der Präsident des BWGV, Dr. Roman Glaser, in seiner Begrüßungsansprache.

Er verwies auf die Forschungsstelle für Genossenschaftswesen, die für Dr. Glaser ein „leuchtendes Beispiel“ in der Bildungslandschaft ist. Ganz besonders dankte er Prof. Dr. Reiner Doluschitz für seine wertvolle Arbeit. Dem neuen Leiter der Forschungsstelle wünschte Glaser ein gutes Gelingen für die neue Aufgabe.


GENO-Wissenschaftspreis für drei Nachwuchsforscherinnen

Bei der Verleihung des GENO-Wissenschaftspreises lobte der BWGV-Präsident: „Die Qualität der prämierten Arbeiten ist einmal mehr beeindruckend hoch.“ Für den BWGV sei der GENO-Wissenschaftspreis von großer Bedeutung. Dieser mit insgesamt 5.000 Euro dotierte Preis würdigt außerordentlich gute Dissertationen und Masterarbeiten.

„Sowohl der BWGV als auch seine Mitgliedsgenossenschaften profitieren von den herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten, die wir gemeinsam mit der Universität Hohenheim und dem Verein zur Förderung der Forschungsstelle für Genossenschaftswesen alle zwei Jahre prämieren“, sagte Dr. Glaser bei der Preisverleihung. Der BWGV-Präsident betonte besonders die große Praxisorientierung der Beiträge, aus denen Erkenntnisse im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit von Genossenschaften gewonnen und auch ganz konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet werden könnten.


Die diesjährigen Preisträgerinnen

Im Rahmen des Festaktes wurden dieses Jahr Dr. Isabel Adams, Dr. Tessa Jensen-Auvermann und Theresa Bäuml mit dem GENO-Wissenschaftspreis ausgezeichnet.

Dr. Isabel Adams erhielt die Auszeichnung für ihre herausragende Dissertation mit dem Titel „Kooperative Lösungsansätze zur Begegnung der Herausforderungen im ländlichen Bereich“. Darin analysiert sie grundlegend, inwiefern Genossenschaften verschiedene Elemente der Daseinsvorsorge übernehmen, und entwickelt ein neues Kooperationsmodell.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde die gleichermaßen hervorragende Dissertation „Verhaltensökonomische Aspekte in der in der strategischen Entwicklung von Mitgliederbeziehungen in ländlichen Genossenschaften“ von Dr. Tessa Jensen-Auvermann. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf der Gestaltung der Vertrauensbeziehungen zwischen Mitgliedern und Mitarbeitenden in ländlichen Genossenschaften und den sich daraus ergebenden Herausforderungen für das Management, insbesondere das Mitgliedermanagement.

Für ihre Masterarbeit zum Thema „Möglichkeiten und Hindernisse für Kooperationen zwischen Kleinbauern am Beispiel kosovarischer Himbeerproduzenten“ erhielt zudem Theresa Bäuml den Preis. Bei ihrer Arbeit ging es ihr auch darum, die Rolle nicht-wirtschaftlicher Faktoren bei der Zusammenarbeit besser zu verstehen, um Maßnahmen, die die genossenschaftliche Organisation von Kleinbauern unterstützen, zielgerichteter planen zu können.


HINTERGRUND: Forschungsstelle für Genossenschaftswesen

Mit der Gründung der Forschungsstelle für Genossenschaftswesen im Jahr 1971 wurde die an der Universität Hohenheim in mehreren Bereichen existierende Forschung zu diesem Thema unter einem Dach zusammengefasst. Ihre Aufgabe ist die praxisrelevante und theoriebegleitende Forschung auf dem Gebiet des Genossenschaftswesens und anderer Kooperationsformen über alle Branchen hinweg. Finanzieller Förderer, Unterstützer und Ideengeber ist der Verein zur Förderung der Forschungsstelle für Genossenschaftswesen.


HINTERGRUND: GENO-Wissenschaftspreis

Der mit insgesamt 5.000 Euro dotierte Wissenschaftspreis wird alle zwei Jahre vom Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (BWGV) vergeben. Er würdigt außerordentlich gute Dissertationen und Masterarbeiten, die sich mit praxisbezogenen Entwicklungen im Genossenschaftswesen insgesamt oder in den einzelnen Genossenschaftssparten befassen. Gefördert werden qualifizierte Studierende, Doktorand:innen und frisch promovierte Nachwuchswissenschaftler:innen aus Hohenheim.

Weitere Infos
Forschungsstelle für Genossenschaftswesen
BWGV

Text: Stuhlemmer

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Sebastian Hess, Universität Hohenheim, Forschungsstelle für Genossenschaftswesen,
T +49 (0)711 459 22899, E s.hess@uni-hohenheim.de


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