Nach Anschlag auf Olympia-Stadt London:
Wie sicher gilt die Fußball-WM in Deutschland?  [10.07.05]

"Der Schock wirkt nur kurzfristig nach": Langzeit-Studie der Universität Hohenheim zur WM 2006 thematisiert Ängste bei Sport-Events

Auf das Bedrohungsgefühl der Bevölkerung bei Sportevents wie z. B. der FIFA-WM 2006 in Deutschland haben Terroranschläge wie das Attentat in London am vergangenen Donnerstag wohl nur kurzfristige Auswirkungen. Zu dieser Einschätzung kommt der Hohenheimer Professor Markus Voeth im Rahmen einer Langzeitstudie über Euphorie und Ängste der Bevölkerung im Zusammenhang mit der WM 2006. Besonders gefährdet sehen die Befragten derzeit die Austragungsstädte Berlin, Frankfurt und Leipzig, wobei letztere im vergangenen Jahr noch als durchschnittlich gefährdet galt. In London war es einen Tag nach der Entscheidung, die Olympischen Spiele 2012 an diese Stadt zu vergeben, zu vier Bombenanschlägen auf U-Bahnen und Bus gekommen. Als Täter hatte sich die islamistische Al-Qaeda-Gruppe bekannt.

„Unsere jährlichen Umfragen zeigen deutlich, dass das Bedrohungsgefühl der Bevölkerung entsprechend den aktuellen Ereignissen schwankt“, erklärt Prof. Dr. Markus Voeth vom Lehrstuhl für Marketing der Universität Hohenheim. „Nach dem Bombenanschlag in Madrid 2004 sahen die Befragten die größte Bedrohung in Terroranschlägen. Aktuell werten wir die Umfrage aus, die wir im Mai 2005 nach den Hooligan-Ausschreitungen in Celje durchgeführt haben. Darin löst die Angst vor Fußballrowdies die Sorge vor Terroristen ab.“

Ergebnisse wie diese sind Teil einer repräsentativen Langzeitstudie zur Fußball-WM 2006. Seit 2001 ermittelt Prof. Dr. Voeth im Jahresrhythmus WM-Euphorie und -Ängste der Bevölkerung. "Der Schlüssel zum Erfolg der Fußball-WM in Deutschland liegt schließlich in der öffentlichen Akzeptanz. Deshalb fragen wir neben Erwartungen und Einstellungen auch immer wieder das Bedrohungsgefühl ab", begründet der Marketing-Experte. Aktuell wurden dazu 2.093 Personen aller Altersgrupen über 14 Jahre befragt. 2.381 Personen waren es im Vorjahr gewesen.

Demnach halten aktuell rund 60 Prozent der Befragten Ausschreitungen während der WM für wahrscheinlich. Zwölf Prozent rechnen sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit damit. Die größten Angstmacher sind je nach Nachrichtenlage politisch-religiös motivierte Terroristen, betrunkene Rowdies und randalierende Fans. Generell weniger Sorgen bereiten typische Kleinkriminalität wie Taschendiebstahl in der Menschenmenge oder die Gefahr, dass Sicherheitsbehörden ihren normalen Aufgaben in dieser Zeit nicht nachkommen. Am wenigsten Sorge bereitet das mögliche Verkehrschaos.

Gleichzeitg belegt die Studie ein hohes Vertrauen in die deutschen Sicherheitsorgane, das über die Jahre gestiegen sei. "Eine vertrauensstärkende Ursache könnte sein, dass die Sicherheitsvorbereitung zur WM zunehmend wahrgenommen werden", meint Prof. Dr. Voeth. Aktuell haben 18 Prozent der Befragten die Frage bejaht, ob sie von Sicherheitsvorkehrungen schon etwas mitbekommen hätten. Im Vorjahr und den Jahren davor waren es lediglich vier bis sechs Prozent gewesen.

Im Städtevergleich zeigt die Studie jedoch auch, dass die Bedrohungspotentiale in den WM-Städten stark unterschiedlich eingeschätzt werden. „Größtes Sorgenkind der Bevölkerung bleibt Berlin“, zitiert Projektleiterin Uta Herbst aus der Studie. „Auf Platz zwei sieht die Bevölkerung zur Zeit Hamburg und Leipzig“, ergänzt Kollege Stefan Sandulescu. Vergangenes Jahr war die sächsische WM-Stadt erst an fünfter Stelle genannt worden.

Überdurchschnittliches Risiko befürchten die Befragten auch in Hamburg (Platz 3) und München (Platz 4). Unterdurchschnittliches Risiko herrscht ihrer Ansicht nach in Nürnberg (Platz 12), Stuttgart und Kaiserslautern (gemeinsam Platz 10) sowie Gelsenkirchen und Hannover (zusammen Platz 8). Dortmund und Köln liegen im Mittelfeld.

„Trotz aller Bedrohungsszenarien zeigt die Studie aber auch, dass die Zustimmung zur WM stetig wächst“, sagt Prof. Dr. Voeth. 76 Prozent Befürworter gab es 2001 im Jahr nach dem Zuschlag für Deutschland als Austragungsort. Aktuell stehen 83 Prozent der Bevölkerung hinter dem Sportereignis. Gleichzeitig stieg die Zahl der WM-Gegner geringfügig von sieben auf acht Prozent. Keine Meinung haben derzeit 9 Prozent (2001: 17 Prozent).

Gleichzeitig wünscht sich die Mehrheit ein stärkeres Engagement der FIFA bei den Kosten für die Sicherheit. Zwei Drittel sind der Meinung, dass der Fußballverband für die Hauptlast der Kosten zur Kasse gebeten werden sollte. 23 Prozent sehen die finanzielle Verantwortung beim Bund. Jeweils fünf Prozent fordern den größten Teil von den Austragungsländern und WM-Städten.

Langzeit-Fußballstudie zur WM 2006

In einer groß angelegten Langzeitstudie zur FIFA Fußball-WM 2006 misst der Lehrstuhl für Marketing von Prof. Dr. Voeth in jährlichen Teilstudien unter anderem die Begeisterung, Präferenzen und Vorstellungen der Bevölkerung für die WM 2006. Daneben erfassen jährlich wechselnde Sonderschwerpunkte Themen wie das Vermarktungspotenzial, Sicherheit, Ticket-Pricing, Merchandising und die Standortwahl der Stadien. Die Studie soll einerseits Stimmungsindikator, andererseits auch konstruktiver Beitrag für eine erfolgreiche Organisation sein. Alle Informationen unter www.wm-studie.de

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Markus Voeth
Universität Hohenheim, Institut für Betriebswirtschaftslehre, Lehrstuhl für Marketing
Tel: 0711 459-22925, E-Mail: marketing@uni-hohenheim.de


Zurück zu Pressemitteilungen