Fettreduziert und dennoch wohlschmeckend:
Forscher entwickeln Magermilchprodukte, die wirklich satt machen  [07.10.09]

Schwergewichte der Forschung: Universität Hohenheim entwickelt neue Low-Fat-Produkte im Rahmen eines DFG/AiF-Clusters

Produkte, die trotz weniger Fett satt machen und auch schmecken – das ist Ziel eines neuen Forschungsprojekts von Lebensmittelwissenschaftlern der Universität Hohenheim. Zusammen mit Bio-Ingenieuren, Verfahrenstechnikern, Chemikern, Medizinern, Pharmazeuten und Psychologen entschlüsseln sie unter anderem, wie genussfördernde Eigenschaften der Milch erhalten bleiben und welche Teilchen in fetthaltigen Produkten dafür sorgen, dass das Gehirn dem Leckermaul die „Ich-bin-satt“-Botschaft meldet. Insgesamt stellen sich acht Forschungseinrichtungen in Kooperation mit 30 Industriepartnern und unter Koordination des Forschungskreises der Ernährungsindustrie (FEI) in acht Teilprojekten der technologischen Herausforderung. Über drei Jahre verteilt stellen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (via AiF) über drei Millionen Euro zur Verfügung. Davon entfallen 376.000 Euro auf die Universität Hohenheim.

Magerquark, Diät-Joghurt und Fitness-Milch: das Kühlregal im Supermarkt lässt wenig Wünsche offen. Doch manche Fitness-Milch schmeckt wie Wasser, der Magerquark zerbröselt auf dem Löffel. Unzufrieden und ungesättigt greift der Kunde zum nächsten Light-Produkt – und wird dabei nicht schlanker.

Grund dafür ist, dass mit dem Fett auch viele positive Eigenschaften in punkto Geschmack und Sättigung verlorengehen. Fett ist Träger vieler Vitamine und Aromastoffe. Und es ist für die Konsistenz vieler Milchprodukte verantwortlich: Es macht Weichkäse cremig und lässt Joghurt den Gaumen schmeicheln. Darum ist Fett aus unserer Ernährung an sich nicht wegzudenken.

 

Proteinkugeln

Damit der Verbraucher keinen Unterschied spürt, muss das fettreduzierte Endprodukt dieselbe Beschaffenheit haben wie sein fetthaltiger großer Bruder. In den Laboren der Universität Hohenheim untersuchen die Forscher um Lebensmittelwissenschaftler Prof. Dr. Ing. habil. Jörg Hinrichs deshalb auch systematisch Konsistenz und Fließverhalten des fetthaltigen Produkts. Ergänzung findet diese Arbeit durch Arbeitsgruppen in Hamburg und Erlangen, die erforschen, wie der Mensch mit Hilfe von Rezeptoren auf der Zunge die Textur eines Lebensmittels wahrnimmt, das sogenannte Mundgefühl.

Daneben untersucht die Arbeitsgruppe, wie Fette in Milchprodukten reduziert werden können. Ihr Ansatz: Sie bauen diejenigen Bausteine oder Mikrostrukturelemente nach, die für die Fettwahrnehmung mitverantwortlich sind – und zwar bei angestrebter Energiereduktion. Basis dafür sind beispielsweise Molkeproteine, die die Wissenschaftler so einbringen, dass sie die kugelartigen Fettstrukturen imitieren.

Außerdem wird im Projekt erforscht, welche Funktionen Begleitstoffe des Fetts, die Lipoide, wie z.B. Lecithin, bei der Fettwahrnehmung im Gehirn erfüllen. Ziel ist die Botenstoffe der Sättigung zu identifizieren, um sie gegebenenfalls in der Rezeptur fettreduzierter Produkte zu ergänzen.

 

Acht Teilprojekte vom Aromastoff bis zur Strömungsdynamik im Mund

Neben der Universität Hohenheim beteiligen sich sieben weitere Forschungsinstitutionen an dem Clusterprojekt mit dem Titel „Fettwahrnehmung und Sättigungsregulation: Ansatz zur Entwicklung fettreduzierter Lebensmittel“. Die Teilprojekte arbeiten zeitlich parallel aber an verschiedenen Standorten.

• So beschäftigen sich die Lebensmittelchemiker der TU München mit der Rolle von geruchlich wahrnehmbaren Aroma- und geschmacklich wahrnehmbaren Geschmacksstoffen für die Fettwahrnehmung.

• Die Bioingenieure der Universität Erlangen-Nürnberg untersuchen, wie die fetthaltigen Speisen durch den Mund fließen und welche Auswirkungen dies auf die Geschmackssensoren der Zunge hat.

• In den Laboren des DIFE entschlüsseln die Forscher das molekulare Zusammenspiel von Fett und den Geschmackssensoren der Zunge.

• Die Verfahrenstechniker der TH Karlsruhe entwickeln eine Methode Fett durch Doppelemulsion zu reduzieren. Hierbei wird in die Fettkugel Wasser eingearbeitet, so dass die äußere Fettstruktur erhalten bleibt, aber dies bei geringerem Energiegehalt, so die Vision der Wissenschaftler.

• Mediziner, Pharmazeuten und Psychologen der Universität Tübingen erforschen die Veränderung der Insulinwirkung im Gehirn. Insulin hat auch Einfluss auf den Fettstoffwechsel und spielt eine wesentliche Rolle bei Ernährungskrankheiten.

• Die Ökotrophologen der FH Hamburg wenden sich schließlich der Wahrnehmung des Konsumenten zu. Sie untersuchen, wann der Esser eine Konsistenz als weich oder fest wahrnimmt, und was der Konsument vorzieht.

• Koordiniert wird das Clusterprojekt von Prof. Dr. P. Schieberle von der TU München.

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Rund 26 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim allein im vergangenen Jahr – gut 20 % mehr als im Vorjahr. In loser Folge präsentiert Ihnen die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer Viertelmillion Euro, bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Text: Konstantinidis

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Ing. habil. Jörg Hinrichs, Fachgebiet Lebensmittel tierischer Herkunft
Tel.: 0711/459-23792, E-Mail: jh-lth@uni-hohenheim.de


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