Weltwüstentag 2012:
Plantagen könnten Regen in die Wüste bringen [08.06.12]
Zum Weltwüstentag am 17. Juni: Atmosphärenwissenschaftler an der Universität Hohenheim begrünt im Computermodell die Wüste und untersucht damit die Änderung des lokalen Klimas
Blühende Landschaften, mildere Temperaturen und eventuell sogar Regen: Mit einem Computermodell erforschen Atmosphärenwissenschaftler von der Universität Hohenheim, unter welchen geographischen Voraussetzungen sich die Wüste durch Parzellen begrünen lässt und wie sich dadurch das regionale Klima verändert. Doch nicht nur die Machbarkeit, auch die Folgen eines solchen Forschungsprojekts müssen nach Ansicht der Wissenschaftler abgewogen werden. In der Lehre bieten sie deshalb auch den deutschlandweit einmaligen Studiengang Erdsystemwissenschaft an. Sein Ziel: ein besseres Verständnis des Systems Erde, um einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft leisten zu können (https://master.uni-hohenheim.de/esw).Noch ist es nur ein Computermodell: Prof. Dr. Volker Wulfmeyer, der Leiter des Instituts für Physik und Meteorologie an der Universität Hohenheim, hat virtuelle Plantagen mit den äußerst genügsamen Pflanzen Jojoba und Jatropha angelegt – mitten in der Wüste. „Ihre Sprösslinge lassen sich auch in der Realität im Wüstensand aussäen“, sagt er Forscher. „Mit moderater Bewässerung wachsen und gedeihen sie trotzdem und schaffen sich so ihr eigenes Biotop.“
Die Simulationen hängen aber nicht in der Luft sondern werden durch Ergebnisse gestützt, die schon jetzt durch Messungen an real existierenden Plantagen in Luxor (Ägypten) und in der Negev-Wüste (Israel) durchgeführt werden.
In Ägypten etwa bewirtschaftet der Hohenheimer Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Becker seit sechs Jahren eine Jatropha-Plantage. „Zur Bewässerung nutzen wir die Abwässer der Stadt Luxor“, berichtet Prof. Dr. Becker. „Nach diesem Erfolg kam mir die Idee einer Machbarkeitsstudie, die zeigt, was an Wüstenwachstum zu welchen Kosten möglich ist – und wie sich solche Aktivitäten auf das Regionalklima auswirken.“
Auch Wüstenluft kann bereits Feuchtigkeit enthalten
Das aktuelle Modell ist ein Ergebnis dieser Überlegung. Es simuliert, wie die virtuelle Plantage die Temperatur und die Feuchte der Atmosphäre ändert. Durch die Änderungen der lokalen Gegebenheiten kann sogar die erste Voraussetzung für Wolkenbildung gegeben sein. „Vor allem in Küstennähe ist die Luft in der Wüste gar nicht so trocken wie man denkt“, erklärt Prof. Dr. Wulfmeyer. „Dort liegt die relative Luftfeuchtigkeit oft sogar bei 30 oder 40 Prozent.“
Ein einfacher Effekt könnte dann tatsächlich für Regen mitten in der Wüste sorgen: „Über Wäldern und Plantagen erhitzt sich die Luft stärker als über dem unbewachsenen Sandboden“ sagt Prof. Dr. Wulfmeyer. „Unser Modell zeigt, dass so kleinräumige Temperaturunterschiede entstehen. Sie verursachen nicht nur Wind, sondern führen auch dazu, dass sich Wolken bilden und schließlich Regen fällt.“
Einzelfälle bestätigen das Computermodell bereits in der Praxis
Dennoch bleiben viele Fragen offen. „Bisher ist völlig unklar, welche Entfernung zum Meer oder Gebirgen die besten Voraussetzungen bietet“, erklärt Prof. Dr. Wulfmeyer. Ebenso unklar ist, wie die Effekte von der Form und der Größe der Plantage oder des Waldstücks abhängen. „Uns interessiert auch wie viel Kohlendioxid von Wäldern und Plantagen gebunden und wie viel Bioenergie durch die Früchte produziert werden kann.“
Praktische Bestätigung für seine Computermodelle bekommt Prof. Dr. Wulfmeyer aus Israel. Dort haben Wissenschaftler schon vor Jahren einen etwa 30 km² großen Pinienwald in der Negev-Wüste gepflanzt.
Die Anpflanzung trägt sich selbst durch 100 bis 200 Millimeter Niederschlag pro Jahr. Simulationen durch Computermodelle haben die israelischen Forscher aber nicht geliefert: „Sie haben gezeigt, dass es geht“, sagt Prof. Dr. Wulfmeyer, „aber es soll nun geklärt werden, warum und wie man den Einzelfall übertragen kann und wie der Wald selbst nun die Niederschlagsmengen beeinflusst.“
Wüstenwälder könnten das überregionale Klima beeinflussen
Eine weitere Frage muss laut Prof. Dr. Wulfmeyer ebenfalls genau untersucht werden: „Bislang erzeugen wir in unseren Computermodellen nur kleinräumige Effekte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Wüstenwälder ab einer bestimmten Größe auch das überregionale Klima beeinflussen“, warnt er.
Ein Fokus der Computersimulation liegt deshalb auch auf diesem Effekt: „Wir müssen unbedingt wissen, wo die Obergrenze liegt.“
Ingesamt soll dieses Projekt einen wichtigen Beitrag zur Mitigation des Klimawandels durch die kombinierte Erforschung des lokalen Klimas, der Kohlenstoffbindung und der Produktion von Bioenergie liefern, so Prof. Dr. Wulfmeyer.
Ergänzende Ausbildung für neue Generation von Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern
Es ist ein Thema, das dem Atmosphärenwissenschaftler am Herzen liegt. Deshalb bietet sein Institut inzwischen auch den Masterstudiengang Erdsystemwissenschaft an.
„Nur wer das System Erde versteht, kann abschätzen, welche Auswirkungen die aktuellen technologischen, ökonomischen, sozialen und natürlichen Veränderungen haben. Und nur so können wir tragfähige Konzepte zum Schutz unseres Planeten entwerfen und Politik und Gesellschaft davon überzeugen“, zitiert Prof. Dr. Wulfmeyer die Philosophie des Masterstudiengangs (Details: master.uni-hohenheim.de/esw).
Hintergrund: Weltwüstentag
Die Vereinten Nationen haben den 17. Juni zum Weltwüstentag ernannt. Der weltweite Aktionstag soll die breite Öffentlichkeit für die bedrohliche Ausbreitung der Wüsten sensibilisieren und ihr bewusst machen, wie wichtig Gegenmaßnahmen sind. Der Weltwüstentag wirft aber auch ein Schlaglicht auf die Regionen der Erde, in denen die nachhaltige Landnutzung im Zeitalter des Klimawandels besonders wertvoll sein wird.
Text: Weik / Lembens-Schiel
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Volker Wulfmeyer, Universität Hohenheim, Institut für Physik und Meteorologie
Tel.: 0711/459 22150, E-Mail: volker.wulfmeyer@uni-hohenheim.de