Zum Bierbrauen fast zu schade:
Superpflanze Hopfen gegen Krebs und gegen Beschwerden in den Wechseljahren  [20.12.06]

Hopfen, die Arzneimittelpflanze des Jahres 2007, hat hohes Potential im Kampf gegen Krebs und Hormonschwankungen. Züchter der Universität Hohenheim wollen es gentechnisch optimieren

Zum Bierbrauen fast zu schade. – Die gekrönte Arzneipflanze des Jahres 2007 ist ein wahres Multitalent. Das Hopfen ähnlich dem Baldrian beruhigende Wirkungen entfaltet, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Hopfen-Dragees gibt es in jedem Drogeriemarkt. Dass er darüber hinaus auch die Teilung von Krebszellen verhindern und Frauen über die Wechseljahre hinweghelfen kann, ist weniger bekannt. Das Problem bisher dabei: Der Hopfen produziert die notwendigen Wirkstoffe so ineffizient, dass die Produktion zu teuer ist. Forscher der Universität Hohenheim wollen das nun mittels Gentechnik ändern – und können erste Erfolge verbuchen.

Die Wunderstoffe des Hopfens heißen 8-Prenylnaringenin, ein Phytoöstrogen, und Xanthohumol. Während das Phytoöstrogen bei Einnahme regulierend in den Hormonkreislauf des Menschen eingreift und Frauen die Wechseljahre erträglicher machen kann, bekämpft das Xanthohumol den Krebs, indem es die Teilung und Reproduktion der befallenen Zellen verhindert, zitiert Prof. Dr. Gerd Weber vom Institut für Pflanzenzüchtung, Saatgutforschung und Populationsgenetik der Universität Hohenheim die medizinische Forschung.

Damit diese Produkte im Hopfen entstehen können, läuft jedoch vorher eine komplexe Kette von Syntheseprozessen ab. Wie in einer Fertigungsstraße für ein Automodell wandeln Enzyme im Hopfen in zahlreichen Teilschritten jedes entstehende Zwischenprodukt in ein noch komplexeres Zwischenprodukt um, bis am Ende die nutzbaren Endstoffe im Hopfen zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zur Fahrzeugfertigungsstraße, bei der am Ende nur ein Modell herauskommt, verzweigt sich die Prozesskette des Hopfens in verschiedene Richtungen, an denen am Ende eben nicht nur die Aroma- und Bitterstoffe für die Bierherstellung stehen, sondern auch die medizinisch wertvollen Stoffe Xanthohumol und 8-Prenylnaringenin.

Die Natur zieht Bier der Krebsbekämpfung vor. So kann man das Problem beschreiben, vor dem die Wissenschaft bisher stand. Denn im Gegensatz zur reichlichen Produktion der Aroma- und Bitterstoffe für den Brauvorgang geizt der Hopfen mit der Produktion der Wundermedizin. So sind enorme Mengen an Hopfenblüten notwendig, um die Endstoffe in ausreichendem Maße zu erhalten. Das führt dazu, dass wenige Gramm medizinisch wirksamen Phytoöstrogens bis zu 1.000 Euro kosten, Xanthohumol noch ein Vielfaches mehr. „Ein Preis den kaum jemand zahlen kann und will“, so Prof. Dr. Weber.

Für diese geringe Produktion sind die für den Teilvorgang zuständigen Enzyme verantwortlich. Doch während die Prozesskette zu den Biergrundstoffen bekannt ist, sind die ablaufenden Synthesevorgänge samt der relevanten Enzyme für Xanthohumol und Phytoöstrogen unbekannt. „Wir sind ihnen aber auf der Spur“, so Prof. Dr. Weber. Wenn die Forscher die den verantwortlichen Enzymen zu Grunde liegenden Gene identifizieren können, dann können sie diese für eine effizientere Arbeitsweise modifizieren. Dafür braucht es aber Geduld: Nach einer DNA-Neuprogrammierung brauchen die verwendeten Hopfenstängel neun Monate, bis sie sich zur vollständigen Pflanze regenerieren und Aussagen über den Versuchserfolg, also eine erhöhte Produktion von Xanthohumol und des Phytoöstrogens ermöglichen. Lediglich 0,5 Prozent der Kandidaten sind dann tatsächlich transgen, also erfolgreich gentechnisch verändert.

Um ihr Ziel zu erreichen, konzentrieren sich die Züchter zunächst darauf, die relevanten Gene aus Hopfen und anderen Organismen zu finden und zu isolieren. „Als zweiten Schritt wollen wir die Funktion der Hopfengene optimieren und/oder fremde Gene aus anderen Organismen in den Hopfen einbringen“, meint Prof. Dr. Weber. Ein möglicher Kandidat dafür könnte zum Beispiel die Pflanze Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) sein. Die Gefahr, dass sich der neue genveränderte Hopfen unkontrolliert ausbreitet, sieht Prof. Dr. Weber nicht. „Die interessanten Stoffe finden sich vor allem in der weiblichen Blüte. Wir werden den Anbau des Medizinhopfens folglich auf weibliche Pflanzen beschränken, so dass auch kein Pollen verweht werden kann.“

Einen wichtigen Teilerfolg können die Hohenheimer Forscher bereits verbuchen. Um herauszubekommen, ob die reichhaltige Produktion der Arzneistoffe nicht zu Lasten der Biergrundstoffe geht, haben sie durch gentechnische Veränderungen den Hopfen den sonst im Rotwein enthaltenden Stoff Resveratrol produzieren lassen, dessen Synthesevorgang bekannt ist. Das Ergebnis stimmt die Forscher zuversichtlich: Denn obwohl der Hopfen jetzt große Mengen Resveratrol produziert, liefert er weiterhin die gleichen Mengen an Aroma- und Bitterstoffen. Das lasse einen großen Ressourcenpool vermuten, sagt Prof. Dr. Weber. „Der Hopfen hat großes Potenzial, ein Star zu werden. Wir müssen ihn nur ein wenig fördern“, so der Hohenheimer Wissenschaftler weiter.

Hintergrund:

Seit 1997 erforscht Prof. Dr. Weber molekularbiologisch den Hopfen. Dem Pflanzengenetiker gelang es weltweit als erstes, gentechnisch veränderten Hopfen herzustellen. Darauf aufbauend gründete er das mittlerweile größte auf Hopfen fokussierte Forschungsnetzwerk der Welt, EU-HOPNET.

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Gerd Weber, Universität Hohenheim, Institut für Pflanzenzüchtung, Saatgutforschung und Populationsgenetik
Tel.: 0711 459-22341, Fax: 0711 459-22343,
E-Mail: weberg@uni-hohenheim.de


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