Verhandlungen Griechenland-EU:
Machtverhältnisse zugunsten Griechenlands verschoben  [30.01.15]

Verhandlungsexperte der Universität Hohenheim sieht Griechenlands Position bei den Verhandlungen mit der EU gestärkt. Er erwartet daher zähe Verhandlungen.

Das Ringen um den Schuldenberg Griechenlands hat begonnen. Alexis Tsipras, Griechenlands neuer Premierminister, will die Sparpolitik beenden und nun rasch in die Gespräche mit der EU einsteigen. Seine Verhandlungsposition sei dabei gar nicht so schwach, meint der Verhandlungsexperte Prof. Dr. Markus Voeth. Doch beide Parteien haben nur wenig Verhandlungs-Spielraum.

 

Bis vor kurzem war die Situation festgefahren: Die Verhandlungen der früheren griechischen Regierung mit der Europäischen Union verursachten einen Sturm in der Eurozone und scheiterten. Die neue Führung Griechenlands unter Premierminister Alexis Tsipras hat dagegen jetzt eine bessere Ausgangssituation, meint Verhandlungsexperte Prof. Dr. Markus Voeth, Leiter des Fachgebiets Marketing & Business Developement an der Universität Hohenheim.

 

Ein BATNA stärkt die Verhandlungsposition

„Die Ausgangslage bei Verhandlungen hängt immer davon ab, wie die Machtverhältnisse zwischen den Partnern aussehen“, erläutert Prof. Dr. Voeth. „Das verschiebt sich deutlich, wenn eine Partei ein BATNA hat.“

BATNA – das ist die „Best Alternative to a Negotiated Agreement“. Es besagt, ob man bei den Verhandlungen eine Alternative vorweisen kann oder auf einen positiven Ausgang bei Verhandlungen angewiesen ist. Ein BATNA kann die Verhandlungsposition deutlich stärken. „Griechenland hatte in der Vergangenheit kein BATNA und war daher gezwungen, alle Vorgaben der EU anzunehmen. Jetzt versucht das Land, eine Alternative zu finden, indem es eine Annäherung an Russland ankündigt“, so Prof. Dr. Voeth. Die Ausgangsposition Griechenlands würde damit gestärkt.

„Vermutlich ist das zwar nur ein Versuch, ein BATNA vorzuspielen“, gibt der Experte zu bedenken. „Die Russen stehen wirtschaftlich auch nicht gerade so da, dass sie sich einen solchen Klotz ans Bein binden würden.“ Doch das könne bei Verhandlungen bereits ausreichen: „Die Europäer wissen zwar, dass die Russlandkarte keine wirkliche Alternative darstellt. Trotzdem zeigt allein der Versuch schon Wirkung.“

 

Bewegung durch neue Köpfe

Hilfreich kann es bei festgefahrenen Verhandlungen auch immer sein, wenn man etwas Neues ins Spiel bringt. Beispielsweise kann ein Austausch der Verhandlungsführer für Bewegung sorgen. „Tsipras kann besser eine andere Position einnehmen als sein Vorgänger, da er nicht an seine bisherige Position gebunden ist“, meint Prof. Dr. Voeth.

Auch dadurch verbessert sich die Situation für die Griechen. „Faktisch reicht das zwar ebenfalls nicht aus, um völlig neue Ergebnisse zu erreichen. Aber die EU wird Zugeständnisse machen müssen. Sonst wird Tsipras unglaubwürdig, und einen Gesichtsverlust des Verhandlungspartners will die EU sicherlich auch nicht.“

 

Schmaler Verhandlungsspielraum

Prof. Dr. Voeth sieht damit insgesamt keine fundamentalen Veränderungen der Machtverhältnisse, aber doch eine leichte Verschiebung. Deutlich würde das auch im Verhandlungsstil: „Die EU-Vertreter reisen nach Athen, nicht umgekehrt. Auch Tsipras‘ betont legeres Auftreten ohne Krawatte signalisiert, dass er nicht dort weitermacht, wo sein Vorgänger aufgehört hat. Er deutet einen neuen Stil an.“

Für beide Seiten ist der Verhandlungsspielraum jedoch relativ klein. „Tsipras muss die innenpolitische Front im Blick behalten, die EU kann die Auswirkungen auf andere Staaten in Europa nicht außer Acht lassen und kann daher keine weitreichenden Zugeständnisse machen. Das dürfte zu recht zähen Verhandlungen führen“, befürchtet Prof. Dr. Voeth.

„Die Hauptfrage wird sein, welchen nicht zu schmerzhaften Kompromiss man finden kann, so dass am Ende beide Seiten von einem Erfolg reden können“, so Prof. Dr. Voeth. „Die EU muss sagen können, dass Griechenland weiterhin den harten Sparkurs weiterverfolgt, und Griechenland will verkünden, dass es Zugeständnisse erreicht hat.“

Text: Elsner

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Markus Voeth, Universität Hohenheim, Institut für Marketing & Management, Lehrstuhl für Marketing & Business Development, Tel. 0711 459-22925, E-Mail: voeth@uni-hohenheim.de


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