Ehegattensplitting:
"Reform-Modelle werden überschätzt"  [01.02.07]

Bis zu 99 Prozent der Familien mit Kindern können von einer Reform profitieren - allerdings längst nicht so sehr, wie bislang angenommen. So eine Studie der Universität Hohenheim

Von einer Reform des Ehegattensplittings könnten laut Hochrechnungen 99 Prozent der Familien mit Kindern profitieren. Allerdings würde die Wirkung der Reform-Modelle, wie sie auch im Bundestag diskutiert wird, generell überschätzt, erklärte Prof. Dr. Gerhard Wagenhals als Ergebnis einer neuen Studie heute morgen auf dem Symposium "Ehegattensplitting und Familienpolitik" an der Universität Hohenheim. Seit dem Vortag diskutieren dort politische und wissenschaftliche Befürworter und Gegner des Ehegattensplittings Möglichkeiten und Auswirkungen einer grundlegenden Reform. Organisator ist das Kompetenzzentrum Gender und Ernährung der Universität Hohenheim. Das Symposium endet heute um 15:00 Uhr mit einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der vier großen Parteien.

18,5 Milliarden Euro lässt sich die Bundesrepublik Deutschland das Ehegattensplitting kosten. Steuerausfälle, die der Staat direkt zu Gunsten der Familienpolitik einsetzen sollte, meinen Kritiker. Denn: "Das Splitting entlastet nicht die Paare, die Kinder haben, sondern vor allem Ehepartner mit traditioneller Arbeitsteilung und gutem Einkommen", begründet Prof. Dr. Barbara Seel, Ökonomie-Professorin der Universität Hohenheim und Veranstalterin des aktuellen Symposiums.

In seiner aktuellen Berechnung hat Prof. Dr. Wagenhals drei verschiedene Reformvorschläge unter die Lupe genommen. Dazu wertete der Volkswirt der Universität Hohenheim das Steueraufkommen von 26.000 Personen über die Jahre 1984 bis 2005 aus.

Bei einer Individualbesteuerung, also bei einer Abschaffung des jetzigen Ehegattensplittings, könnte die gesamte Summe von 18,5 Milliarden Euro freigesetzt und in Projekte der Familienförderung fließen. Während bei der aktuellen Steuersituation eher Besserverdiener und Familien mit Kindern profitieren, kämen eingesparte Gelder auch Paaren mit Kindern - aber ohne Trauschein - zugute. Verlierer der Reform wären vor allem Alleinverdiener. Juristisch sei die komplette Abschaffung des Ehegattensplittings allerdings kaum durchsetzbar, so das Urteil der meisten Splitting-Experten, die sich auf den gesetzlichen "Schutz der Ehe" berufen, wie er im Grundgesetz verankert ist. Schlechter gestellt wären vor allem Besserverdiener. Als Reaktion auf die Reform können sich verheiratete Frauen vorstellen, im Schnitt vier Wochenstunden mehr zu arbeiten. Das bezieht sich vor allem auf Frauen aus höheren Einkommensgruppen und Ehen, bei denen der Mann Alleinverdiener war.

Eine Alternative wäre das so genannte begrenzte Realsplitting. Das von den Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag eingereichte Modell sieht eine Umwandlung des Ehegattensplittings in eine Individualbesteuerung mit einem übertragbaren Höchstbetrag von 10.000 Euro vor. Die gesparten Gelder hingegen könnten in Kinderbetreuungsangebote fließen. Während die Grünen mit Steuereinnahmen von rund 5 Milliarden Euro rechnen, sieht Prof. Dr. Wagenhals lediglich einen Betrag von 2,4 Milliarden. "In der getrennten Veranlagung von Ehepartnern nach diesem Modell sehe ich geringe Auswirkungen. Allerdings sind Ehen mit nur einem arbeitenden Teil teilweise benachteiligt", bestätigt Prof. Dr. Wagenhals. Als Reaktion auf diese Reform könnten sich verheiratete Frauen vorstellen, im Schnitt drei Stunden pro Woche mehr zu arbeiten. Insgesamt bewirkt diese Reform, dass die finanzielle Verteilung des Einkommens zwischen den Familien gleichmäßiger ist. Interessant sind die Auswirkungen auf das Jahreseinkommen von Familien: Während bei einem versteuerten Einkommen unter 20.000 Euro im Jahr kein Effekt auftritt, so müssen Familien mit einem Jahreseinkommen von 45.000 Euro mit 18 Prozent (748 Euro) weniger leben. Bei einem Einkommen von 120.000 Euro im Jahr sogar 4.316 Euro, das sind 52 Prozent weniger.

Eine weitere Mischform ist die dritte Variante der Kappung, bei der beide Partner weiterhin zusammen veranlagt werden, der Splitting-Vorteil jedoch begrenzt wird. "Die Ergebnisse zeigen aber nur geringe Effekte," bestätigt Prof. Dr. Wagenhals. Als Reaktion dieser Reform könnten sich verheiratete Frauen vorstellen, zwei bis drei Stunden in der Woche mehr zu arbeiten. "Die finanziellen Unterschiede hängen davon ab, wie die Höchstgrenze festgelegt ist", bemerkt Prof. Dr. Wagenhals. "Je nachdem könnte ein Plus von null bis 18,5 Milliarden Euro entstehen."

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Wagenhals, Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie, Institut für Volkswirtschaftslehre
Tel.: 0711 459-22931, E-Mail: wagenhls@uni-hohenheim.de


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