Thermophysik des Käses:
Neues Projekt erforscht, wie er zuverlässig bräunt, schmilzt, fließt…  [04.11.11]

Lebensmittelwissenschaftler der Universität Hohenheim systematisieren Käse-Forschung / Hersteller profitieren von wirtschaftlicheren und Ressourcen schonenden Herstellungsverfahren

Zerfließen soll er im Fondue, an Ort und Stelle bleiben auf dem Cheeseburger und goldbraun werden auf der Pizza – Käse muss je nach Verwendung ganz unterschiedliche Eigenschaften haben. Wie diese zustande kommen, dem geht jetzt ein Forschungsprojekt an der Universität Hohenheim auf den Grund. Die Ergebnisse versprechen dank dem tiefere Verständnis bessere Herstellungsverfahren, die die Wettbewerbsfähigkeit von Molkereien steigern. Das Projekt wird mit 292.000 Euro für zweieinhalb Jahre über den Forschungskreis Ernährungsindustrie e.V. (FEI) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert. Damit gehört es zu den Schwergewichten der Forschung der Universität Hohenheim.

Mehr als zwei Millionen Tonnen Käse und Käseprodukte stellen die Milch verarbeitenden Betriebe jedes Jahr in Deutschland her. Kein anderes Land in der EU exportiert mehr Käse und Käseprodukte als Deutschland.

Dies liegt nicht zuletzt an den innovativen Herstellern. Die Produktpalette ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Käse wird gebacken, gebraten, frittiert, für Pizzen, Fondues oder Tiefkühl-Aufläufe verwendet. Bei jedem Produkt ist eine andere Eigenschaft gefordert. Zerfließen soll er im Fondue aber nicht beim Backen, cremig-weich ist er im Auflauf gefragt.

 

Forschung statt Trial-and-Error

Wie genau erreicht wird, dass sich Käse bei Wärme so verhält, wie er sich verhalten soll, darüber weiß man allerdings noch wenig. Ein Forschungsprojekt der Universität Hohenheim geht dem Problem nun wissenschaftlich auf den Grund.

Forscher am Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie untersuchen, wie bereits durch die Vorbehandlung der Milch die Eigenschaften des Endprodukts beeinflusst werden können. Vorbehandlungsverfahren wie Filtrieren, Homogenisieren oder Hocherhitzen gehören zwar inzwischen in vielen Käsereien zum technologischen Standard. Aber der Tatsache, dass diese neuen Technologien auch festlegen, wie das Endprodukt bräunt, schmilzt oder fließt, dem wurde bisher wenig Beachtung geschenkt.

So setzen viele Molkereien nach wie vor auf das Trial-and-Error-Verfahren und testen so lange, bis das gewünschte Ergebnis eintritt. Das ist weder besonders wirtschaftlich, noch wird die vom Konsumenten gewünschte Produkteigenschaft zuverlässig garantiert.

 

Grundlagenwissen garantiert Produktionssicherheit

Die Hohenheimer Forscher unter Leitung von Prof. Dr. Jörg Hinrichs nehmen nun unter die Lupe, wie genau die Vorbehandlungsverfahren und die späteren Eigenschaften des Käses zusammenhängen. „Wir liefern das Grundlagenwissen und das technologische Know-how, um zuverlässig die gewünschten Eigenschaften des Käses zu erzielen“, erläutert Hinrichs das Ziel des Forschungsprojekts.

Die Forschungsgruppe an der Universität Hohenheim ist die einzige in Deutschland und eine der wenigen weltweit, die sich mit dieser Thematik befasst. Dies mag auch daran liegen, dass Käse als Forschungsobjekt keineswegs so schlichter Natur ist, wie es anmutet, wenn er auf dem Teller liegt. Käse ist ein hochkomplexes Lebensmittel. Physikalische, biochemische und thermische Vorgänge spielen bei seiner Herstellung zusammen.

Der Käsungsprozess selbst umfasst mehr als zehn aufeinander folgende und voneinander abhängige Verarbeitungsstufen. Damit wird deutlich, an wie vielen Stellschrauben theoretisch gedreht werden kann, damit der Käse später nicht vom Cheeseburger tropft.

 

Universität wird zur Käserei

Mit dem Forschungsprojekt wird die Universität zur Käserei. Denn die Hohenheimer Forschungsstelle besitzt in der Forschungs- und Lehrmolkerei Hohenheim modernste Anlagen zur Herstellung verschiedenster Käsesorten.

Besonderes Augenmerk legen die Wissenschaftler auf die Herstellung von Schnittkäse. Denn der spielt eine besondere Rolle in der industriellen Lebensmittelherstellung, da er sich sehr vielseitig einsetzen lässt. Bei der universitären Käseherstellung untersuchen die Lebensmittelwissenschafter und -technologen nicht nur die komplexe Mikrostruktur verschiedener Käse und die damit verbundenen thermophysikalischen Eigenschaften.

Im Rahmen des Forschungsprogramms sollen unter anderem auch die Methoden zur Produktkontrolle verbessert und effizientere Herstellungsverfahren entwickelt werden. Die Forschungsergebnisse sind daher von entsprechend weit reichender Bedeutung für die Branche.

 

Wirtschaftlicher Nutzen für die Branche

Der Nutzen für die Milch verarbeitenden Unternehmen liegt auf der Hand. Das wissenschaftliche Know-how aus Hohenheim garantiert zuverlässige Produktionsverfahren bei optimierter Rohstoffausnutzung, indem Fehlproduktionen vermieden werden. Das Grundlagenwissen trägt darüber hinaus dazu bei, maßgeschneiderte Käseprodukte herzustellen, die speziellen Kundenanforderungen entsprechen.

Das Hohenheimer Käse-Wissen verspricht den Betrieben also nicht nur mehr Wirtschaftlichkeit, sondern taugt auch als Innovationsschub. Die Branche dürfte auf die abschließenden Forschungsergebnisse gespannt sein.

 

Hintergrund Forschungsprojekt

Wie durch die Milchvorbehandlung Schmelz- und Bräunungseigenschaften des Käseendprodukts beeinflusst werden, ist Thema des Forschungsprojektes „Einstellen thermophysikalischer Eigenschaften von Käse durch die Milchvorbehandlung“ an der Universität Hohenheim. Geleitet wird das Projekt von Prof. Dr Jörg Hinrichs am Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie.

Das Forschungsvorhaben wird über zweieinhalb Jahre bis Ende 2012 mit 292.000 Euro über den Forschungskreis Ernährungsindustrie e.V. (FEI) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert.


Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Fast 31 Mio. Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim im vergangenen Jahr. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer viertel Million Euro bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Text: Renner / Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr Jörg Hinrichs, Universität Hohenheim, Fachgebiet Lebensmittel tierischer Herkunft,
Tel.: 0711/459-23792, E-Mail: J.Hinrichs@uni-hohenheim.de


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