Ein Jahr nach Fußball-WM:
Marketing-Experte der Universität Hohenheim zieht positives Resümee [06.06.07]
Image-Verbesserung auf den Exportmärkten und Stimmungswandel im Inland: „Wirtschaftliche Pluspunkte der FIFA Fußball-WM werden unnötig kleingeredet“
Ein Jahr nach dem Anpfiff der FIFA Fußball-WM am 9. Juni 2006 zieht Prof. Dr. Markus Voeth, Marketing-Experte der Universität Hohenheim, eine ausgesprochen positive Bilanz über den Nutzen, den Deutschlands Wirtschaft bis heute aus dem Großereignis zieht. Damit widerspricht der Leiter der sechsjährigen Fußball-Langzeitstudie aktuellen Analysen vieler Wirtschaftsinstitute, die der Fußball-WM keinen wirklichen volkswirtschaftlichen Nutzen nachsagen. Auf wichtigen Exportmärkten habe das emotionale Image-Plus der Marke „Made in Germany“ dem Export neuen Schub gegeben. Auch am aktuellen Konjunktur-Hoch im Inland habe die WM ihren Anteil, da der so genannte „Klinsmann-Effekt“ dazu beigetragen habe, eine übertrieben pessimistische Zukunftsstimmung in eine verbesserte Konsum- und Investitionsbereitschaft umzuwandeln."Problem an der aktuellen Debatte sei, dass sich viele positive Effekte der WM nur schwer an Zahlen festmachen ließen", erklärt der Inhaber des Lehrstuhls für Marketing an der Universität Hohenheim. „Wer sich jedoch klar macht, dass wirtschaftlicher Erfolg heute zu einem großen Teil von Image und emotionaler Aufgeladenheit einer Marke abhängt, hat wenig Grund, den wirtschaftlichen Nutzen der WM heute kleinzureden.“
Mit dieser Kritik wendet sich Prof. Dr. Voeth bewusst gegen „den Trend, der die Behauptung en vogue findet, die WM habe – entgegen der vorhergehenden Verlautbarungen von Organisatoren, Gutachtern und Bundesregierung – keinen nennenswerten volkswirtschaftlichen Nutzen erbracht“. So habe zum Beispiel das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin noch im April 2007 vorgerechnet, dass die WM-Investitionen zwischen 2002 und 2005 nur 0,2 bis 0,7 Promille der deutschen Wirtschaftsleistung ausgemacht hätten. Zudem hätten die ausländischen Gäste während der WM nur zirka 500 Mio. Euro in Deutschland ausgegeben, was volkswirtschaftlich eine zu vernachlässigende Größenordnung sei.
Statt negativer Bewertung ordnet Prof. Dr. Voeth der WM einen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen zu – allerdings eher durch indirekte Effekte, also Image-Verbesserungen im Ausland und Stimmungswandel im Inland. „Die meisten Experten beziehen ihre negativen Bewertungen der wirtschaftlichen Folgen der WM fast ausschließlich auf direkte volkswirtschaftliche Effekte. Und dass da nicht viel geblieben ist, kann niemanden wirklich überraschen. Vergessen wird dabei aber, dass die WM vor allem indirekte positive Effekte im wirtschaftlichen Bereich hatte und hat.“
Zu den indirekten Effekten der WM rechnet der Marketing-Experte zum einen die Image-Verbesserung Deutschlands im Ausland. „Die Marke ‚Made in Germany‘ ist durch die WM in vielen Ländern, die für den deutschen Export wichtig sind, positiv aufgeladen worden, kommt jetzt deutlich sympathischer, menschlicher herüber, was für das Geschäftsklima deutscher Exporteure sicherlich hilfreich ist.“
Positive indirekte wirtschaftliche Effekte sieht der langjährige Leiter der bis 2006 laufenden Hohenheimer Langzeitstudie zu Akzeptanz und Einstellungen der deutschen Bevölkerung gegenüber der WM 2006 aber auch im Inland. „Natürlich können die Verbesserungen bei Konsum- und Investitionsbereitschaft von Bevölkerung und Unternehmen in Deutschland und damit der Stimmungswandel in Deutschland im Jahr 2006 nicht allein auf die WM zurückgeführt werden. Allerdings hat die Stimmung während der WM ganz sicher dazu beigetragen, dass viele Deutsche wieder positiver in die Zukunft blicken. Eine besondere Bedeutung kommt für mich dabei dem ‚Klinsmann-Effekt‘ zu, nämlich durch Vermittlung einer positiven Grundstimmung und durch das Gehen neuer Wege mehr zu erreichen, als alle Experten im Vorfeld prognostiziert hatten. Dass diese Strategie so erfolgreich aufgegangen ist, hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass viele Menschen ihre bis dahin übertrieben pessimistische wirtschaftliche Stimmung verändert haben.“
Angesichts dieser zwar nicht messbaren, aber sehr wohl indirekt wirkenden positiven Effekte sieht Prof. Voeth keinen Anlass, die WM nachträglich in wirtschaftlicher Hinsicht in Frage zu stellen. „Nur weil sich bestimmte Effekte nicht so ohne Weiteres quantifizieren lassen oder aus statistischen Daten ablesen lassen, sollte man nicht so tun, als wären diese Effekte nicht vorhanden oder diese kleinreden“, kritisiert Prof. Voeth die augenblickliche Argumentation vieler Wirtschaftsforschungsinstitute.
Hintergrund:
In einer groß angelegten Langzeitstudie zur FIFA Fußball-WM 2006 untersuchte der Lehrstuhl für Marketing von Prof. Voeth in jährlichen Befragungsrunden seit 2001 die Begeisterung, Präferenzen und Vorstellungen der Bevölkerung für die WM 2006. Ergänzt wurde die Grundbefragung durch jährlich wechselnde Sonderschwerpunkte zu Themen wie die „WM als Chance für Städte und Regionen“ (2006), „Vermarktungspotenziale der WM“ (2005), „Sicherheit“ (2004), „Ticket-Pricing“ (2003), „Merchandising“ (2002) und „Standortwahl der Stadien“ (2001). Die Studie diente einerseits als Stimmungsindikator, andererseits auch als konstruktiver Beitrag für eine erfolgreiche Organisation. Insgesamt wurden im Rahmen der zwischen 2001 und 2006 laufenden Untersuchung rund 12.000 persönliche Befragungen in der deutschen Bevölkerung durchgeführt.
Alle Informationen unter www.wm-studie.de.
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Markus Voeth, Universität Hohenheim, Institut für Betriebswirtschaftslehre, Lehrstuhl für Marketing
Tel.: 0711 459-22925, E-Mail: marketing@uni-hohenheim