Nach PCB-Fund:
Universität Hohenheim & Universitätsbauamt vereinbaren Aufbau eines campusweiten Schadstoff-Katasters [28.05.19]
Nach PCB-Fund im Osthof des Schlosses lässt sich eine Gesundheitsgefährdung von Universitätsangehörigen nicht ausschließen / Vier Büros prophylaktisch geschlossen
PCB-Funde in einer Materialprobe aus der Füllmasse einer Dehnungsfuge im Osthof von Schloss Hohenheim haben dazu geführt, dass derzeit vier Büros prophylaktisch geschlossen wurden. Weitere Messungen der Raumluft werden derzeit ausgewertet. Allen Universitätsangehörigen, die im fraglichen Gebäudebereich arbeiten oder gearbeitet haben, bietet die Universität an, sich gesundheitlich untersuchen zu lassen. Als weitere Sofortmaßnahme werden bis kommenden Mittwoch alle Gebäude identifiziert, begangen und beprobt, in denen es Fugen mit potenziell PCB-haltiger Füllung geben könnte. Außerdem vereinbarten die Spitzen von Universität und Universitätsbauamt „mit konkretem und absehbarem Zeithorizont ein systematisches Schadstoffkataster für die gesamte Universität“ zu erstellen. Zur Information Ihrer Angehörigen bereitet die Universität eine Infoveranstaltung vor. Außerdem geplant ist eine interne Infoseite, die alle Prozesse so transparent wie möglich begleiten soll.
Am 24. Mai 2019 vereinbarten die Universität Hohenheim und das Universitätsbauamt Stuttgart-Hohenheim als Tochterbetrieb des Finanzministeriums den unverzüglichen Aufbau eines campusweites Schadstoffkatasters für die Universitäts-Gebäude.
Zur Konzeption soll ein externer Experte hinzugezogen werden. Die Universität Hohenheim erklärte sich bereit, bei Termin- und Kapazitätskonflikten eine andere (Bau-)Maßnahme in Absprache hintanzustellen. „Hier gilt es, die Gesundheit unserer Universitätsmitglieder als höchstes Gut vorrangig vor allem anderen zu schützen“, begründet Dr. Katrin Scheffer, Kanzlerin der Universität Hohenheim.
PCB-Fund als Auslöser der aktuellen Vereinbarung
Auslöser der Vereinbarung war die Entdeckung einer PCB-haltigen Fugenmasse in Büroräumen des Osthofs von Schloss Hohenheim im Frühjahr 2019. Ursprünglich sollte die Fuge wegen Rissen in der Fugenmasse nur neu verfüllt werden.
Bauunterlagen zeigen, dass die Risse seit mindestens 1987 aktenkundig sind. Da es in der Vergangenheit durch den Spalt geregnet und geschneit hatte, hatten Beschäftigte den Riss mit Klebeband verschlossen.
Unter Bausachverständigen ebenfalls bekannt ist, dass PCB-haltiges Material ab den 1950er bis in die späten 1980er Jahre verbaut wurde. Gerade als Fugenmasse soll das schwer entflammbare Material sehr geschätzt worden sein.
Campusweite Beprobung verdächtiger Fugen bis einschließlich Mittwoch, 29.5.2019
Die eventuell durchgängig kontaminierte Fuge zieht sich einmal quer über drei Stockwerke durch den sogenannten Brandflügel des Schlosses. Direkt betroffen sind davon vier Büroräume und die Stockwerksflure.
Das Erdgeschoss mit dem Hörsaal 10 ist von der kontaminierten Fuge glücklicherweise nicht betroffen, da diese durch einen Torbogen im Freien verläuft. Ob weitere Arbeitsräume oder auch Hörsäle und Seminarräume anderswo betroffen sein könnten, kann zurzeit noch nicht beantwortet werden.
Entsprechend einer Absprache zwischen Universität und zuständigem Universitätsbauamt vom Freitag, 24.5.2019 sollen bis einschließlich Mittwoch, 29.5.2019 alle Gebäude identifiziert, begangen und beprobt worden sein, in denen es Fugen mit potenziell PCB-haltiger Füllung geben könnte. Die verdächtigen Gebäude sollen anhand von Bauunterlagen eingegrenzt werden. Begehung und Probennahme erfolgen durch einen Schadstoffgutachter und die Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASi) der Universität.
Tatsächliche Gefährdung erst nach Auswertung der Luftmessung einschätzbar
Bei PCB handelt es sich um einen gesundheitsgefährlichen Stoff, der in die Raumluft ausdünstet. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASi) der Universität Hohenheim ordnete deshalb am 13.5.2019 die Schließung der betroffenen vier Büros an. Gesundheitlich besonders gefährdete Personengruppen aus dem Gebäudebereich, wie z.B. schwangere Universitätsangehörige, arbeiten seither im Home-Office.
Ob PCB in Baumaterialien tatsächlich zu gesundheitsgefährlichen PCB-Konzentrationen in der Atemluft führt, lässt sich nur durch Luftmessungen belegen. Das Universitätsbauamt ließ deshalb am 22.5.2019 erste Luftmessungen durchführen. Diese werden zurzeit ausgewertet.
Die Universität Hohenheim drängt jedoch darauf, die Messungen im Sommer zu wiederholen. Grund dafür ist, dass die PCB-Belastung in der Raumluft stark temperaturabhängig ist. Da der Schlossflügel mit schwarzen Schieferschindeln gedeckt ist, kommt es nach Auskunft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort im Sommer wochenlang zu Temperaturen über 30 Grad.
Universität bietet kostenlose ärztliche Untersuchung an
Trotz der aktuellen Untersuchungen geht die Universität Hohenheim jedoch davon aus, dass sich die frühere Belastung ihrer Universitätsangehörigen nicht mehr völlig rekonstruieren lässt. So könnte es z.B. sein, dass auch der Teppich von den möglichen Ausdünstungen des PCB aus der Fugenmasse durchdrungen war und ebenfalls in die Raumluft ausdünstete. Im Rahmen einer Institutsrenovierung ist dieser Teppich jedoch im März/April des laufenden Jahres entfernt worden.
Allen Universitätsangehörigen, die in dem betroffenen Gebäudebereich z.T. seit Jahrzehnten arbeiten oder in der Vergangenheit dort gearbeitet haben, bietet die Universität Hohenheim an, sich durch den Betriebsarzt untersuchen und eine Blutprobe entnehmen zu lassen.
Auch ehemalige Beschäftigte aus dem betroffenen Gebäude sollen recherchiert und angeschrieben werden. Wer nicht mehr in Stuttgart wohnt, kann einen Arzt an seinem Wohnort konsultieren. Die Universität wird die Rechnung dann übernehmen.
Schadstoffkataster soll Wiederholungsfälle verhindern
Bereits in den Jahren 2009 und 2016 hatten PCB-Funde in den Hörsälen 4 und 5 sowie Asbestfunde im Biologie-Gebäude zu starken Irritationen auf Seiten der Universität Hohenheim geführt.
Mit dem systematischen und campusweiten Schadstoffkataster wollen die Universität und das Universitätsbauamt ähnliche Fälle für die Zukunft so weit wie möglich ausschließen.
Text: Klebs