PCB-Belastung:
Rektorat schließt vorsorglich Hörsaal 4  [03.12.09]

Potentielles Risiko speziell für werdende Mütter / Keine Vorlesung fällt aus

Die Hörsäle 4 und 5 im Westflügel des Schlosses Hohenheim sind unterschiedlich stark mit PCB belastet. Nach Auskunft des Universitätsbauamtes befindet es sich hauptsächlich in den Deckenplatten der Säle und gast in die Raumluft aus. Die Messwerte betragen 2.680 (Hörsaal 4) bzw. 685 (Hörsaal 5) Nanogramm pro Kubikmeter Raumluft, womit sie unterhalb des Sanierungsgrenzwerts der PCB-Richtlinie liegen. Eine direkte Gefahr für Studierende und Lehrende bestehe demnach nicht. Ein Wert überschreitet jedoch die maximale Arbeitsplatzkonzentration von 900 Nanogramm, die für werdende Mütter zulässig ist. Nach Bekanntwerden dieser Risikoeinschätzung am Abend des vergangenen Montags verfügte der Rektor deshalb am vorgestrigen Dienstag aus Fürsorgegründen die sofortige Schließung.

PCB gehört zu den Stoffen, die in den 1970er und 1980er Jahren zum Brandschutz in Baumaterialien eingesetzt wurden. Erst später wurde bekannt, dass die Chemikalie nach und nach in die Raumluft ausdünstet und sich in Fettgewebe, Leber und Niere ablagern sowie in Tierversuchen Krebs erzeugen kann.

Dies führte zur PCB-Richtlinie, die entsprechende Grenzwerte festlegt. Demnach müssen ab 300 Nanogramm pro Kubikmeter Raumluft Maßnahmen zur Reduzierung ergriffen werden, ab 3.000 Nanogramm muss saniert werden.

 

Gutachten sah keine Gefahr in Hohenheim

Aufgrund der Richtlinie ließ das Finanzministerium 2003 alle Landesimmobilien untersuchen. Dabei ergaben Luftmessungen in Hohenheim, dass die Hörsäle mit einem Spitzenwert von 2.090 Nanogramm pro Kubikmeter belastet waren.

Das damalige Gutachten stufte diese Belastung nicht als akute Gefährdung für die Studierenden und Lehrenden ein und empfahl als Sofortmaßnahme regelmäßiges Reinigen und Lüften sowie eine Sanierung der Räume bis 2010.

Zuständig für die Sanierung ist das Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim, das die Hörsaalsanierung als Teil einer Generalsanierung des Westflügels von Schluss Hohenheim konzipierte. Die Baumaßnahme war für das Jahr 2010 vorgesehen. Vorbereitend muss das Universitätsbauamt zum Jahresende 2008/09 eine Baustoffbeprobung und eine weitere Luftmessung veranlasst haben. Die Werte von 2.680 bzw. 685 Nanogramm zeigten keine Besserung zur ersten Messung von 2003.

Im Herbst kündigte das Finanzministerium an, die geplante Sanierung aus finanziellen Gründen verschieben zu müssen. Zeitgleich wurden dem Sicherheitsbeauftragten der Universität Hohenheim die Messwerte vom Januar bekannt. Auch zu diesem Zeitpunkt lag keine neue Risikoeinschätzung vor, die von den ursprünglichen Auflagen aus dem Jahr 2003 abwich.

 

Neue Risikoeinschätzung nach Ortsbesichtigung

Eine veränderte Bewertung ergab sich nach einer Ortsbegehung am vergangenen Montag, die auf Initiative des Personalrates zustande kam. Zu den Teilnehmern gehörten unter anderem der Sicherheitsbeauftragte, der Betriebsarzt und Vertreter des Personalrates, außerdem ein Vertreter des Universitätsbauamtes und eine Vertreterin der Unfallkasse.
 

Nach Rücksprache mit dem Gewerbeaufsichtsamt wies die Vertreterin der Unfallkasse auf eine Arbeitsschutzrichtlinie für schwangere Arbeitnehmerinnen hin, die von einer potentiellen Gefährdung bereits ab 900 Nanogramm pro Kubikmeter Raumluft ausgeht. Gefährdet könnten demnach Schwangere sein, die sich längere Zeit in dem schwerer belasteten Hörsaal 4 aufhielten. Von einer Gefahr für schwangere Studentinnen, die einzelne Lehrveranstaltungen besuchten, sei jedoch nicht auszugehen.

Die Entscheidung des Rektors, den Hörsaal 4 fürsorglich sofort zu schließen, begründet Prof. Dr. Hans-Peter Liebig: „Die Aussage der Unfallkasse war der entscheidende Grund für unsere Neueinschätzung des Risikos. Wir wurden darauf hingewiesen, dass wir den Hörsaal ohne Gefährdung für Studierende und Lehrende weiter betreiben könnten, solange wir Maßnahmen ergreifen, um Schwangere von den Veranstaltungen fernzuhalten. Das erschien uns mehr als realitätsfern. Aus Fürsorgegründen wollen wir hier lieber mehr als weniger Vorsicht walten lassen und haben den Hörsaal deshalb sofort gesperrt.“

Dank des sofortigen Einsatzes des Hörsaalmanagers fanden bereits am folgenden Mittwochmorgen alle Vorlesungen des Hörsaals 4 in Ausweichräumen statt. Sobald alle Ausweichpläne fertig sind, strebt das Rektorat an, auch alle Veranstaltungen aus Hörsaal 5 zu verlegen, obwohl die Luftbelastung mit 685 ng/m³ hier noch deutlich unter dem Schwellenwert für werdende Mütter liegt.

 

 

Text: Töpfer / Klebs


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