Warmer Winter und aktueller Kälte-Einbruch:
Experten und Statements der Universität Hohenheim zu Auswirkungen der Wetterkapriolen  [24.01.07]

Auswinterungsgefahr für Raps und Getreide

Infolge der wochenlang milden Temperaturen sind Kulturpflanzen wie Wintergerste und Raps häufig zu weit entwickelt, ebenso verhält es sich beim Steinobst. Noch erfreuen sich diese Nutzpflanzen in der Regel guter Gesundheit. Das könnte sich ändern, wenn der Winter doch noch Einzug hält. "Bei plötzlich auftretendem Frost gefriert das Wasser in den Zellen und sie platzen. Die Blätter sterben ab. An langsam sich steigernden Frost hingegen könnten sich die Pflanze anpassen", bestätigt der Stellvertretende Leiter der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim, Dr. Christof Kling.

Experten für Getreide:

Dr. Christof I. Kling, Stellv. Leiter der Landessaatzuchtanstalt, Tel. 0711 459-22689, E-Mail: Kling@Lsa.uni-hohenheim.de

Dr. Wilfried Hermann, Leiter der Versuchsstation für Pflanzenbau und Pflanzenschutz, Ihinger Hof, Tel. 07159 9264-22, Email: hermannw@uni-hohenheim.de

Gefährdete Obsternte

Ähnlich beim Kernobst: "Die Blüten bzw. Knospenanlagen sind bereits weit entwickelt", bilanziert Prof. Dr. Jens Wünsche, Fachgebiet Obstbau der Universität Hohenheim. "Vor allem Aprikosen- und Mandelbäume sind sehr empfindlich. Kommt der Winter jetzt zu schnell und zu kalt zurück, könnten die Obstbäume diesen Temperatursturz nicht ausgleichen. Die Knospen gehen kaputt, fallen ab und ein erheblicher Ernteausfall wäre die Folge."

Experte für Obstbau: Prof. Dr. Jens Wünsche, Fachgebiet Obstbau, Tel. 0711 459-22368, E-Mail: jnwuensche@uni-hohenheim.de

Wein nicht in Gefahr

Bis jetzt sieht der Hohenheimer Weinexperte, Dr. Nikolaus Merkt vom Fachgebiet Weinbau der Universität Hohenheim, keine Gefahr für die Rebe: "Die Weinrebe befindet sich aktuell in der Winterruhe. Gefahr besteht nur, wenn das Wetter bis Mitte/Ende Februar warm bleibt, die Weinrebe aus ihrem Winterschlaf erwacht und in einen Wetterumschwung gerät." An langsam kommenden Frost könne sich der Wein gewöhnen, schnellen Frost verkrafte er jedoch nicht. "Dann hätten wir mit erheblichen Einbußen zu rechnen."

Experte für Wein: Dr. sc. agr. Nikolaus Merkt, Fachgebiet Weinbau, Tel. 0711 459-23558, E-Mail: merkt@uni-hohenheim.de

 

Wildpflanzen und Unkraut im Vorteil

Gärtner mit heimischen Wildpflanzen atmen auf: "Bei einem Wintereinbruch haben Wildpflanzen nicht viel zu befürchten. Bei blühenden Arten erfrieren zwar die Blüten, aber im Folgejahr wächst das Gewächs wieder völlig normal," meint Prof. Dr. Reinhard Böcker vom Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie. Robust zeigen sich Unkräuter, die dank des warmen Wetters gut wachsen konnten. "Für die Landwirtschaft bedeutet das Mehraufwand bei der Unkrautbekämpfung und höhere Ertragsverluste", sagt Prof. Dr. Roland Gerhards, vom Fachgebiet für Herbologie.

Experte für Wildpflanzen:

Prof. Dr. rer. nat. Reinhard Böcker, Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie, Tel. 0711 459-22330, E-Mail: www320@uni-hohenheim.de

Experte für Unkräuter:

Prof. Dr. Roland Gerhards, Fachgebiet Herbologie, Tel. 0711 459-22399, E-Mail: gerhards@uni-hohenheim.de

Einfluss auf Schädlinge

Bleiben die Temperaturen in Zukunft hoch, könnte eine Verschiebung von Insektenarten innerhalb Europas erfolgen. "Innerhalb Deutschland können wir diesen Trend schon beobachten, dass Insekten - heimisch in Süddeutschland - jetzt in Hamburg aufzufinden sind", erklärt Prof. Dr. Johannes Steidle vom Fachgebiet Tierökologie der Universität Hohenheim. "Das Auftreten von Insekten ist stark von den Jahreszeiten abhängig und ihre Entwicklung wird durch bestimmte Klimafaktoren gesteuert. Ändern sich diese, kann die Zahl bestimmter Insekten stark zu- oder abnehmen." Prof. Steidle geht allerdings davon aus, dass sich viele Insektenarten auf lange Sicht an die Klimaveränderungen anpassen.

Experte für Insekten:

Prof. Dr. Johannes Steidle, Fachgebiet Tierökologie, Tel. 0711 459-23814, E-Mail: jsteidle@uni-hohenheim.de

Experte für Schädlinge:

Prof. Dr. Claus Zebitz, Fachgebiet Angewandte Entomologie, Tel. 0711 459-22400, E-Mail: zebitz@uni-hohenheim.de

Honigbrot gesichert

"Die Bienen haben schon mit Pollen eintragen und mit dem Brüten angefangen - dennoch brauchen wir uns um die Bienenvölker keine Sorgen zu machen. Hat der Imker sie gut eingewintert, das heißt, sind sie stark und gesund und mit ausreichend Futter versorgt, dann überleben sie jeden Winter, egal ob warm oder kalt oder abwechselnd warm kalt", erklärt Dr. Gerhard Liebig von der Landesanstalt für Bienenkunde. "Natürlich verkraften sie einen milden Winter leichter, trotzdem sehe ich bei den Honigbienen keine Probleme."

Experte für Bienen: Dr. Gerhard Liebig, Landesanstalt für Bienenkunde, Tel. 0711 459-23002, E-Mail: immelieb@uni-hohenheim.de

Klimawandel nicht aufzuhalten

"Der Dezember 2006 und der bisherige Januar sind ähnlich wie die meisten Winter ab 1987/88 sehr mild und schneeärmer im Vergleich zum langjährigen Mittel 1961-90. Wie die bisherigen Trends zeigen, müssen wir auch in Zukunft mit milderen Wintern rechnen", meint Meteorologin Ingeborg Henning-Müller vom Institut für Physik und Meteorologie. "Die Auswirkungen dieser Klimaveränderung sind: Wärmere Winter mit weniger Schnee und mehr Regen sowie wärmere und wahrscheinlich trockenere Sommer." Laut Prof. Dr. Wulfmeyer, Leiter des Instituts für Physik und Meteorologie der Universität Hohenheim, passt das aktuelle Wetter genau in das erwartete Bild des Klimawandels. "Warme Winter und heiße Sommer wird es immer häufiger geben. Für die gängigen Kulturpflanzen, die in unserer Region angebaut werden, ist dieser Wandel nicht ganz ungefährlich. Für die nächsten 10 Jahre muss die Wissenschaft und Forschung alternative Getreidearten für ein verändertes Klima untersuchen."

Experten für Klimawandel & Meteorologie:

Dipl.-Met. Ingeborg Henning-Müller, Institut für Physik und Meteorologie, Tel. 0711 459-22797, E-Mail: henning@uni-hohenheim.de

Prof. Dr. rer. nat. Volker Wulfmeyer, Institut für Physik und Meteorologie, Tel. 0711 459-22150, E-Mail: wulfmeyer@uni-hohenheim.de

Züchtungsforschung: Pflanzen der Zukunft

Prof. Dr. Albrecht E. Melchinger bestätigt: "Die Pflanzenzüchtung muss auf die kommenden Klimaveränderungen reagieren: Einerseits müssen wir Kulturpflanzen wie Mais, Weizen und Gerste an das künftig wärmere Klima anpassen, andererseits sollten wir auf andere Kulturpflanzenarten, die es schon in trockenen Teilen der Erde gibt, zurückgreifen und beispielsweise Hirse anbauen." Bei Mais sieht der Pflanzenzüchter noch großes Potenzial: aus Kreuzungen bestimmter Landsorten könnten trockenresistentere Sorten gezüchtet werden. Einzigartig bei der Forschung ist das neue Klimatron der Universität Hohenheim, in der heute schon das Klima in Deutschland in 50 Jahren simuliert wird.

Experte für Pflanzenzüchtung:

Prof. Dr. sc. agr. Albrecht E. Melchinger Institut für Pflanzenzüchtung, Saatgutforschung und Populationsgenetik, Tel. 0711 459-22334 , E-Mail: melchinger@uni-hohenheim.de

Experte Klimatron:

Prof. Dr. Hans-Peter Liebig, Rektor der Universität Hohenheim, Dipl.-Biol. Martin Erbs, Fachgebiet Gemüsebau, Tel. 0711 459-23557, E-Mail: erbs@uni-hohenheim.de

 

 

Universität Hohenheim

Die Universität Hohenheim besitzt Deutschlands größte und führende Agrarfakultät mit 50 Professuren, 1545 Studierenden und 350 Doktoranden. Zu den besonderen Schwerpunkten gehören die Life Sciences im Rahmen der Food Chain wie auch die Themenkomplexe Bioenergie und Nachwachsende Rohstoffe. Ein aktuelles Benchmarking des Wissenschaftsrates beurteilt die Forschung als „am breitesten und am besten vernetzt“, die Lehre als „am umfassendsten“ und der Transfer in die Wirtschaft als „beispielhaft“ („Empfehlungen zur Entwicklung der Agrarwissenschaften“ 2006).


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