Studienergebnis:
Gesundheits-Apps haben Potenzial, sind aber verbesserungsfähig  [08.06.18]

Verständlichere Inhalte und Wearables könnten Mehrwehrt der Apps erhöhen, zeigt Studie von Studierenden der Uni Hohenheim im Rahmen des Lehrprojektes „Humboldt reloaded“

Fitness-Studio, Ratgeber-Literatur, Youtube-Tutorials oder Fernsehsendungen: Auf der Beliebtheitsskala von Angeboten für mehr Gesundheit im Alltag rangieren Gesundheits-Apps erst an sechster Stelle, so das Ergebnis einer Studie am Lehrstuhl für Marketing & Business Development der Universität Hohenheim in Stuttgart. Gleichzeitig ermittelt die Studie ein hohes Marktpotenzial für Apps zu Ernährungsberatung und Stressabbau. Um sich stärker durchzusetzen, müssten Gesundheits-Apps jedoch verständlicher gestaltet werden und ihren Nutzern die Überzeugung vermitteln, dass ihre Daten vor Missbrauch gesichert seien. Einen echten Mehrwert könnten sie vor allem in Kombination mit Wearables wie Fitness-Armbändern und Smartwatches bieten.


„Smartphones haben sich zu ständigen Begleitern entwickelt“, erklärt Prof. Dr. Markus Voeth, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing & Business Development an der Universität Hohenheim. „Wir kommunizieren über sie mit Freunden und Familie, nutzen sie zu Informationszwecken, aber auch zum Einkaufen, als Wecker oder zum Musikhören.“

Umso erstaunlicher sei es, dass Handynutzer wenig Gebrauch von Apps machten, wenn es darum ginge, das Handy zur Unterstützung eines gesundheitsbewussten Alltags zu nutzen. Nur 27,1 % der Studienteilnehmer gaben an, Gesundheits-Apps installiert zu haben. Zum Vergleich: Gut die Hälfte der Befragten nutzt Apps von Nachrichtendiensten, knapp 92 % nutzen Kommunikations-Apps wie beispielsweise WhatsApp.


Umfrage unter 300 Personen in Baden-Württemberg


Zu diesem Ergebnis kamen Studierende der Universität Hohenheim im Rahmen einer Studie zur Bedeutung der mobilen Helfer in der Gesundheitsvorsorge. Dazu befragten sie Ende 2017 rund 300 Personen in Baden-Württemberg mit Hilfe standardisierter Fragebögen. Dabei repräsentieren die Altersgruppen, Bildungshintergründe und die Geschlechterverteilung die prozentuale Verteilung im gesamten Bundesland.

Als Gesundheits-Apps werden im Kontext der Studie Apps mit Gesundheitsbezug verstanden, die zur Unterstützung, zum Erhalt und zur Verbesserung eines gesunden Alltags beitragen. Nutzerzielgruppe sind Gesunde, Patienten und Angehörige. Damit unterscheiden sie sich von Medizin-Apps, die neben Patienten auch von Ärzten und anderem Fachpersonal genutzt werden.

Um spezifischere Aussagen zu den unterschiedlichen App-Angeboten treffen zu können, unterschieden die Studierenden sechs Bereiche, in denen Gesundheits-Apps genutzt werden: Ernährung, Schlaf, Stressabbau & mentale Gesundheit, Fitness & Bewegung, Medikamenteneinnahme und Schmerztherapie.

Die meisten Befragten sind gesundheitsbewusst und fühlten sich seelisch und körperlich eher gut. „Die Apps werden also nicht als Akutmaßnahmen, sondern eher als eine Ergänzung zu einem gesunden Lebensstil verstanden“, erklärt Iris Pöschl, die die Studie am Lehrstuhl für Marketing & Business Development betreute. „Sie sollen helfen Alltagsbelastungen wie beispielsweise Kopfschmerzen oder Schlafstörungen vorzubeugen bzw. diesen entgegenzuwirken.“


Stress gilt als größte Belastung

Am weitesten verbreitet seien Fitness-Apps, erklärt Studienleiterin Pöschl, „Die Studie zeigt, dass Fitness-Apps über alle Altersklassen hinweg vor allem zum Tracking verwendet werden. Die Befragten nutzen für die anderen fünf Bereiche deutlich weniger Apps, obwohl die meisten Studienteilnehmer z.B. gerade auch Schlafprobleme oder Stress als Belastung im Alltag empfinden.“

Gerade einmal 6,8 % der Befragten nutzen Apps, die den Stressabbau fördern sollen. Im Gegensatz dazu wünschen sich knapp die Hälfte derer, die bisher noch keine Gesundheits-Apps installiert haben, eine App zur Stressbewältigung.

„Die Nutzer gaben zudem an, mit Stressbewältigungs-Apps nur unterdurchschnittlich zufrieden zu sein“, ergänzt Pöschl. „Die mangelnde Zufriedenheit könnte die auffallende Diskrepanz zwischen Bedarf und App-Nutzung zum Thema Stress erklären.“


Gründe für hohe Abbruchquoten variieren je nach App-Bereich

Besonders die Aspekte Verständlichkeit der Inhalte und Datensicherheit sind für die Nutzer entscheidend bei der Auswahl der Apps. „Ein Qualitätssiegel oder das Design sind dagegen weniger wichtig“, zitiert Pöschl die Umfrage-Ergebnisse. Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass die Nutzung der Apps nicht von Dauer ist: Selbst bei den häufig installierten Fitness-Apps sind die Abbruchraten hoch.

Die Gründe seien je nach App-Bereich unterschiedlich, so Pöschl. „Gerade bei Ernährungs- oder Fitness-Apps verlieren Nutzer scheinbar nach einem bestimmten Zeitraum das Interesse. Wenn es um Apps zum Stressabbau geht, treten oftmals Lerneffekte ein, d.h. der Nutzer ändert sein Verhalten aufgrund der App-Nutzung und benötigt die App dann schlicht nicht mehr.“ Eine langfristige Bindung des Nutzers an das Produkt bleibt also aus.


Potenzial bei weitem noch nicht ausgeschöpft

Um sich im Alltag trotz Belastungen fit und gesund zu fühlen, verbringen die Befragten lieber bewusst Zeit mit Freunden und Familie und achten auf ausreichend Schlaf und eine gesunde Ernährung. Zur weiteren Unterstützung gehen gut 40 % der Befragten ins Fitness-Studio, etwas weniger als ein Viertel sucht bei akuten Beschwerden Rat in Fachliteratur, Fernsehsendungen oder Youtube-Tutorials.

Aus Sicht der Marketing-Experten ließe sich das ändern: „Die Befragten waren grundsätzlich nicht abgeneigt, Gesundheits-Apps zu verwenden“, sagt Pöschl. Gerade in Verbindung mit sogenannten Wearables könnten Gesundheits-Apps einen echten Mehrwert bieten, so die Wissenschaftlerin weiter.

„Ein Beispiel für Wearbles sind Fitness-Armbänder, die in Verbindung mit dem Handy den Puls messen, Schritte zählen oder Schlafphasen bewerten, um den idealen Zeitpunkt zum Aufstehen zu finden. So können auch Fitness-Apps über das Tracking hinaus eine echte Unterstützung sein, indem sie den Nutzer beispielsweise daran erinnern, regelmäßig zu trinken oder sich zu bewegen.“

Damit die Nutzer den Apps längerfristig treu bleiben, sollten spielerische Elemente eingebaut werden, schlägt Pöschl vor. „Wenn für erfüllte Aufgaben neue Features, Übungen oder andere Belohnungen freigeschaltet werden, schafft das den Anreiz, die App auf Dauer zu nutzen.“

Prof. Dr. Voeth vom Lehrstuhl für Marketing & Business Development vermutet zudem, dass die eingeschränkte Nutzung von Gesundheits-Apps auf ein Informationsdefizit zurückzuführen sei. Krankenkassen und Ärzte wiesen aktuell nur selten auf solche Apps hin. „Bei medizinischem Fachpersonal wie Ärzten oder Physiotherapeuten sind Gesundheits-Apps als mögliche Helfer im Alltag noch nicht wirklich angekommen“, erklärt Pöschl, „Wenn die Apps besser werden, könnte sich das ändern. Vor allem in Verbindung mit Wearables könnten zum Beispiel Krankenkassen ihren Kunden die Apps dann als Alltagsunterstützung vorschlagen.“


HINTERGRUND: Humboldt reloaded

Das Reformprojekt Humboldt reloaded will Studierende von Beginn an für die Wissenschaft begeistern. Die Studierenden arbeiten in kleinen Forschungsgruppen mit optimaler Betreuung. Die Projekte werden im Block oder semesterbegleitend über ein bis zwei Semester durchgeführt. Der Startschuss zu Humboldt reloaded fiel im Jahr 2011. 2014 zeichneten der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und die Hochschulrektorenkonferenz Prof. Dr. Martin Blum als Initiator von Humboldt reloaded mit dem Ars legendi-Preis für Exzellenz in der Lehre aus. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert Humboldt reloaded in der zweiten Förderperiode von 2016 bis 2020 mit rund 7,5 Mio. Euro durch den Qualitätspakt Lehre.

Text: Dannehl / Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Markus Voeth, Institut für Marketing & Management
T +49 711 459 22925, E voeth@uni-hohenheim.de

Iris Pöschl, Institut für Marketing & Management
T +49 711 459 23414, E iris.poeschl@uni-hohenheim.de


Zurück zu Pressemitteilungen