Ab 15.12.11 in Current Biology:
Glückshormon lässt Herz links schlagen [16.12.11]
Milz links, Blindarm rechts: damit sich der Körper sortiert, müssen zwei Substanzen eine komplexe Wirkungskette auslösen, so Ergebnisse der Universität Hohenheim
Alles eine Frage der Kommunikation: Am Beispiel von Fröschen identifizierten Zoologen der Universität Hohenheim eine bislang unbekannte Aufgabe von zwei Botenstoffen für die Zellkommunikation im Embryo. Nur wenn beide zusammenarbeiten, rutschen Herz, Leber und Milz auf den rechten Fleck. Auch im erwachsenen Körper sind beide wichtig: Wird ihr Zusammenspiel gestört, könnte dies ein Auslöser für Krebs sein. Die internationale Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht die Ergebnisse am Abend des 15.Dezember 2011 unter www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982211013091Im Allgemeinen ist der Botenstoff Serotonin als sogenanntes Glückshormon bekannt. Tatsächlich regelt die Substanz viele Funktionen im Körper. So etwa im Gehirn, im Nervensystem des Magens oder im gesamten Darm.
Der Botenstoff Wnt ist ein ähnlicher Vielkönner: Beim Froschembryo sorgt er für die Ausprägung der Kopf-Schwanz-Achse. Bei der Fliege lässt er die Flügel wachsen.
Nun entdeckte die Arbeitsgruppe um den Entwicklungsbiologen Prof. Dr. Martin Blum, dass die beiden Botenstoffe zusammen in Embryonen für die Rechts-Links-Asymetrie zuständig sind: Zusammen steuern sie einen Teil der Zellkommmunikation im Frühstadium von Embryonen und sorgen so dafür, dass die Organe an den richtigen Platz wandern.
Der Strom, der Embryos bewegt
Dazu lösen Serotonin und Wnt einen ziemlich komplexen Mechanismus aus. Nach der Befruchtung teilt sich die Eizelle in Form eines symmetrischen Zellhaufens. Doch schon nach wenigen Stunden lassen Serotonin und Wnt winzige Geißelhärchen auf speziellen Zellen wachsen, die sich propellerartig drehen.
Die koordinierte Bewegung löst dann einen Flüssigkeitsstrom an der Zelloberfläche aus, der sich zielstrebig von rechts nach links bewegt.
Erst dieser Reiz schaltet in einem Teil der Zellen jene Gene an, die dafür zuständig sind, dass die Organe ihren Platz im Körper finden. Grundvoraussetzung bleibt, dass beide Botenstoffe, Serotonin und Wnt, zusammenspielen müssen. „Wenn einer von beiden fehlt, kommt der Prozess nicht erst in Gang. Dann bilden sich Defekte im Embryo aus.“
Möglicher Ansatz für neue Krebstherapien
Doch auch für erwachsene Menschen scheint es lebensnotwendig, dass Serotonin und Wnt perfekt zusammenspielen: Wenn nicht, dann „teilen sich Zellen, die sich einfach nicht teilen sollen“, erklärt Prof. Dr. Blum.
Ein mögliches Ergebnis wäre Krebs. Denn „dessen Tumore bestehen aus Zellen, die denen eines Embryos näher stehen, als denen eines Erwachsenen“, erklärt Prof. Dr. Blum: „Die gehen einen ganz kleinen Schritt rückwärts, sehen ein klein wenig embryonaler aus.“
Somit könnten sich die Erkenntnisse aus der Hohenheimer Grundlagenforschung künftig auch für neue Ansätze in der Krebstherapie nutzen lassen. „Der erste Schritt wäre, an Krebspatienten zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen Erkrankung und Serotoninspiegel gibt“, so Prof. Dr. Blum. Ein Thema, das Mitglieder seiner Arbeitsgruppe in Kooperation mit der Universität Heidelberg nun vertiefen wollen.
Links:
zum Artikel in Current Biology: www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0960982211013091
Text: Mayer / Klebs
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Martin Blum, Universität Hohenheim, Institut für Zoologie, Tel.: 0711/459-22255, E-Mail: Martin.Blum@uni-hohenheim.de