Die rote Heidi, Hans im Glück und Grünen-Retter Joschka:
surfen, versprechen und kämpfen  [15.07.05]

Rot-Grüne Gallionsfiguren im Polit-Tüv: Universität Hohenheim untersucht Themenmanagement für Bundesminister

Rechtzeitig vor einer möglichen Bundestagswahl am 18. September präsentieren Nachwuchs-Forscher der Universität Hohenheim Stärke-Schwäche-Analysen der Politiker. Wer setzt Trends, wer greift aktuelle Ereignisse geschickt auf und welchen Rat kann man den amtierenden Politikern für die vielleicht letzten Wochen im Amt geben? Ein Semester lang haben Studierende am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft und Sozialforschung von Prof. Dr. Michael Schenk dafür Grundsatzreden studiert, Artikel ausgewertet und die Meinungsumfragen des ZDF-Politbarometers analysiert.

"Fachfrau für Familie und das ganze andere Gedöns" - Gerhard Schröder punktete zu Beginn seiner Amtszeit nicht wirklich mit seiner abwertenden Bezeichnung für Renate Schmidts erweitertes Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Doch wie sich die Zeiten ändern: Mittlerweile wurde Familienpolitik zur Chefsache erklärt und die Ministerin Renate Schmidt kümmert sich um alle Menschen in Deutschland – "bis auf mittelalte, ledige und kinderlose Männer".

Ein schönes Beispiel dafür, wie sich die Relevanz und Priorität der Themen im Laufe kurzer Zeit ändern. Denn wer die aktuellen Themen bestimmt, dominiert die politische Agenda und damit auch weitgehend den Diskurs in den Medien. Das Themenmanagement politischer Akteure steht deshalb im Mittelpunkt eines aktuellen Forschungsprojektes im Fachgebiet Kommunikationswissenschaft und Sozialforschung von Prof. Dr. Michael Schenk.

"Durch meine intensive Beratungsarbeit für verschiedene Bundesministerien hat mich die wissenschaftliche Analyse des Themenmanagements der Minister interessiert. Denn meiner Erfahrung nach dominiert nach wie vor das kurzfristige Tagesgeschäft die langfristig angelegten Themenstrategien", kommentiert die Initiatorin des Seminars, Politikberaterin Ina von Holly von AM | Corporate & Creative in Berlin und Initiatorin des Seminars.

Gemäß der aktuellen Studie ist dieses Agenda-Setting komplex und durch viele Faktoren beeinflusst: „Aktuelle Krisen und unvorhergesehene Ereignisse wie der Terroranschlag in London aber auch Naturkatastrophen in Asien erzwingen abrupte Themenwechsel und schnelle Reaktionen von Politikern“, erklärt Doktorandin Birgit Stark die das Projekt wissenschaftlich begleitet.

So hat es Heidemarie Wieczorek-Zeul als eher unbekannte Entwicklungsministerin verstanden, Krisensituationen für die Positionierung ihrer Themen zu nutzen. Sie nahm zum Beispiel die Tsunami-Katastrophe zum Anlass, um Vor-Ort-Präsenz zu zeigen und so ihrer Forderung nach der Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent vom BIP der Bundesrepublik Deutschland Nachdruck zu verleihen.

Wer dagegen Themen setzt und seine Versprechen nicht einlöst, wie beispielsweise Finanz- und "Spar"-Minister Hans Eichel und der "Superminister" Wolfgang Clement, gefährdet massiv seine Glaubwürdigkeit. Zu oft versprach beispielsweise Hans Eichel in der Vergangenheit die Einhaltung der EU-Stabilitätskriterien von 3 Prozent, die er nicht halten konnte. In dessen Folge zeigt die Bevölkerung immer weniger Interesse an seinen Botschaften und die aus seinem Ministerium. Die einzige Chance, die die Nachwuchswissenschaftler sehen: Mehr Transparenz und Mut zur Wahrheit.

Otto Schily dagegen versteht es geschickt, als "Held der inneren Sicherheit" nach den Terroranschlägen am 11. September zu agieren. In Abhängigkeit von wichtigen, politischen Ereignissen (z.B. dritter Golfkrieg, Tsunami-Flutkatastrophe) steigt seine Popularität regelmäßig im Politbarometer. "Safety-First" gilt auch als sein Konzept für die Fußball-WM im kommenden Jahr, allerdings zeigt sich im Stärken-Schwächen-Profil, dass er in erster Linie auf repressive Maßnahmen abzielt, die im Widerspruch zum eigentlichen Motto der WM ("Die Welt zu Gast bei Freunden") stehen.

Derweil hat der frühere Superstar Joschka Fischer inzwischen wohl sein Gespür für Themen und ihr Timing verloren. Egal ob Irak, die Menschenrechtssituation in China oder Russland, die Europäische Verfassung oder der ständige Sitz im UN-Sicherheitsrat, aus allen Themen wurde er von dem Bundeskanzler verdrängt, der sich verstärkt im außenpolitischen Bereich in Szene setzte. Der größte Fehler unterlief dem Vorzeige-Grünen in der Visa-Affäre, die er dramatisch unterschätzte und die ihm fast das Amt gekostet hätte.

Für den beginnenden Wahlkampf wird das Themenmanagement nach Einschätzung von Ina von Holly von überragender Bedeutung sein: "Denn wer im Wahlkampf die Themen bestimmt, gewinnt die Wahl."

Kontakt für Medien:

Dipl.-Sozialw. Birgit Stark, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft und Sozialforschung, Universität Hohenheim
Tel.: 0711 459-23162, E-Mail: stark@uni-hohenheim.de
Ina von Holly, Senior Consultant und Group Head bei AM | Corporate & Creative, Berlin
Tel.: 030 440-387-46, E-Mail: ina.vonholly@am-com.com


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