Die Deutschen lieben ihr Land  [20.05.09]

60 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland sind 60 Prozent der Bevölkerung stolz darauf, Deutsche zu sein. 80 Prozent der Deutschen sagen, Vaterlandsliebe sei heute „typisch deutsch“. So lauten die Ergebnisse einer repräsentativen Studie des Lehrstuhls für Soziologie der Universität Hohenheim im Auftrag der Identity Foundation über „Die Identität der Deutschen"

Das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land stellt sich heute überraschend positiv geprägt dar. Pluralistisch, demokratisch, weltoffen - so sieht das derzeitige Deutschland-Bild für die große Mehrheit der Deutschen aus. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der Lehrstuhl für Soziologie der Universität Hohenheim im Auftrag der Wissenschaftsstiftung Identity Foundation, Düsseldorf, durchgeführt hat. Für die Studie hatte die GfK Marktforschung im vergangenen Herbst und im Frühjahr insgesamt 3.000 repräsentativ ausgewählte Deutsche befragt.

 

Die Deutschen zwischen Vergangenheitsbewältigung und Neuanfang

60 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland erstarren die Deutschen nicht mehr in historisch vermittelten Schuldgefühlen. 83,6 Prozent wollen sich nicht länger für ihr Deutsch-Sein schämen und 74,6 Prozent finden es an der Zeit, trotz der Geschichte wieder stolz auf Deutschland sein zu können.

Besonders interessant ist, dass der neue Stolz geschichts- und verantwortungsbewusst ist. Denn in der großen Gruppe derer, die sich Deutschland besonders eng verbunden fühlen, ist auch das Empfinden einer historischen Verantwortung für die nationalsozialistische Vergangenheit mehrheitlich stark ausgeprägt. Zudem lehnen 62,6 Prozent der Bevölkerung eine größere militärische Präsenz der Bundesrepublik in der Weltgemeinschaft ab.

 

Wir sind Deutschland – Breiter Konsens über das typische Deutsch-Sein

60 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland zeigt sich die Nation im Inneren geeint. West und Ost haben 20 Jahre nach dem Mauerfall wieder zusammengefunden. Im geteilten Wunsch nach einem stärkeren nationalen und kulturellen Selbstbewusstsein (West: 72,6 Prozent, Ost: 73,8 Prozent) und einem fast gleich starken Nationalgefühl (West: 79,8 Prozent, Ost: 83,2 Prozent) manifestiert sich die klare Vorstellung einer gemeinsamen Zukunft der beiden Landesteile.

Auch über das, was „typisch deutsch“ ist, herrscht in der Gesellschaft ein breiter Konsens. In den Augen von 90,8 Prozent aller Befragten ist der/die typische Deutsche pflichtbewusst und leistungsorientiert und schätzt, so 89,7 Prozent, Regeln und Ordnung. Für 81,8 Prozent der Befragten steht fest, dass die Deutschen ihre Heimat lieben und das Brauchtum pflegen. Auch das typisch deutsche Werkeln gehört für 81,8 Prozent immer noch zur Essenz des Deutsch-Seins.

 

Das nationale Selbstbewusstsein und sein Darstellungsproblem

72,9 Prozent der Bevölkerung finden, dass die Deutschen mehr Selbstbewusstsein im Hinblick auf ihre nationale und kulturelle Identität zeigen sollten, doch bleibt dies vielfach ein frommer Wunsch. Zwar befürworten es 60,9 Prozent, wenn bei besonderen Gelegenheiten die Nationalfahne gehisst wird, jedoch würden nur 31,2 Prozent die Fahne auch selbst schwenken. Am häufigsten greifen die Hessen (45,7 Prozent) und die Baden-Württemberger (40,1 Prozent), am seltensten die Sachsen (17,2 Prozent) und die Brandenburger (19,5 Prozent) zur Flagge.

Die in der öffentlichen Sphäre vermittelten Identitätsbilder scheinen mit dem neuen Selbstverständnis der Deutschen nicht Schritt zu halten. Daher sind 53,1 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass Schule, Politik und Medien viel zu selten ein positives Bild des Deutsch-Seins vermitteln. Das Bedürfnis nach identitärer Selbstbehauptung ist auch im Kontext von Globalisierung und Migration stark ausgeprägt. 69,8 Prozent der Bevölkerung befällt im Zuge einer wachsenden Zuwanderung ein Unwohlsein im Hinblick auf die Bewahrung ihres Deutsch-Seins.

 

Die Caféhaus-Moral der Deutschen

Unter den Deutschen zeigt sich ein ausgeprägtes Bedürfnis nach mehr Solidarität innerhalb der Bevölkerung, doch prallt dieser Wunsch auf eine Realität, die eher von Einzelkämpfertum und persönlichen Egoismen geprägt ist. In der Folge flüchten sich viele Deutsche in eine Caféhaus-Moral. Sie kritisieren die herrschenden Zustände, zeigen jedoch lediglich eine geringe Bereitschaft, selbst etwas für das Gemeinwesen zu leisten. So wünschen sich 72,9 Prozent ein stärkeres Wir-Gefühl unter den Deutschen und 64,5 Prozent bemängeln, dass in Deutschland jeder nur noch für seine eigenen Interessen kämpfe.

Allerdings sind nur 36 Prozent dann auch bereit, sich vorbehaltlos für das Vaterland zu engagieren und 39,2 Prozent der Deutschen sagen: „Ich zahle Steuern, das reicht.“ „Diese eigentümliche Caféhaus-Moral ist typisch für die Deutschen. Man will beides: Stolz auf die Nation, aber gleichzeitig eine nur dosierte Bindung an das Land, Teilhabe am gemeinsamen Wir-Gefühl, aber auch die vermeintliche Freiheit der Nicht-Verantwortung“, so Prof. Dr. Eugen Buß, Lehrstuhl für Soziologie der Universität Hohenheim.

 

Die deutsche Identität wird selbstverständlicher

Im Jahr des 60. Geburtstages der Bundesrepublik Deutschland hat die Nation nicht nur international zu einer neuen politischen Stärke gefunden, sondern auch wieder vitale Szenarien deutscher Identität entwickelt. „Die Studie dokumentiert, dass die Deutschen auf dem Weg zu einer ‚normalen’ Nation sind. Noch nie seit Gründung der Bundesrepublik war das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Land so selbstverständlich, so unverkrampft und entspannt wie heute. Das Nationalgefühl ist offenbar kein Auslaufmodell im zusammenwachsenden Europa, sondern wesentlicher Gestaltungsfaktor im neuen Selbstbild der Deutschen“, so Prof. Dr. Eugen Buß.

 

Text: Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Eugen Buß / Dipl. oec. Michael Klein, Universität Hohenheim, Lehrstuhl für Soziologie, Email: soziologie@uni-hohenheim.de


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