Erfolgsprojekt Mentoring für Nachwuchs-Akademikerinnen:
Universität Hohenheim feiert die 100sten Jubiläums-Teilnehmerinnen  [09.03.09]

Neue Gleichstellungsbeauftragte will neue Akzente setzen / Quotenregelung mittelfristig nicht ausgeschlossen

Karriere-Förderung schon ab dem Grundstudium, handverlesene Mentorinnen als persönliche Karriere-Coachs und das ganze flankiert durch ein ausgefeiltes Schulungsprogramm: aus diesen Zutaten besteht das Erfolgsrezept, nach welchem das Gleichstellungsbüro der Universität Hohenheim ihr Mentoring-Programm für Frauen betreibt. Dabei profitieren angehende Nachwuchs-Akademikerinnen in einer persönlichen 1:1-Beziehung von den Erfahrungen erfolgreicher Frauen in Industrie und Wissenschaft. Das 100ste Teilnehmer-Duo stellte sich am Freitag, 6. März, zusammen mit zwei weiteren Teilnehmerinnen und den MentHo-Initiatorinnen den Fragen der Presse. Wobei es nicht beim Blick zurück auf bisherige Erfolge blieb: „Mittelfristig kann die Universität Hohenheim an einer Quotenregelung für Frauen in der Wissenschaft nicht vorbeikommen“, forderte Prof. Dr. Ute Mackenstedt, seit vergangenem Herbst neue Gleichstellungsbeauftragte. Prinzipielle Aufgeschlossenheit signalisierte auch der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Hans-Peter Liebig.

 

 

Es ist die Stimme der Erfahrung, die hier spricht: „Selbst in Studiengängen, bei denen die Frauen am Start zahlreich vertreten sind, dünnte sich der Frauenanteil schon zur Promotion hin aus“, urteilt Dr. Ina Bergheim. Sie selbst hat sich durchgekämpft und leitet eine Nachwuchsforschergruppe im Bereich Ernährungsmedizin. Als wissenschaftliche Mentorin gibt sie ihre Erfahrungen an Maria Buchweitz weiter, die derzeit in Lebensmitteltechnologie promoviert. Zusammen bilden sie das 100ste Teilnehmer-Duo im Mentoring-Programm MentHo der Universität Hohenheim.

Was die Mentorin berichtet, wird von der Statistik gestützt: Mit 56 Prozent stellen Frauen die Mehrheit unter den Studierenden der Universität Hohenheim. Die Doktorandinnen und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen stellen noch 42 Prozent. Von Hohenheimer Professuren sind keine zehn Prozent mit Frauen besetzt. Bundesweit liegt der Professorinnen-Anteil bei ungefähr 15 Prozent.

Dass sich dieses Phänomen nicht auf die Wissenschaft beschränkt, bebildern die Erfahrungen einer weiteren Mentorin aus der Wirtschaft: „Zu Beginn des Studiums leben Frauen noch in einer Art Scheinwelt: Sie werden wenig benachteiligt und gehen ihre Karriere deshalb ziemlich zurückhaltend an. Aber mit dem Abschluss beginnen die Herausforderungen: Was fange ich mit meinem Studium an, wie bekomme ich den richtigen Job, der zu mir passt?“, sagt Anita Schwenkedel, Projektleiterin bei IBM im Bereich Finanz-Controlling. Auch sie engagiert sich deshalb seit einem halben Jahr als Mentorin für die Studentin Magdalena Seeger, die derzeit im 7. Semester Wirtschaftswissenschaften studiert.

 

1. Pluspunkt: einmalig früher Anfang

Um schon Studentinnen beizeiten aus der Scheinwelt zu reißen, setzt das Mentoring Programm der Universität Hohenheim schon im Grundstudium ein. „Ein Vorteil, mit dem wir deutschlandweit ziemlich einzigartig dastehen“, bestätigt die Gleichstellungsbeauftragte und damalige MentHo-Initiatorin Prof. Dr. Mackenstedt.

Kein Tag zu früh, bestätigt die Mentorin aus der Industrie, Anita Schwenkedel. Gerade Frauen müssten sehr früh mit dem Netzwerken anfangen, um später einmal berufliche und private Ziele vereinbaren zu können: „Wenn Sie mit 30 Jahren ein Kind bekommen und noch kein bestehendes Netzwerk haben, in das Sie nach einem Jahr Pause zurückkehren können, wird es sehr schwierig.“

 

2. Pluspunkt: handverlesene Mentorinnen

Als zweite Besonderheit bietet das Hohenheimer Programm jungen Nachwuchs-Akademikerinnen den Service, Mentorinnen mit passgenauem Profil anzuwerben – was ein riesiges Netzwerk inzwischen erheblich erleichtert: „Konkret fragen wir junge Frauen, in welche Richtung sie sich entwickeln wollen und telefonieren uns so lange durch das Netz, bis wir eine Mentorin haben, die genau diesen Weg schon gegangen ist“, so die Universitäts-Gleichstellungsbeauftragte Prof. Dr. Mackenstedt.

Manchmal werden die MentHo-Mitarbeiterinnen gleich im eigenen Haus fündig: wie bei dem Jubiläumsduo Bergheim/ Buchweitz, die sich beide einer wissenschaftlichen Karriere im Bereich Lebensmittel/ Ernährung verschrieben haben. Schon bei den ersten Treffen haben beide sogar festgestellt, „dass sich unsere Forschungen möglicherweise ergänzen und wir vielleicht ein gemeinsames Forschungsprojekt starten können“, freut sich Mentorin Bergheim.

Manchmal erstreckt sich die Suche dagegen weit aus der Alma Mater hinaus: „Ich wollte unbedingt eine Mentorin aus der Wirtschaft haben, die im Bereich Finanzen und Controlling arbeitet“, erinnert sich Wirtschafts-Studentin Seeger. Nach einigen Recherchen habe MentHo die IBM-Controllerin Anita Schwenkedel als mögliche Mentorin angesprochen. Nach einem Treffen zum gegenseitigen Beschnuppern waren sich beide sicher – „die Chemie stimmt.“

 

3. Pluspunkt: Betreuung und Seminare

Als dritte Zutat für das Erfolgsrezept MentHo verweist Gleichstellungsbeauftragte Prof. Dr. Mackenstedt auf die intensive Betreuung – sowohl von Mentee als auch Mentorin. „Wir bleiben mit allen Paaren im persönlichen Kontakt und fragen regelmäßig nach, wie die Zusammenarbeit läuft.“ Mentees schreiben nach allen Zusammentreffen Protokolle und besuchen Pflichtseminare zu Soft Skills wie Rhetorik, interkulturelle Kompetenz oder Management. Seit 2005 können Mentees das Junior Managerin Zertifikat der Deutschen Management Gesellschaft erwerben.

Bei späteren Bewerbungen sei dies ein erheblicher Pluspunkt, berichtet die Wirtschafts-Mentorin Schwenkedel. „Ganz generell: Die Teilnahme am Mentoring-Programm signalisiert Eigeninitiative und dass sie über den Tellerrand hinausblicken wollen“, verrät die IBM-Projektleiterin. „Der größte Vorteil des Programms liegt jedoch sicherlich darin, ein Türöffner für die Teilnehmerinnen zu sein.“

Für Doktorandin Buchweitz, als Mentee aus der Wissenschaft, liegt der größte Gewinn in der Praxisnähe: „Das Programm zeigt mir Stolpersteine auf dem Weg – und wie ich sie umgehen kann.“ An der Uni würde sie die Theorie lernen – beim Mentoring die Praxis und Antworten auf die Frage, wie andere Frauen ihre Ziele erreichen konnten.

 

Gewinn auch für Mentorinnen

Trotz aller Vorteile soll die Mentorin ihre Mentee nur ein kurzes Stück auf dem Weg begleiten. „Die Paare dürfen nicht so lange zusammen sein, dass von Mentorin zu Mentee eine Prüfungssituation oder ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht“, betont Gleichstellungsbeauftragte Prof. Dr. Mackenstedt.

Ein Aspekt, auf den auch IBM-Controllerin Schwenkedel Wert legt: „Wichtig ist, dass sich Mentee und Mentorin auf Augenhöhe begegnen. Die Mentee tritt nicht als Bittstellerin auf, sondern weiß, dass sie mich jeder Zeit erreichen kann.“

Ergebnis sei, dass die Zusammenarbeit mit ihrer Mentee auch die Mentorin beflügle und motiviere. Nicht nur die Mentees lernten bei dieser Zusammenarbeit, sondern auch die Mentorinnen: „Ich will das Potential an der Universität Hohenheim sehen, herausbekommen, wie diese junge Generation tickt. Mir ist ein großes Anliegen, dass die Zusammenarbeit ein Geben und Nehmen ist.“

Was beide Mentorinnen aus Wissenschaft und Wirtschaft treibt, ist außerdem die Tatsache, dass sie selber einmal Mentees eines Mentoring-Programms waren. „Das will ich nun weitergeben“, meint die Leiterin der Nachwuchsforschergruppe, Dr. Bergheim. Sie selbst habe damals viel Unterstützung von der damaligen Professorin für Ernährungswissenschaft und Gleichstellungsbeauftragten Prof. Dr. Christiane Bode erhalten, die sie mit Rat und Tat begleitete.

 

100stes Jubiläumsduo MentHO: Dr. Ina Bergheim(Mentorin) und Maria Buchweitz Fotos: Universität Hohenheim/ Sven Cichowicz

100stes Jubiläumsduo MentHO: Dr. Ina Bergheim(Mentorin) und Maria Buchweitz Fotos: Universität Hohenheim/ Sven Cichowicz

Internationaler Vergleich bestätigt Effizienz

Auch der internationale Vergleich zeigt, dass sich Mentoring als Förderprogramm sehr positiv etabliert hat. „In den USA werden an nahezu allen Einrichtungen spezielle Programme für Frauen angeboten. Gelder, die die Universitäten vom Staat erhalten, müssen im Sinne der Gleichstellung genutzt und als Gehälter für Studentinnen und spezielle Programme eingesetzt werden“, berichtet die Hohenheimer Professorin Anne Bellows, selbst US-Staatsbürgerin und ehemalige Mitarbeiterin der Rutgers University in New Jersey, die eine der drei besten Women’s Studies-Programme für Bachelor- und Master-Studentinnen sowie Doktorandinnen in den USA anbietet.

„Es genügt nicht, Frauen und Minderheiten einfach nur zu ermutigen. Mentoring-Programme sind unter anderem notwendig, um ihnen zu helfen, Widerstände und strukturelle Barrieren im universitären System zu überwinden und sich einzubinden.“ Allerdings würde das Instrument in den USA noch breiter eingesetzt – dort ziele Mentoring und andere Programme nicht nur auf die Gleichstellung der Geschlechter, sondern unterstütze auch unterrepräsentierte ethnische Gruppen, schwerbehinderte oder ältere Studierende, die nach Gründung einer Familie wieder an die Universität zurückkehren wollen.

 

Karriereförderung und familiengerechte Maßnahmen: nur zwei Säulen tragen

Für Prof. Dr. Mackenstedt, als kürzlich gewählte Gleichstellungsbeauftragte, ist die positive MentHo-Bilanz ein deutliches Zeichen, noch mehr in die Karriere-Förderung angehender und junger Akademikerinnen zu investieren. „Als Universität haben wir ein hohes Niveau erreicht, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft. Auch dieser Bereich lässt sich sicher noch stark ausbauen. Trotzdem müssen wir das Problem viel offensiver angehen, dass Frauen ab der Promotion zu oft aus dem System geworfen werden.“

Dass beides – Karriereförderung und familiengerechte Angebote – zwei tragende Säulen bilden müssen, unterstreicht auch die Mentorin aus der Wissenschaft, Dr. Bergheim. „Ohne das besondere Angebot der Universität Hohenheim hätte ich eine wissenschaftliche Karriere und mein Kind niemals unter einen Hut bringen können“, sagt die Forscherin, die neben ihrer Tätigkeit an der Universität noch Mitglied im Kindertagesstätten-Beirat ist.

 

Bedarf für Quotenregelung in der Wissenschaft

Statt ausschließlich weiche Fördermaßnahmen anzuwenden, plädiert die Gleichstellungsbeauftragte Prof. Dr. Mackenstedt deshalb für eine Quotenregelung in allen Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. „Konkret könnte das so aussehen, dass wir uns auf jeder Qualifizierungsstufe am Frauenanteil auf der Stufe darunter orientieren. Das heißt, das mittelfristige Ziel heißt den Professorinnen-Anteil auf das Niveau zu heben, das wir derzeit bei den Doktorandinnen haben.“

Politischen Rückenwind erhält Prof. Dr. Mackenstedt von keiner geringeren Organisation als der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Deutschlands wichtigster Förderorganisation für renommierte Forschungsprojekte: „Schon vor drei Jahren forderte der damalige DFG-Präsident die Forschungseinrichtungen auf, nach 20 Jahren Frauenförderung mit mehr als bescheidenen Ergebnissen die Quotenregelung einzuführen. Heute macht die DFG in ihren Richtlinien überdeutlich, dass sie ihre Forschungsgelder fest daran knüpfen werde, dass Forschungseinrichtungen bei ihrer Gleichstellungsarbeit über Lippenbekenntnisse hinausgehen.“

 

Universität signalisiert Unterstützung

Innerhalb der Universität Hohenheim weiß sie auch das Rektorat an ihrer Seite. „Ich stehe persönlich für eine solche Regelung und auch wenn die Details noch nicht feststehen, herrscht, was die Quote betrifft, in großen Zügen Einvernehmen zwischen Gleichstellungsbeauftragter und Rektorat“, kommentiert Rektor Prof. Dr. Hans-Peter Liebig. Als Grundsatzentscheidung müsse eine solche Regelung jedoch erst in Senat und Universitätsrat diskutiert werden.

 

Text: Petschko

Kontakt für Medien:

Rotraud Konca, Universität Hohenheim, Referentin für Gleichstellungsfragen MentHo
Tel.: 0711 459-23478: E-Mail: konca@uni-hohenheim.de


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