Gegen die Unterfinanzierung:
Demonstration auf dem Campus der Universität Hohenheim  [27.11.19]

Protestaktion der Studierenden und Kundgebung vor der Thomas-Müntzer-Scheuer (TMS) am Aktionstag Hochschulfinanzierung (26.11.19)

„Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut!“: Mit Trillerpfeifen, Traktoren und Protestgesängen haben zahlreiche Hohenheimer Studierende und Beschäftigte am gestrigen Dienstag zum dritten Mal in diesem Semester gegen die Unterfinanzierung der Hochschulen mobilgemacht. Kurz vor Abschluss der Haushaltsverhandlungen in Baden-Württemberg wollen sie damit auf Initiative der Verfassten Studierendenschaft auch an der Universität Hohenheim in Stuttgart noch einmal ein gemeinsames Signal an die Landesregierung senden.


„Baden-Württemberg ist ein wirtschaftlich starkes Land. Gute Bildung ist das Fundament für diesen Wohlstand. Es traurig, dass wir in diesem Semester schon zum dritten Mal auf die Straße gehen müssen, damit das Land ausreichend Geld für die Universitäten bereitstellt“, mahnt der Präsident des Studierendenparlaments an der Universität Hohenheim Hauke Delfs bei der Kundgebung vor der Thomas-Müntzer-Scheuer.

Akut bedroht in Hohenheim sei unter anderem das Vorzeigeprojekt Humboldt reloaded, das bereits Bachelor-Studierende für die Forschung begeistert. Noch wird dieses durch den Bund gefördert. Ab 2020 muss die Universität das Projekt aus eigener Kraft stemmen. Die Finanzplanungen des Lands ließen dafür allerdings kaum Spielraum.

Studierende und Forschende auf Augenhöhe, der Humboldtsche Gedanke vom forschenden Lernen, Möglichkeit den eigenen Forschergeist zu entdecken: Das alles sollte an der Universität nicht nur im Rahmen eines zeitlich begrenzten Projekts möglich sein, betont Dr. Natascha Selje-Aßmann vom Humboldt reloaded-Projekt-Team.

Der Rektor der Universität Hohenheim, Prof. Dr. Stephan Dabbert, bewirbt in seinem Redebeitrag die Online-Petition „Hochgeschult – kaputtgespart“ der Landesstudierendenvertretung, die den Forderungen der Universitäten Nachdruck verleihen will. Der Protest der vergangenen Wochen habe zwar auch bereits etwas bewirkt: Das Land habe sich ein Stück auf die Hochschulen zubewegt und sei bereit, zumindest einen Teil der geforderten Gelder bereitzustellen. Doch „der bisher geplante Verteilschlüssel benachteiligt die Universitäten in Vergleich zu anderen Hochschultypen stark. Wir fordern eine gerechte Verteilung, die sich an den Studierendenzahlen orientiert“, so Prof. Dr. Dabbert.


HINTERGRUND: „Bildungslücke“

Die Zahl der Studierenden an den baden-württembergischen Universitäten und Hochschulen ist in den letzten 20 Jahren rasant gestiegen. Die Ausgaben des Landes haben mit dieser Entwicklung nicht annähernd Schritt gehalten. Trotz guter Wirtschaftsentwicklung erhalten Universitäten heute pro Studentin bzw. Student inflationsbereinigt 33 Prozent oder 3.540 Euro weniger vom Land als noch 1998.

Die Universitäten fordern vom Land, diese „Bildungslücke“ zu schließen. Die Kern-Forderungen der Universitäten lauten:

Veraltete Traktoren der Versuchsstation Agrarwissenschaften begleiteten den Demonstrationszug. | Bildquelle: Universität Hohenheim / Florian Leonhardmair

Veraltete Traktoren der Versuchsstation Agrarwissenschaften begleiteten den Demonstrationszug.
Bildquelle: Universität Hohenheim / Florian Leonhardmair

  • Zuschuss pro Studentin und Student um mindestens 1.000 Euro erhöhen
  • realen Aufwuchs des Etats um jährlich 3 Prozent
  • ausreichende Finanzierung für Sonderaufgaben

Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen hat die Landesstudierendenvertretung eine aktuelle Online-Petition veröffentlicht unter dem Titel „hochgeschult – kaputtgespart: Für ein ausfinanziertes Hochschulsystem in Baden-Württemberg“.

Text: Leonhardmair


Zum Aktionstag hat die LandesAStenKonferenz Baden-Württemberg eine aktuelle Stellungnahme veröffentlicht:

PRESSEMITTEILUNG der LandesAStenKonferenz Baden-Württemberg
vom 27.11.2019

Stellungnahme der Landesstudierendenvertretung Baden-Württemberg:
Bisherige Korrekturen an der Hochschulfinanzierung völlig unzureichend – Verhandlungen zum Hochschulfinanzierungsvertrag sind eine Farce.


„Die Verhandlungen zum Hochschulfinanzierungsvertrag 2 sind eine Farce.“ Mit diesen Worten beschreibt Dominik Birkenmaier, Sprecher der Landesstudierendenvertretung Baden-Württemberg für Hochschulfinanzierung die aktuelle Situation bei den Verhandlungen zum Vertrag zwischen Landesregierung und Hochschulen.

Die Landesstudierendenvertretung bemängelt dabei vor allem die völlig unzureichende Informationsweitergabe seitens des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK). „Man kann sich derzeit schon fragen, ob das MWK gar keine eigene Meinung zur Hochschulfinanzierung und den Zuständen an den Hochschulen habe“, so Simone Münch von der Verfassten Studierendenschaft der Universität Konstanz.

Regelrecht verstörend sei es, dass die Anmeldung von Mindestbedarfen für weitere notwendige Maßnahmen von 99 Millionen Euro für das Jahr 2021 und die Kürzung durch die Haushaltskommission der Landesregierung auf zunächst 40 Millionen völlig unkommentiert von der Ministerin hingenommen wurde. Inzwischen wurde diese Summe auf Initiative der Fraktion der Grünen im Landtag zwar auf etwa 80 Millionen in 2021 für weitere notwendige Maßnahmen korrigiert. Betrachtet man jedoch die Summe der Bedarfe der Hochschulen – von ihnen wurden Bedarfe über 500 Millionen Euro allein in 2021 für weitere Maßnahmen beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst für die Verhandlungen angemeldet – so handelt es sich bei den nun für 2021 zugesagten 80 Millionen Euro allenfalls um den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein.

Dass die Ministerin sich nicht einmal nach der Kürzung ihrer angemeldeten Mindestbedarfe für die Hochschulen in der Haushaltskommission der Koalition in der Öffentlichkeit geäußert hat, ist sowohl für die Hochschulen wie auch für die Landesstudierendenvertretung enttäuschend. „Mindestbedarfe sind nicht verhandelbar“, so Andreas Bauer von der VS der Hochschule Mannheim.

Angesichts der Forderungen der Hochschulen in Höhe von 500 Millionen Euro im Bereich zusätzlicher Maßnahmen, der Anmeldung von gerade einmal einem Fünftel dieser Bedarfe durch das MWK gegenüber dem Finanzministerium im Kontrast dazu und zusätzlich der weiteren Kürzung dieser ohnehin schon völlig unzureichenden Anmeldung in der Haushaltskommission der Koalition handelt es sich bisher um eine Bankrotterklärung der Landesregierung im Bereich der Bildung und Forschung an Hochschulen.

Dass die CDU als Koalitionspartnerin die Ministerin in der Öffentlichkeit allein in der Verantwortung sieht, passt hier absolut ins Bild. Damit zeigt die CDU öffentlich, dass sie der Bildung und Forschung an Hochschulen nicht die nötige Bedeutung beimisst. Wer innerhalb einer Regierungskoalition die Verantwortung an der Ressortgrenze abgibt und mit Schuldzuweisungen Politik auf Kosten des Hochschulsystems macht, erweist sich als nicht verlässlicher Partner in diesem Bereich.

Die Forderungen der Landesstudierendenvertretung sind klar:

1. Schritt: 360 Millionen bzw. 1.000 Euro je Student*in zusätzliches Geld in die Grundfinanzierung der Hochschulen zum 01.01.2021.

2. Schritt: Verstetigung und Überführung der Ausbaumittel in Höhe von mindestens 285 Millionen Euro in die Grundfinanzierung.

3. Schritt: Dynamisierung der Grundfinanzierung um jährlich 3 %.

Die bisher geleisteten Zusagen decken nicht die Bedarfe der Hochschulen. Zudem handelt es sich bei den letzten Zusagen über 216 Millionen um befristete Mittel, die aus den Mitteln der Strafzahlungen aus der Automobilindustrie stammen sollen. Diese Mittel drohen daher spätestens 2025 auszulaufen und stellen daher keine Planungssicherheit für die Ausbringung unbefristeter Stellen an Hochschulen her. Eine nachhaltige und langfristige Verbesserung der Situation an Hochschulen sieht definitiv anders aus.

Auch deswegen hat die Landesstudierendenvertretung eine Online-Petition gestartet für ein ausfinanziertes Hochschulsystem. Bereits mehr als 17.000 Unterzeichnende allein aus Baden-Württemberg unterstützen diese Forderungen mit ihrer Unterschrift unter der Petition (https://www.openpetition.de/!hofv).

„Mit der Fortschreibung der Unterfinanzierung an den für die Ausbildung von Lehrkräften zuständigen Hochschulen, insbesondere an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen, fehlt es in hohem Maße an der Investition in die Zukunft des Landes“, so Sarah Frietsch von der PH Karlsruhe. Sofern die Landesregierung hier nicht gezielt Mittel für die Hochschulen und Universitäten für die didaktische und fachdidaktische Ausbildung bereitstellt, nimmt die Landesregierung in Kauf, dass die Mittel gerade für eine angemessene Ausbildung der Lehrkräfte im Land nicht ausreichen werden. Mehreinnahmen aus Drittmitteln für die Forschung an Hochschulen finden hier keine Anwendung. „Gerade auch im Hinblick auf die Ausbildung von Lehrkräften und die Qualität in der Lehre an den Hochschulen benötigen wir daher eine solide Grundfinanzierung der Hochschulen und einen verlässlichen Hochschulfinanzierungsvertrag in Baden-Württemberg“, so Dominik Birkenmaier abschließend.

Die Landesstudierendenvertretung fordert daher alle politischen Vertreter*innen des Landes zum Handeln auf. Beenden Sie die Unterfinanzierung der Hochschulen!

Überzeugen Sie sich selbst von den Problemen und Herausforderungen der Hochschulen. Überzeugen Sie sich vor Ort von den Bedarfen der Hochschulen. Reden Sie mit den studentischen Vertreter*innen und den Beschäftigten vor Ort.

Es liegt in Ihrer Hand die Zukunft des Landes zu gestalten. Verpassen Sie nicht die richtige Ausfahrt!

Friedhof der Bildung vor der Thomas-Müntzer-Scheuer: Studierende tragen Projekte wie „Humboldt reloaded“ zu Grabe. | Bildquelle: Universität Hohenheim / Florian Leonhardmair

Friedhof der Bildung vor der Thomas-Müntzer-Scheuer: Studierende tragen Projekte wie „Humboldt reloaded“ zu Grabe.
Bildquelle: Universität Hohenheim / Florian Leonhardmair

Mit Trillerpfeifen und Protestrufen bewegt sich der Protestzug quer über den Campus. | Bildquelle: Universität Hohenheim / Florian Leonhardmair

Mit Trillerpfeifen und Protestrufen bewegt sich der Protestzug quer über den Campus.
Bildquelle: Universität Hohenheim / Florian Leonhardmair

Hauke Delfs, Präsident des Hohenheimer Studierendenparlaments, bei der Kundgebung vor der Thomas-Müntzer-Scheuer. | Bildquelle: Universität Hohenheim / Florian Leonhardmair

Hauke Delfs, Präsident des Hohenheimer Studierendenparlaments, bei der Kundgebung vor der Thomas-Müntzer-Scheuer.
Bildquelle: Universität Hohenheim / Florian Leonhardmair

Text: Leonhardmair / Elsner


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