Langzeitstudie Wahlprogramme:
Parteien bemühen sich wieder zunehmend um Verständlichkeit  [07.03.16]

Verständlichkeits-Check der Universität Hohenheim: Analyse der Wahlprogramme in Baden-Württemberg von 1980 bis 2016

Nach einer langen Phase der Unverständlichkeit formulieren die Parteien wieder ein wenig verständlicher: Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse der Wahlprogramme aus Baden-Württemberg der vergangenen 36 Jahren. Im Vorfeld der Landtagswahl am 13. März 2016 haben Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim die Wahlprogramme der Parteien aus Baden-Württemberg von 1980 bis 2016 auf ihre formale Verständlichkeit hin untersucht. Ergebnis: Die Studie im Detail unter www.uni-hohenheim.de/presse

 

1980 ist nicht nur das erste Analyse-Jahr, das die Kommunikationswissenschaftler unter die Lupe genommen haben. Es ist auch das verständlichste. „Mithilfe des Hohenheimer Verständlichkeitsindex haben wir die Wahlprogramme der letzten 36 Jahre untersucht“, erklärt Prof. Dr. Frank Brettschneider, Kommunikationsexperte der Universität Hohenheim und Leiter der Studie. „Der Index reicht von 0 (völlig unverständlich) bist 20 (sehr gut verständlich).“

Das Ergebnis: „1980 lag die durchschnittliche Verständlichkeit der Parteiprogramme bei 8,2 Punkten. 1996 stellt mit 6,9 Punkten das formal unverständlichste Jahr dar. Seit diesem Tiefpunkt ist ein Trend zu mehr Verständlichkeit erkennbar.“ 2011 und 2016 liege die durchschnittliche Verständlichkeit der Wahlprogramme wieder in etwa auf dem Niveau von 1980, so der Kommunikationsexperte.

 

CDU, SPD, FDP, die Grünen und die Linke im Vergleich

Die Analyse wurde mit der Verständlichkeitssoftware „TextLab“ und anhand des Hohenheimer Verständlichkeitsindex erstellt. Untersucht wurden die Landtagswahlprogramme zentraler Parteien von 1980 bis 2016: CDU, die Grünen, SPD, FDP und die Linke.

Die formale Verständlichkeit der Wahlprogramme haben Prof. Dr. Brettschneider, Claudia Thoms, M.Sc., und Lucie Buttkus vom Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim in Zahlen ausgedrückt. Das langfristige Forschungsprojekt ist eine Kooperation mit der Agentur H & H CommunicationLab aus Ulm.

 

FDP-Programme am unverständlichsten – Grünen-Programme am längsten

„Die sprachlich verständlichste Partei in Baden-Württemberg ist die CDU mit durchschnittlich 8,6 Punkten auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex“, erklärt Claudia Thoms. „Die formal unverständlichste Partei ist die FDP mit 5,7 Punkte. Sie schrieb 1996 auch das unverständlichste Programm für den hier berücksichtigten Zeitraum (4,2 Punkte).“ Zum Vergleich: Eine Doktorarbeit landet beim Verständlichkeits-Check des Hohenheimer Index bei 4,3 Punkten, ein Politik-Artikel in der BILD-Zeitung bei 16,8.

Das längste Programm überhaupt mit 43.000 Wörtern stammt von den Grünen aus dem aktuellen Wahljahr 2016. Das mit 3.200 Wörtern kürzeste Programm lieferte die SPD im Jahr 1980. „SPD und die Grünen sind auch im Vergleich immer die beiden Parteien, die an den jeweiligen Enden der Skala stehen“, sagt Lucie Buttkus.

 

Oppositionsparteien meist verständlicher als Regierungsparteien – Ausnahme: Grüne

Weiterhin zeigt sich, dass die Parteien meist etwas verständlicher schreiben, wenn sie in der Opposition sind. Die einzige Ausnahme sind hier die Grünen, sagt Prof. Dr. Frank Brettschneider. „Die Grünen schreiben als Regierungspartei in diesem Jahr verständlicher als zu ihrer Zeit in der Opposition.“

 

Hintergrund: Der Hohenheimer Wahlprogramm-Check

Die Wahlprogramme sind ein Kommunikationsmittel der Parteien, um die eigenen Positionen darzulegen. Das Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft (insbes. Kommunikationstheorie) an der Universität Hohenheim untersucht im „Wahlprogramm-Check“ in Kooperation mit der Ulmer Agentur für Verständlichkeitsmessung H&H CommunicationLab u.a. folgende Fragen: Kommunizieren die Parteien in ihren Wahlprogrammen so verständlich, dass die Wahlberechtigten sie verstehen können? Welche Verständlichkeits-Hürden finden sich in den Wahlprogrammen? Und welche Themen und Begriffe dominieren in den Programmen?

Möglich werden diese Analysen durch die von H&H Communication Lab GmbH und von der Universität Hohenheim entwickelte Verständlichkeitssoftware „TextLab“. Diese Software berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie Textfaktoren, die für die Verständlichkeit relevant sind (z.B. Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter).

Aus diesen Werten setzt sich der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ zusammen, der die Verständlichkeit der Programme und Texte auf einer Skala von 0 (unverständlich) bis 20 (sehr verständlich) abbildet. Zum Vergleich: Doktorarbeiten in Politikwissenschaft haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3 Punkten. Politik-Beiträge in der Bild-Zeitung kommen im Schnitt auf 16,8 Punkte, Politik-Beiträge überregionaler Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Welt oder der Süddeutschen Zeitung auf Werte zwischen 11 und 14.

Text: C. Schmid / Klebs

Kontakt für Medien:

Prof. Dr. Frank Brettschneider, Fg. Kommunikationswissenschaft, insb. Kommunikationstheorie,
T: 0711/459-24030, E: frank.brettschneider@uni-hohenheim.de


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