Er untersucht das Wassermanagement der Pflanzen  [06.12.24]

Wurzeln haben es ihm besonders angetan: Jun.-Prof. Dr. Martin Bouda erforscht Netzwerke bei Pflanzen. Vor allem das Thema Wasser steht in seinem Fokus. Neben lebenden Pflanzen nutzt er dafür auch digitale Modelle und sogar fossile Pflanzen.

 

Mit seiner Forschung will er auch dazu beitragen, dem Klimawandel zu begegnen, mit verbesserten Vorhersagemodellen und durch Züchtung dürreresistenter Pflanzen. Seit März 2024 leitet Jun.-Prof. Bouda das Fachgebiet „Funktionelle Ökophysiologie der Pflanzen“ an der Uni Hohenheim.

(Anm. d. Red.: Das Interview wurde in Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt)


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Herr Bouda, Ihr Fachgebiet heißt „Funktionelle Ökophysiologie der Pflanzen“. Was versteht man darunter?

Die Ökophysiologie untersucht, wie Pflanzen mit ihrer Umwelt interagieren und befasst sich mit den physikalischen Prozessen, die das Leben aufrechterhalten. In meiner Forschung geht es vor allem darum, wie Pflanzen mit Wasser umgehen, sowohl in ihrem Inneren als auch im Austausch mit ihrer Umgebung. Die Ökophysiologie umfasst jedoch mehr als nur die Wasserverhältnisse, sie bezieht auch den Energie- und Stoffaustausch mit ein. So absorbieren Pflanzen beispielsweise Licht und CO₂, um Zucker zu produzieren, und verlieren dabei Wasser – ein ständiger Balanceakt.

Was fasziniert Sie an Ihrem Thema?

Der Weg des Wassers hat mich schon immer interessiert. Immer, wenn Wasser knapp ist, wird das zu einem zentralen Thema. Pflanzen haben es mir besonders angetan, weil sie ein so geheimnisvoller Teil des Wasserkreislaufs sind. Wir können leicht messen, wieviel Wasser in einem Fluss fließt oder als Regen fällt, aber wie Pflanzen das Wasser bewegen, ist wesentlich schwieriger zu untersuchen.

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Während meines Bachelorstudiums stellte ich fest, dass sich die meisten Forschungsarbeiten auf die sichtbaren Teile der Pflanzen, wie Blätter und Stängel, konzentrieren, da diese leichter zu untersuchen sind. Ich war aber neugierig auf die Wurzeln und ihre Rolle bei der Wasseraufnahme. Als ich damals meinen Professor darauf ansprach, sagte er mir, das sei zu schwierig und kein realistischer Karriereweg. Diese Herausforderung hat mich dazu bewogen, meine Doktorarbeit darüber zu schreiben.

Am Ende stellte sich jedoch heraus, dass er recht hatte. Um verlässlich Ergebnisse zu erzielen und Fördermittel zu sichern, musste ich meinen Fokus erweitern. Ich musste meine Aufmerksamkeit auch auf die oberirdischen Aspekte der Wasseraufnahme von Pflanzen richten. Mit der Zeit wird es jedoch einfacher, andere davon zu überzeugen, dass der Bereich unter der Erde wichtig ist, er wird immer häufiger als große, unbekannte Größe angesehen. Daher finde ich immer Gelegenheiten, meiner Leidenschaft für die verborgenen Geheimnisse der Pflanzenwurzeln nachgehen.

Und das können Sie in Hohenheim tun?

In Hohenheim habe ich die perfekte Umgebung gefunden. Die Universität suchte jemanden, der die Funktion von Pflanzen über verschiedene Ebenen hinweg integrieren kann. Dies ist Teil ihrer übergeordneten strategischen Ziele, wie beispielsweise der Green Robust Initiative. Ein zentraler Fokus meiner Arbeit liegt darauf, mit Hilfe der Netzwerkwissenschaft zu verstehen, wie die Funktionen verschiedener Pflanzenteile zusammenwirken. Und das passt gut zusammen.

Netzwerkwissenschaft?

Ja, Pflanzen bilden Netzwerkstrukturen in verschiedenen Größenordnungen. Die Baumkronen sind beispielsweise mit einem Netz von Ästen versehen, die Wurzeln bilden unterirdisch komplizierte Netze, und sogar die Gefäße, die Wasser und Zucker in den Pflanzen transportieren, sind miteinander vernetzt.

Indem ich diese Netzwerkstrukturen quantifiziere, untersuche ich, wie einzelne Teile mit dem Gesamtsystem zusammenhängen. Dieser mathematische Ansatz zur Beschreibung von Netzwerken steht im Mittelpunkt meiner Forschung zu Wurzeln und zum sogenannten Xylem – dem Wasserleitsystem der Gefäßpflanzen. Auch bekannt als Holz.

Funktioniert das auch mit einem ganzen Feld mit Pflanzen?

Ja, aber es funktioniert am besten auf kleineren Ebenen. Zum Beispiel besitzt ein einzelnes Blatt Adern, die ein Netzwerk bilden, und es gibt Netzwerke von Zellen. Dieses Netzwerk-Konzept lässt sich direkt auf viele Ebenen anwenden, bis hin zu einer einzelnen Pflanze. Betrachtet man mehrere Pflanzen zusammen, sieht man im Wesentlichen mehrere parallele Netzwerke. Mithilfe des Netzwerkansatzes können wir zeigen, dass die Mathematik, die den Wasserfluss beschreibt, nicht komplexer wird, wenn wir mehr Pflanzen hinzufügen. Daher hoffen wir, dass sich solche Modelle auch auf größere Skalen übertragen lassen.

Im Kontext einer Landschaft finden wir weitere und größere Netzwerke. Es gibt interessante mathematische Verbindungen. Beispielsweise zwischen der Art und Weise, wie Flussnetzwerke den Kohlenstofffluss über eine Landschaft integrieren, und einigen der mathematischen Modelle, die wir für Blattadern oder Wurzelstrukturen verwenden. Die Anwendung dieser Konzepte auf so großen Skalen bleibt jedoch eine Herausforderung, an der wir arbeiten.

An welchen konkreten Forschungsprojekten arbeiten Sie denn derzeit?

Bei unserem ersten Projekt untersuchen wir die Evolution von Pflanzen als Netzwerk, wobei wir Bilder von Fossilien analysieren. Dadurch können wir ihre Strukturen auf eine ganz neue Art beschreiben.

Dieses Projekt ist von großer Bedeutung, da es unsere Sicht auf die letzten 400 Millionen Jahre der Pflanzenentwicklung in Bezug auf Wasserhaushalt und Trockenheitsresistenz grundlegend verändern wird.
 
Ein weiteres wichtiges Projekt ist meine Feldforschung in Tschechien, wo wir das Wurzelsystem von Buchen und Fichten untersuchen. Uns interessiert, wie dessen Strukturen dazu beitragen, dass die Pflanzen Wasser aus dem Boden aufnehmen können, wenn dieser austrocknet. Die Erkenntnisse sind wesentlich, um großmaßstäbliche Modelle der Wechselwirkungen zwischen Boden und Atmosphäre zu verbessern. Denn wenn die Vegetation an ihre Grenzen stößt, wirkt sich dies auf die CO₂-Aufnahme, die Verdunstung und die Wärmeströme aus, was wiederum Auswirkungen auf die Klimamodelle hat. Unser Ziel ist es, bessere Vorhersagen zu entwickeln, indem wir kleinräumige Wurzel-Boden-Wechselwirkungen in diese Modelle integrieren.

Fachgebiet Funktionelle Ökophysiologie der Pflanzen

Jun.-Prof. Dr. Martin Bouda leitet das neu eingerichtete Fachgebiet seit dem 1.3.2024. Es handelt sich um eine Juniorprofessur mit Tenure-Track. Die Professur ist auf 6 Jahre befristet und wird bei Bewährung in eine reguläre Professur umgewandelt. mehr


Sie verwenden also vor allem Buche und Fichte für Ihre Experimente?

In den Feldstudien, ja. Aber am Computer können wir jede erdenkliche Baumart modellieren. Das ist ein mächtiges Werkzeug, da es uns ermöglicht, virtuelle Pflanzen zu erstellen, die verschiedene Kriterien erfüllen, und sogar solche zu entwerfen, die in der Natur nicht existieren. Das hilft uns, evolutionäre Prozesse zu verstehen und zu erkennen, warum bestimmte Pflanzenmodelle sich entwickelt haben oder eben nicht.

Nutzen Sie denn auch das Phytotechnikum für Experimente?


Ja, im Phytotechnikums wollen wir Pflanzen experimentell verschiedenen Formen von Trockenheit auszusetzen und die Auswirkungen auf ihre Struktur und den Wassertransport zu beobachten. Zum Beispiel können wir einzelne Äste oder Wurzeln abschneiden und sie an Leitungen anschließen, um zu messen, wie Wasser durch sie fließt. Solche Messungen ermöglichen es uns, den Widerstand im Gefäßsystem der Pflanze zu bestimmen. Das Verständnis des gesamten Netzwerks von Widerständen ermöglicht uns eine Vorhersage, wie Wasser in einem bestimmten Trockenheitsszenario durch die Pflanze fließen wird.

Gibt es einen praktischen Anwendungsbezug bei Ihrer Forschung?

Ja. Bei der Züchtung von modernen Nutzpflanzen auf höhere Erträge wird manchmal deren Trockenheitsresistenz verringert. Das könnte daran liegen, dass Aspekte wie die Netzwerkstruktur des Xylems nicht beachtet wurden. Wenn wir das besser verstehen, können wir daran arbeiten, einen Teil der verlorenen Trockenheitsresistenz zurückgewinnen.

Können sich Studierende an Ihren Forschungsprojekten beteiligen?

Auf jeden Fall. Verschiedene Aspekte meiner Forschung erfordern unterschiedliche Fähigkeiten oder Erfahrungsstufen, was sie sehr zugänglich macht. Studierende können schnell einfache Bildanalysetechniken zur Zellzählung erlernen, bevor sie sich anspruchsvolleren Analysen widmen. Ebenso bieten die Datenerhebung im Labor oder im Feld Gelegenheiten, aktiv in die wissenschaftliche Forschung einzusteigen.

Ich möchte sowohl Bachelor- als auch Masterarbeiten anzubieten, die auf Laborexperimenten, Feldforschung oder computergestützten Analysen basieren und an das jeweilige Studienprogramm angepasst sind.

Wie sieht es denn mit Humboldt reloaded aus?


Ich habe davon schon gehört, bin mir aber nicht ganz sicher, was es beinhaltet...

...es ist eine Initiative für Studierende im Grundstudium, die auf forschendes Lernen von Beginn an setzt. Wissenschaftler:innen leiten kleine Forschungsprojekte, die sich oft um spezifische Fragen aus ihrer eigenen Arbeit drehen, und beziehen Studierende ein. Das Programm wurde von dem Biologen Martin Blum ins Leben gerufen und ist hier in Hohenheim sehr erfolgreich.

Dieser dezentrale Ansatz, bei dem zum Beispiel Promovierende die Gruppen leiten, scheint gut zu funktionieren. In der Tschechischen Republik wird das ähnlich gehandhabt, um die Zusammenarbeit und die praktische Erfahrung von Studierenden zu fördern. Das ist wirklich sehr interessant.

Was bedeutet gute Lehre für Sie?

Gute Lehre muss die Neugier und die Lernmotivation wecken. Der Lehrstoff muss so gestaltet sein, dass er den Interessen und Zielen der Studierenden entspricht. Ob anhand von konkreten Forschungsprojekten oder realen Anwendungen – Ziel ist es, den Studierenden die Relevanz des Stoffes zu vermitteln.

In meinem Fach kann ich zum Beispiel erörtern, wie sich der Klimawandel auf die Pflanzenwelt auswirkt, und damit Studierende adressieren, die sich für Landwirtschaft oder Ökologie interessieren. Letztendlich geht es darum, Inhalte verständlich zu machen und die Studierenden zu inspirieren, sich tiefer mit dem Thema zu beschäftigen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist Lehre anhand von praktischen Erfahrungen. Ob in einer Laborumgebung oder durch Computersimulationen – die Möglichkeit, sich aktiv mit dem Stoff auseinanderzusetzen, ist für Studierende von großem Wert. Für mich persönlich war das Erlernen der Programmierung und Simulation pflanzlicher Prozesse von großem Nutzen für meine Karriere. Glücklicherweise werden praktische Berechnungsmethoden in der pflanzenwissenschaftlichen Praxis immer wichtiger und sind mit neuen Werkzeugen auch immer leichter zugänglich. Das vereinfacht die Sache für Studierende, die vielleicht nicht so sicher in Mathematik.

Haben Sie einen Rat für ein erfolgreiches Studium?

Seien Sie proaktiv und tauschen Sie sich mit anderen Menschen aus. Wenn Ihnen etwas Interessantes begegnet, zögern Sie nicht, auf andere zuzugehen. Viele Leute, die spannende Dinge erforschen, sind sehr beschäftigt -  also ergreifen Sie selbst die Initiative.

Eine letzte Frage, Herr Bouda: Was machen Sie denn in Ihrer Freizeit?

Freizeit? Das ist ein Luxus, aber ich achte darauf, dass ich mir Zeit für meine Familie nehme, insbesondere für meine beiden Kinder. Wir genießen es, gemeinsam die Gegend zu erkunden, zum Beispiel die Schwäbische Alb und bezaubernde Schlösser. Mit kleinen Kindern sind Ausflüge in die Natur besonders reizvoll.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!


Interview: Elsner / Klebs


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