Nachgefragt: Das Wärmenetz [08.02.23]
Die Uni setzt alle Hebel in Bewegung, um Energie zu sparen. Trotzdem geht es nur mit verhältnismäßig kleinen Schritten voran. Klimaneutrale Unis bis 2030 – dieses Landes-Ziel scheint bisher schwer erreichbar. Woran hakt es? Das möchten auch Studierende vom Arbeitskreis Nachhaltigkeit (AKN) und vom AStA-Umweltreferat besser verstehen. Die Abteilung Technik und Gebäude hat sie deshalb zu einem Campus-Rundgang eingeladen. Der Online-Kurier hat sich angeschlossen. Teil 1: Das Fernwärmenetz.
Die Uni rechnet mit Mehrkosten in Höhe von 15 Mio. € für Strom und Gas im Jahr 2023. Um Kosten zu reduzieren und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, soll der Energieverbrauch mindestens um 10 % sinken. Dafür ist die Mithilfe aller Uni-Angehörigen wichtig. Unter dem Motto „Gemeinsam achtsam“ berichtet der Online-Kurier über Energiesparmaßnahmen, Tipps und Hintergründe. Alle Artikel… | Website Energiemanagement
Der Großteil der Uni-Gebäude ist alles andere als energieeffizient, die technische Infrastruktur veraltet, der Sanierungsstau enorm. Häufig werden nur die dringendsten Sanierungsprojekte in Angriff genommen. Maßnahmen, die der Uni beim Energiesparen helfen, kommen hingegen kaum zum Zug.
Aus Sicht von Kanzlerin Dr. Katrin Scheffer liegt der Fehler im System: „Alle Bau- und Sanierungsmaßnahmen auf dem Campus laufen über das Landesamt für Vermögen und Bau im Finanzministerium. Die Energiekosten muss die Uni jedoch aus ihrem eigenen Budget begleichen. Eine Folge dieser Konstellation ist, dass der Energieaspekt beim Planen, Bauen und Sanieren über Jahrzehnte vernachlässigt wurde. Das kommt uns in der Energiekrise nun teuer zu stehen.“
Veraltete Technik im Heizwerk
Studierende des Arbeitskreis Nachhaltigkeit und des AStA-Umweltreferats sind Teil der erweiterten Task Force Energie, die sich an der Uni Hohenheim mit dem Thema Energiesparen beschäftigt. Um sich selbst ein Bild zu machen und die technischen Hintergründe noch besser nachvollziehen zu können, haben sich die Studierenden mit Wolfgang Lutz von der Betriebstechnik verabredet.
Der Rundgang beginnt in der Heizzentrale. Sie ist das Herz des Hohenheimer Fernwärmenetzes, das alle Gebäude auf dem Campus mit Wärme versorgt. Im dröhnenden Inneren fällt der Blick zuerst auf zwei große Heizkessel. Mit einer Leistung von jeweils rund 8,5 Megawatt liefern sie etwa 85% Prozent der Wärmeenergie für den Campus.
Ihre Funktion im Fernwärmenetz der Uni erklärt Lutz wie folgt:
- Die Heizkessel werden mit Gas betrieben (Öl-Betrieb möglich). Sie erhitzen Wasser, das über Rohre im Erdreich bzw. in Schächten zu den Campusgebäuden geleitet wird
- Dort wird die Wärmeenergie an Übergabestationen mittels Wärmetauscher auf gebäudeinterne Heizkreisläufe übertragen.
- Das Wasser des internen Heizkreislaufs erwärmt die Heizkörper im Gebäude
- Das Wasser im externen Fernwärmekreislauf kühlt dabei ab und wird in die Heizzentrale zurückgeleitet und aufs Neue erhitzt
Das Problem? „Unsere Heizkessel sind ca. 30 Jahre alt. Aufgrund veralteter Technik müssen wir sie mit sehr hohen Temperaturen betreiben, das heißt mit rund 120 °C“, so Lutz.
Für die Versorgung der Campus-Gebäuden wird diese hohe Temperatur eigentlich nicht benötigt. Ziel der Uni ist daher, die veralteten Heizkessel durch moderne Technik zu ersetzen, die mit ca. 80 °C Vorlauftemperatur betrieben werden kann.
Ein Spezialfall ist die Mensa, die für die Dampferzeugung hohe Temperaturen braucht. Im Zuge eines sogenannten „Energiespar-Contractings“ (mehr…) wurde deshalb bereits vor einigen Jahren ein unabhängiges Teilnetz für die Mensa eingerichtet. Noch nicht umgesetzt ist jedoch die Installation einer dezentralen Dampf- und Heizwärmeversorgung in der Mensa.
Bevor die Temperatur des Fernwärmenetzes abgesenkt werden kann, müssen außerdem die Übergabestationen in vielen Uni-Gebäuden noch technisch auf den Stand der Zeit gebracht werden, (s. Abschnitt „Moderne Wärmetauscher“).
Großes Potenzial für Eigenstromversorgung
Durch ein Fernwärmenetz mit niedrigeren Temperaturen könnte die Uni nicht nur unmittelbar Energie sparen – es wäre gleichzeitig auch ein wichtiger Schritt, um den Campus fit für regenerative Energien aus eigener Produktion zu machen.
„In Zeiten hoher Energiepreise machen sich Photovoltaik-Module auch in finanzieller Hinsicht bezahlt. Aber nur dann, wenn wir die erzeugte Energie auch selbst nutzen und sie nicht zu geringen Vergütungsbeträgen ins Netz einspeisen“, erklärt Lutz. „Hierfür gibt es auf dem Campus noch enormes Potenzial!“
Wirtschaftlich interessant kann für die Uni u.a. eine Kombination mit Wärmepumpen sein, die regenerative Energien für die Wärmeerzeugung im Gebäude nutzen. Die Umrüstung der Heizzentrale und des Fernwärmenetzes sind hierfür jedoch eine zwingende Voraussetzung. Denn Wärmepumpen können nur mit einem deutlich niedrigeren Temperatur-Level betrieben werden.
Stillstand im Blockheizkraftwerk
Warum sich die Umsetzung des neuen Energiekonzepts in vielfacher Hinsicht lohnt, macht auch die zweite Station der Führung deutlich.
Neben den Heizkesseln befindet sich in der Heizzentrale auch das unieigene Blockheizkraftwerk. Es wurde 2013 im Rahmen des Energiespar-Contractings in Betrieb genommen (mehr…). Es handelt sich um eine sehr effiziente Technologie, um aus Erdgas Strom zu erzeugen. Denn die entstehende Abwärme wird auf dem Campus gleichzeitig als Wärmeenergie genutzt. Der Gesamt-Wirkungsgrad der Anlage liegt bei rund 95 % Energieausbeute.
Hintergrund: Energiespar-Contracting |
---|
In Kooperation mit einem externen Dienstleister führte die Universität 2012 - 2018 ein sog. Energiespar-Contracting durch. In 6,5 Jahren finanzierten sich die umgesetzten Maßnahmen durch die erzielten Einsparungen. |
Das BHKW deckt rund 15 % des Wärmebedarfes und rund 30 % des Strombedarfes des Campus ab. Es ist so dimensioniert, dass es im Sommer die gesamte Wärmeversorgung übernehmen kann. Die ineffizienten Heizkessel können somit in den warmen Monaten nahezu komplett heruntergefahren werden.
Das Problem? Der riesige Gas-Motor des BHKW benötigt Kühlung – ähnlich wie der Motor eines Autos. Hierfür wird das abgekühlte Heizwasser aus dem Rücklauf des Fernwärmekreislaufs verwendet. Doch das Wasser kommt mit ca. 70 °C oder 80 °C zu warm zurück in die Heizzentrale. Gründe hierfür sind die hohen Vorlauftemperaturen sowie ein ungünstiger hydraulischer Abgleich und teils überdimensionierten Übergabestationen in den Uni-Gebäuden (s. unten).
Tatsächlich wäre für die Kühlung des BHKWs eine Rücklauftemperatur von ca. 50 - 55 °C ideal. Weil das Wasser nicht kalt genug ist, muss das BHKW immer wieder stillstehen, um nicht zu überhitzen.
„Die hohe Vorlauf-Temperatur ist für sich genommen schon eine Energieverschwendung. Doch der Stillstand des BHKW belastet uns finanziell sogar noch mehr. Denn in dieser Zeit muss die Uni teuren Strom zukaufen und über die gasbetriebenen Heizkessel mehr Wärme erzeugen. Mit neuer Brennwerttechnik könnten wir das BHKW ca. 1000 Stunden pro Jahr länger laufen lassen. So könnte die Uni jährlich rund 80.000 € sparen“, schätzt Lutz. „Dabei sind die höheren Betriebskosten für das BHKW bereits miteingerechnet.“
Hydraulischer Abgleich kann Energieverbrauch um bis zu 15% senken
Doch nicht nur in der Heizzentrale, sondern auch an den Gebäuden gibt es technische Herausforderungen. Lutz zeigt den Studierenden beispielhaft einen von ca. 80 Heizungsräumen: die sogenannten „Übergabestationen“. Hier wird die Wärmeenergie aus dem Fernwärmenetz mittels Wärmetauscher an einen gebäudeinternen Heizkreislauf übertragen. Eine Pumpe sorgt für die Zirkulation des Heizwassers in alle Heizkörper und wieder zurück.
In etlichen Campus-Gebäuden, z.B. im Hohenheimer Schloss, findet sich allerdings noch Uralt-Technik aus den 1970er Jahren.
Heizkörper, die sich nahe an der Pumpe befinden, werden hier mit zu viel Wasser durchströmt und mit heißerem Wasser versorgt als entfernt liegende („Einrohrtechnik“). Um eine Raumtemperatur von 19 °C zu erhalten, müssen Beschäftigte den Heizungsregler in ihren Büros unterschiedlich weit aufdrehen, je nach Entfernung von der Pumpe. Auch Energiesparmaßnahmen wie Nacht- und Wochenendabsenkung können aus diesem Grund nicht zuverlässig zentral gesteuert werden.
Abhilfe schaffen könnte der sogenannte „hydraulisch Abgleich“ in den Gebäuden. Dabei wird der tatsächliche Wärmebedarf in allen Räumen ermittelt und die Heizungsanlage entsprechend eingestellt.
Technische Voraussetzung dafür sind voreinstellbare Raumthermostate oder programmierbare Ventile an den Heizkörpern sowie eine zentrale Steuerungseinheit in der Übergabestation. Durch vergleichsweise geringe Investitionen könnte der Energieverbrauch so im jeweiligen Gebäude um ca. 5 – 15 % gesenkt werden, mancherorts sogar noch weiter.
Moderne Wärmetauscher und vernetzte Zähler
Ist ein Gebäude hydraulisch abgeglichen, kann in der Übergabestation als zweiter Schritt schließlich auch ein moderner passgenauer Wärmetauscher eingebaut werden. Preiswerte Systemlösungen haben den unmittelbaren Vorteil, dass weniger Temperatur bei der Wärmeübertragung verloren geht. Die neue Gerätegeneration ist zugleich aber auch eine wichtige technische Voraussetzung für die geplante Umstellung des Fernwärmenetzes auf das niedrigere Temperatur-Level.
„Last but not least benötigen wir auch neue Energiezähler, die über einen zentralen Energiemanagement-Server miteinander vernetzt werden können und automatisch tagesaktuelle Zahlen liefern“, erklärt Lutz. „Das ist wichtig, damit wir unüblich hohe Energieverbräuche schnell lokalisieren können. Bisher muss unser Team noch zu viele Zähler händisch ablesen. Das erschwert auch ein exaktes und kontinuierliches Monitoring von gebäudespezifischen Energiesparmaßnahmen enorm.“
Uni pocht auf technischen Masterplan
Allein um das Fernwärmenetz der Uni auf den Stand der Zeit zu bringen, ist eine lange Liste von Maßnahmen erforderlich. Der Rundgang macht deutlich: Alles hängt in gewisser Weise mit allem zusammen. Wo also anfangen? Aus Sicht von Wolfgang Lutz ergibt sich für die Umsetzung eine klare Reihenfolge:
- Hydraulischer Abgleich in den Gebäuden
- Modernisierung der Übergabestationen und moderne Regelungstechnik
- Dezentrale Wärme- und Dampfversorgung für die Mensa
- Neues Energiekonzept mit regenerativer Technik für die Heizzentrale
- Zügiger Ausbau von Photovoltaik und, wo sinnvoll, Wärmepumpentechnik
Soweit die Analyse des Hohenheimer Fachmanns. Doch: Voran geht es seit Jahren kaum. Das kann frustrieren. Zumal sich die Landesregierung eigentlich vorgenommen hat, dass alle Universitäten bis 2030 klimaneutral sein sollen.
„Eine Strategie, wie das konkret funktionieren soll, ist das Land bisher noch schuldig geblieben“, kritisiert auch Kanzlerin Dr. Katrin Scheffer. „Glaubhaft ist dieses Ziel nur, wenn es schnellstmöglich mit einem technischen Masterplan hinterlegt wird. Das fordern wir beim Landesamt für Vermögen und Bau mit großer Vehemenz ein. Weitere Themen neben der Wärmeversorgung sind dabei u.a. ein Kältekonzept oder energetisch wirksame Außen-Jalousien. Selbstverständlich bringen wir als Universität unsere Expertise sehr gerne bei der Erstellung des Masterplans mit ein.“
Text: Leonhardmair