Hohenheimer Lehrpreis 2021  [24.09.21]

Kreativ und motiviert, didaktisch durchdacht und gut begleitet: So sieht gute Lehre aus. Das kommt auch bei den Studierenden gut an. Auf Vorschlag der Fachschaften zeichnet die Uni Hohenheim jedes Jahr Dozent:innen mit dem Hohenheimer Lehrpreis aus, die sich auf diesem Gebiet besonders engagieren. Das Preisgeld von 10.000 Euro muss für lehrbezogene Zwecke verwendet werden. Dieses Jahr teilen sich den Preis Barbara Hellwig vom Institut für Angewandte Mathematik und Statistik und Benjamin Gaibler vom Fachgebiet Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht. Beide eint unter anderem der Wunsch, die Begeisterung für das eigene Fachgebiet weiterzugeben. Der Online-Kurier hat mit den beiden Ausgezeichneten gesprochen.


-
Frau Hellwig, Herr Gaibler, herzlichen Glückwunsch zum Hohenheimer Lehrpreis! Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?


Hellwig: Es gibt keine höhere Auszeichnung! Wenn gerade meine Adressaten, die Studierenden, das Gefühl haben, dass ich eine gute Lehre mache, freut mich das besonders.

Gaibler:
In erster Linie ist das natürlich eine tolle Wertschätzung. Ich muss zugeben, dass ich von der Nominierung durch die Fachschaft überrascht worden bin. Aber es ist nicht nur eine Anerkennung für meine Arbeit, sondern für das ganze Fachgebiet; wir geben uns alle sehr viel Mühe im Bereich der Lehre.

Hohenheimer Lehrpreis

Der Hohenheimer Lehrpreis ist ein Signal dafür, dass gute Lehre in Hohenheim einen großen Stellenwert hat. Er ist mit 10.000 Euro der höchstdotierte Preis der Uni Hohenheim Die Kandidat:innen werden von den Fachschaften nominiert. Das Preisgeld muss zweckgebunden für die Lehre eingesetzt werden.

Und was verstehen Sie persönlich unter „guter Lehre“?

Hellwig: Gerade bei Mathe gibt es oft Ängste und den Gedanken „Das schaffe ich nie!“ Da gilt es dann, das Interesse an Mathematik und die Motivation bei den Studierenden zu wecken. Mathe muss man nicht dämonisieren. Wenn man dranbleibt und sich damit auseinandersetzt, kann man es schaffen – und manchmal macht es dann sogar richtig Spaß! Und das möchte ich gerne vermitteln.

Voraussetzung ist, dass in der Lehre der Fokus auf dem Gegenüber liegt und auf dem, was bei ihm ankommt. Deshalb muss sich gute Lehre am Adressaten orientieren und auch auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Es geht ja nicht nur um eine schnelle Wissensaneignung kurz vor den Prüfungen, sondern deutlich darüber hinaus.

Gaibler: Gute Lehre setzt sich für mich aus vielen Aspekten zusammen. Da ist zum einen etwas, das man leider nicht lernen kann – die Erfahrung. Das betrifft sowohl die Klausurrelevanz des Stoffes, als auch die Möglichkeit, in der Vergangenheit bereits häufig gestellte Fragen vorweg zu beantworten, bevor sie erneut aufkommen. Dazu kommen Motivation – sowohl des Lehrenden als auch der Studierenden – und Authentizität. Wichtig ist es, die eigene Begeisterung weiterzugeben.

Letztendlich zählt für mich neben der Stoffvermittlung und der Einführung in die juristische Denkweise das Ergebnis, nämlich die erfolgreiche Vorbereitung auf die Klausur. Denn deshalb kommen die Studierenden in den Übungen primär zu mir. Natürlich ist auch der Blick über den Tellerrand hinaus interessant, und wo immer es geht, versuche ich auch ihn einzubauen.

Frau Hellwig, Sie haben zwei Formate entwickelt, die von den Studierenden sehr geschätzt werden. Können Sie uns mehr darüber erzählen?

Hellwig: Da ist zum einen der Mathe-Vorkurs für Anfänger:innen aller drei Fakultäten, der zwei Wochen vor dem eigentlichen Studienbeginn startet. Er soll eine Brücke von der Schulmathematik zur Hochschulmathematik bauen und den Studienanfangenden so den Zugang erleichtern. Deshalb steigen wir ganz tief unten ein, und frischen den Schulstoff der Mittel- und der Oberstufe auf.

Mit Unterstützung von studentischen Tutor:innen lösen die neu immatrikulierten Studierenden in kleinen Teams die Übungsaufgaben aus der morgendlichen Vorlesung. Ganz nebenbei werden so auch schon vor Studienbeginn erste Kontakte geknüpft und Lerngruppen gebildet, die oft noch lange während des Studiums bestehen bleiben. Außerdem können sich die Studierenden natürlich bei den Tutor:innen nicht nur über Mathe schlau machen, sondern auch wie das Leben auf dem Campus funktioniert.

Und zum anderen gibt es die Mathe-Praxis-Werkstatt, die die Studierenden in der Vorbereitung auf ihre Mathematik-Prüfungen unterstützen will. Das ist ein offener Lernraum, der einmal pro Woche angeboten wird und bei dem die Studierenden kommen können, wann sie möchten. Wir haben immer die Tür offenstehen. Das senkt die Hemmschwelle, einfach mal reinzukommen und sich ganz unverbindlich dazu zu setzen.

In der Werkstatt entscheiden die Studierenden selbst, mit welchen Themen und Übungen sie sich beschäftigen wollen. Wenn nötig, können sie dabei jederzeit Hilfe von den anwesenden Tutor:innen und mir bekommen. Besonders gut besucht ist die Werkstatt vor den Klausuren, wenn die Werkstatt täglich öffnet. Fast noch wichtiger finde ich die Extra-Termine vor den Nachklausuren, gerade auch für diejenigen, die die Hauptklausur nicht bestanden haben. Hier muss oft erst das Selbstwertgefühl wiederaufgebaut werden. In dieser Situation ist es besonders wertvoll, auf Schicksalsgenossen zu treffen.

Sie haben sich ja beide jeweils ein Fach ausgesucht, das die meisten eher als „trocken“ beschreiben würden. Wie schaffen Sie es trotzdem, die Studierenden in Ihren Übungen bei der Stange zu halten?

Hellwig: Mathe ist kein unüberwindbares Hindernis. Wer bereits mit lückenhaften Schulkenntnissen das Studium beginnt, ist meist wenig motiviert, sich mit dem Fach Mathematik zu beschäftigen und gerät schnell in eine Abwärtsspirale. Deshalb ist es mir und meinen Tutor:innen wichtig, zunächst einmal Vertrauen aufzubauen. Denn die Erwartungshaltung der Studierenden ist leider oft, dass sie keine Fragen stellen dürften. Treten in den Übungsgruppen Fragen oder Probleme auf, helfen wir gerne weiter. Dabei machen die Teilnehmenden die für sie oft überraschende Erfahrung „Ich darf ja fragen und das ist Ok.“

Nicht zu unterschätzen ist dabei auch die soziale und persönliche Komponente: Grundsätzlich unterstütze ich das Arbeiten in Teams. Das fördert nicht nur den Austausch untereinander, sondern macht auch viel mehr Spaß und das Lernen klappt dadurch viel besser. Ich sehe mich da durchaus als „Brückenbauerin“ und stelle manchmal den Kontakt von Studierenden zueinander her.

Gaibler: Ich verwende am Anfang einer Lehreinheit bewusst eine einfache Sprache und bringe Beispiele oder Praxisbezüge, um die Einstiegshürden möglichst niedrig zu halten. Dabei darf der juristische Sinngehalt natürlich nicht verfälscht werden. Auch Humor, Alltagsbezug und Erfahrung aus konkret erlebten, eigenen Mandaten erleichtern den Studierenden den Einstieg in die Materie. Im Verlauf der jeweiligen Einheit kann ich dann mehr und mehr in die Fachsprache wechseln.

Außerdem plane ich zu Beginn der Übung immer Zeit für Fragen ein. Dabei werden sowohl inhaltliche als auch organisatorische Fragen geklärt, um etwaige Unsicherheiten der Studierenden abzubauen.

Haben Sie sich in Didaktik weitergebildet oder ist das alles reines Bauchgefühl?

Hellwig: Sehr hilfreich bei der Implementierung und Weiterentwicklung dieser Formate ist meine didaktische Ausbildung. So habe ich das Baden-Württemberg-Zertifikat für Hochschuldidaktik erworben. Auch die Teilnahme an diversen Tagungen zur Didaktik der Hochschulmathematik hat für mich wertvolle Einsichten und Anregungen gebracht. Profitiert hat meine Lehre nicht zuletzt davon, dass ich selbst vier Kinder habe und ihr Umgang mit Mathematik ein weites Beobachtungsfeld für mich bietet.

Gaibler: Zu Gute kommt mir sicherlich, dass ich zunächst als Rechtsanwalt und später auch als Dozent in der Erwachsenenbildung gearbeitet habe und so etwas Praxiserfahrung sammeln konnte. Damals waren meine Veranstaltungen aber eher ein didaktischer „Blindflug“ und alles sehr aus dem Bauch heraus. An der Uni habe ich dann Kurse am Hochschuldidaktikzentrum HDZ besucht, die mir sehr weitergeholfen haben. Jetzt freue ich mich sehr über die Möglichkeit, wissenschaftliches Tätigsein und Lehre kombinieren zu können.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Corona-bedingten Umstellung auf Online-Lehre gemacht?

Hellwig: Im vergangenen Herbst haben wir den Vorkurs in Hybridform, also digitale und Präsenz-Werkstätten, angeboten. Dabei konnten die Teilnehmenden zunächst in einem von mir erstellten digitalen Selbsteinschätzungstest ihren Wissensstand ermitteln, wobei die Teilnahme an dem Test anonym ist. Ein extra erstelltes Lernmodul auf openILIAS mit den Inhalten, die in den Werkstätten besprochen werden, dient den Studierenden zur Auffrischung und Einübung der Inhalte und kann zudem als Nachschlagewerk verwendet werden. Auch die Mathe-Werkstatt konnte nicht in Präsenz stattfinden und wurde auf ein Zoom-Meeting umgestellt.

Da fehlt natürlich der unmittelbare Kontakt, vor allem auch unter den Studierenden. Der Austausch untereinander ist deshalb nicht so intensiv wie vor Corona, aber immer noch besser als gar nichts. Und offensichtlich ist die Hemmschwelle einmal unverbindlich bei einer Online-Veranstaltung vorbeizuschauen höher als bei einer Campus-Veranstaltung: Ich weiß ja vorher nie, was von mir erwartet wird, wenn ich einen Zoom-Raum betrete. Alles in allem waren die Teilnehmenden aber durchaus zufrieden und wussten das Angebot zu schätzen.

Gaibler: Seit Corona gibt es an unserem Fachgebiet ausschließlich Zoom-Veranstaltungen. Was ich dabei schätze, ist die Flexibilität. Ich kann zum Beispiel schnell mal einen aktuellen Gesetzestext aufrufen und besprechen, wenn es sich gerade aus dem Zusammenhang ergibt. Neben den technischen Herausforderungen kommt hier aber auch eine größere Anonymität hinzu, die ich überbrücken muss. Dadurch, dass die meisten Studierenden die Kamera nicht eingeschaltet haben, fehlt oft die Rückkoppelung. Wenn ich sonst im Hörsaal in fragende Gesichter blicke, weiß ich, dass ich den Stoff noch einmal erklären sollte. Das fehlt leider über Zoom.

Herr Gaibler, Ihre Übungen wurden schon vor Corona regelmäßig vom Studiendekan als „hervorzuhebende Lehrveranstaltung“ der Fakultät gewürdigt und sind auch bei den Studierenden sehr beliebt. Wie ist es Ihnen gelungen, die Teilnehmenden auch online mitzunehmen?

Gaibler: Die Studierenden wurden im vergangenen Wintersemester möglicherweise zum ersten Mal unter Corona-Bedingungen mit dem Öffentlichen Recht konfrontiert. Vieles musste notgedrungen in digitaler Form stattfinden. In den Übungen widmen wir uns in jeder Einheit einem konkreten Fall, dessen Lösung wir auf Basis des abstrakten Lernstoffs gemeinsam erarbeiten. Damit die Studierenden sich bereits im Vorfeld damit beschäftigen können, stellen wir den Fall ebenso wie die meisten verwendeten Lernmaterialien wie beispielsweise Powerpoint-Folien schon im Vorfeld über ILIAS zur Verfügung.

Dadurch schaffe ich einen Wiedererkennungswert und lenke die Konzentration mehr auf den Vortrag als auf das Abschreiben einer größeren Anzahl an Folien. Im Gegensatz zu einer Präsenzübung kann ich bei Zoom auch den jeweiligen Gesetzeswortlaut auf den Bildschirmen der Teilnehmenden anzeigen lassen und wichtige Zwischenschritte handschriftlich grob festhalten. Daraus entstehen dann wichtige Schemata, die die Teilnehmenden selbstständig wiederholen und bei der Lösung des Fall „abarbeiten“ können, um die Vorgehensweise zu verinnerlichen.

Damit die in der Übung verwendeten Formulierungen nochmals nachvollziehbar präsentiert und wiederholbar werden, stellen wir Musterlösungen zu den besprochenen Fällen in ILIAS bereit. Die Nacharbeit durch die Studierenden ist ausdrücklich erwünscht. Von ihnen erstellte Lösungen können mir im Nachgang per E-Mail eingereicht werden, die ich dann korrigiert und mit individuellem Feedback zurückschicke.

Gibt es etwas, was Sie auch nach der Corona-Zeit fortführen möchten?

Hellwig: Nach Corona möchte ich beides anbieten – Präsenz- und digitale Veranstaltungen, die flexibel besucht werden können. Es gibt ja Studierende, die den Campus meiden müssen, weil sie krank oder behindert sind. Oder Studierende, die an dem betreffenden Tag sonst keine Veranstaltung haben, können an der digitalen Werkstatt teilnehmen und müssen nicht extra an die Uni kommen.

Gaibler: Falls es machbar ist, möchte ich gerne wenigstens einen Teil der technischen Möglichkeiten mitnehmen, um flexibler zu sein. Fragt sich jedoch, ob das im Hörsaal möglich ist …

Der Hohenheimer Lehrpreis ist mit 10.000 € dotiert, die dieses Mal ja geteilt werden. Wissen Sie bereits, wofür Sie Ihren Anteil verwenden möchten?


Hellwig: Mein höchstes Gut sind die Tutor:innen. Ohne sie könnte ich das alles so nicht umsetzen. Das Geld werde ich für die Finanzierung von Stellen verwenden, falls es mal eng wird.

Gaibler:
Ich möchte damit Dinge finanzieren, für die sonst im normalen Uni-Budget kein Geld vorhanden ist. Was das konkret sein wird, werde ich gemeinsam mit meinem Fachgebietsleiter noch entscheiden.

Interview: Stuhlemmer


Zurück zu Themenservice