Er vermittelt Finanz-Kompetenz  [04.04.24]

Sein Thema ist die Unternehmensfinanzierung – doch was er lehrt und forscht, ist auch für Privatpersonen relevant: Prof. Dr. Daniel Hoang ist sich sicher, dass Finanz-Kompetenz nicht nur für Unternehmen, sondern für alle Menschen eine sinnvolle Sache ist. Seit 1.10.2023 leitet er das Fachgebiet „Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensfinanzierung“ an der Universität Hohenheim.


Sein Fachgebiet zeichnet sich durch die enge Verbindung von Theorie, Empirie und Praxisnähe sowie einen interdisziplinären Charakter aus. Für seine Lehre und Forschung fand Prof. Dr. Hoang in Hohenheim besonders gute Voraussetzungen vor: Das Datenlabor Hohenheim (DALAHO) schaffe Möglichkeiten in Forschung und Lehre, die so nur bei wenigen Unis in Deutschland umsetzbar wären, meint der Wissenschaftler.


Herr Hoang, was genau beinhaltet Ihr Fachgebiet „Unternehmensfinanzierung“?

Die Unternehmensfinanzierung ist ein Teilbereich der Finanzwirtschaft, die der Frage nachgeht, wie Kapital in der Ökonomie effizient verteilt wird. Es gibt einerseits Marktteilnehmende mit Kapitalüberhang, also etwa Haushalte, die für ihre Pension sparen. Und andererseits Marktteilnehmende mit Kapitalbedarf – wie Unternehmen mit profitablen Investitionsmöglichkeiten oder junge Familien. In der Finanzwirtschaft stellen wir uns im Allgemeinen die Frage, wie dieser Ausgleich von Kapitalangebot und -nachfrage effizient gestaltet werden kann.

Die Markteilnehmenden sind dabei grundsätzlich sehr heterogen: Das Spektrum reicht von privaten Haushalten über Finanzinstitutionen bis hin zu Unternehmen. Jeder dieser Akteure steht täglich vor der Herausforderung, Entscheidungen über die Beschaffung und Verwendung von Kapital treffen zu müssen.

Im Bereich der Finanzwirtschaft nimmt mein Fachgebiet „Unternehmensfinanzierung“ dabei die Perspektive der Unternehmung ein. Wir befassen uns somit primär mit der Frage, wie Unternehmen ihr Kapital am besten beschaffen und investieren sollten. Ein praktisches Beispiel dafür wäre die Entscheidung eines Unternehmens, ob es einen neuen Produktionsstandort mit Eigen- oder Fremdkapital finanzieren soll. Diese und ähnliche Entscheidungen zu analysieren und zu optimieren, ist Kern des Fachgebiets „Unternehmensfinanzierung“ in Forschung und Lehre.

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Wie sieht das in Forschung und Lehre aus?

Ein charakteristisches Merkmal meiner Forschung ist die Anwendung ganz unterschiedlicher wissenschaftlicher Methoden, je nach Forschungsfrage. Ich selbst habe beispielsweise als Theoretiker mit formaltheoretischen Modellen begonnen zu forschen, später kamen empirische Methoden hinzu. In meinen Forschungsarbeiten versuche ich üblicherweise eine Verbindung zwischen formaltheoretischen, i.d.R. stark vereinfachten Modellen und der empirischen Überprüfung dieser Modelle mit realen Daten herzustellen. Auch meine Vorlesungen beinhalten neben institutionellem Wissen und Praxisanwendungen auch immer formaltheoretische und empirische Elemente. Eine klare Verbindung dieser beiden Aspekte ist ein wesentliches Charakteristikum meines Fachgebiets.

Zudem ist Interdisziplinarität ein zentraler Bestandteil in Lehre und Forschung. Sowohl die Inhalte meiner Lehrveranstaltungen als auch meine Forschungsprojekte weisen viele Schnittstellen zu anderen Disziplinen der Wirtschaftswissenschaften auf, wie etwa zum Rechnungswesen, zur Unternehmensstrategie oder Industrieorganisation. Durch die Integration von Konzepten und Methoden aus angrenzenden Disziplinen können wir Fragestellungen der Unternehmensfinanzierung aus einer breiten Perspektive betrachten.

Das heißt, Sie haben einen engen Bezug zur Praxis?

Selbstverständlich. Wir betrachten ein Unternehmen aus der Perspektive eines CEOs, d.h. eines Chief Executive Officers bzw. Vorstandsvorsitzenden: Was ist die optimale Finanzierungsstruktur für das Unternehmen? Welcher Anteil soll durch Fremdkapital gedeckt sein, welcher durch Eigenkapital? Welche Investitionen sind sinnvoll? Diese grundlegenden Überlegungen erfordern ökonomisch fundierte Entscheidungen, da Unternehmen in der Regel nur über ein limitiertes Budget verfügen.

Diese Überlegungen beschränken sich jedoch nicht nur auf Unternehmen. Auch beispielsweise ein Dekan oder ein Rektor einer Universität und sogar private Haushalte stehen vor ähnlichen Entscheidungen. Die Fähigkeit, kapitaleffiziente Entscheidungen zu treffen, ist daher grundsätzlich für viele Bereiche relevant – innerhalb und außerhalb von Unternehmen.

Mein Ziel ist es deshalb, die Studierenden darauf vorzubereiten kapitaleffiziente Entscheidungen zu treffen. Finanzielle Kompetenz und finanzielle Bildung ist für jeden Menschen und in jeder Lebenslage von Nutzen. Insofern ist die Praxisrelevanz meines Fachgebiets nicht nur auf den beruflichen Kontext beschränkt.
Was ist es, das Sie an Ihrem Themengebiet fasziniert?

Ich finde es faszinierend, dass mein Themengebiet sowohl analytisch anspruchsvoll als auch vielfältig in Bezug auf die anwendbaren Techniken ist. Es ist sehr strategisch angelegt und immer mit grundlegenden Entscheidungen verknüpft. Nehmen Sie beispielsweise eine Entscheidung von Unternehmen wie Tesla, eine neue Fabrik zu bauen, oder die Überlegungen, die in die Finanzierung einer innovativen Idee eines Start-up-Gründers fließen. Zudem schätze ich, wie schon erwähnt, die Interdisziplinarität meines Fachgebiets.

Wie war denn Ihr Weg bis Hohenheim?

Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen am Karlsruher Institut für Technologie studiert. Dieses Studium stellte für mich die ideale Kombination aus Betriebswirtschaftslehre, Technik und formaltheoretischen Modellen dar. Schon meine ersten Finance-Vorlesungen haben mich in besonderem Maße für das Fach motiviert. Und ich hatte das Glück, während meiner Zeit in Karlsruhe gute Vorbilder in Forschung und Lehre zu haben, die mich stark inspirierten.

Im Laufe meines Studiums habe ich mich dann zunehmend auf den Bereich Finance spezialisiert. Promoviert habe ich ebenfalls in Karlsruhe. Einen großen Teil meiner Promotionszeit verbrachte ich aber auch an der University of California in Berkeley. Diese Zeit war sehr prägend für mich – dort konnte ich ein internationales Netzwerk aufbauen und lernen, wie man Forschungsarbeiten erfolgreich in international anerkannten Zeitschriften veröffentlicht.

Zudem verbrachte ich sechs Jahre in der Praxis, als Managementberater in der Industrie. Diese Erfahrungen waren sehr lehrreich, insbesondere bei der Beratung großer Unternehmen im Bereich der Unternehmensfinanzierung. Ich lernte viel, merkte aber, dass mir der tiefere Einblick in spezifische Fragestellungen fehlte, den ich aus der akademischen Welt kannte. Dies führte letztendlich zu meiner Entscheidung, in die Wissenschaft zurückzukehren.

Eine gute Entscheidung. Was sind denn momentan Ihre Forschungsthemen?

Aktuell widmen mein Team und ich uns in einem DFG-Projekt der Frage, ob Unternehmen eine effiziente Kapitalverteilung vornehmen. Ein wesentliches Ergebnis unserer Untersuchung ist, dass für Unternehmen ein zentrales Kriterium für die Kapitalverteilung ist, wer das Investitionsprojekt leitet.

Unternehmen scheinen also bei der Kapitalallokation einer Art „Pferd und Jockey“-Prinzip zu folgen, wobei dem „Jockey“, also der leitenden Person eines Investitionsprojekts, z.B. dem Leiter einer Unternehmenseinheit, im Rahmen der Kapitalallokation oft eine größere Bedeutung beigemessen wird als dem „Pferd“, d.h. dem Projekt, selbst. Unsere Untersuchung zeigt auch, dass sich diese Form der Kapitalallokation als besonders effizient erweist und den Unternehmenswert steigern kann.

Zudem haben wir im Rahmen des Projekts eine neue Methode entwickelt, um die Fähigkeiten von Managern, im Englischen „Managerial Ability“ bezeichnet, auf Basis von Daten des externen Rechnungswesens zu quantifizieren. Konkret stellen wir empirisch fest, dass CEOs dazu neigen, fähigeren Managern, also besseren „Reitern“, unabhängig von deren konkreten Projekten, tendenziell größere Kapitalbudgets zuzuweisen. Unsere Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass diese Fokussierung auf den „Jockey“ in der Kapitalvergabepraxis der Unternehmen zu einer verbesserten Unternehmensleistung führt und somit eine effiziente Kapitalverteilung fördert.

Spannend. Wie können sich denn Studierende an Ihrer Forschung beteiligen?

Vor allem über Abschlussarbeiten. Zum einen gibt es praxisorientierte Abschlussarbeiten, die auf realen Anwendungsfällen beruhen und teilweise in Zusammenarbeit mit Unternehmen entwickelt werden. Zum anderen können Studierende an kleinen Teilprojekten arbeiten, die sich aus unseren laufenden Forschungsvorhaben ergeben. Bei letzterem handelt es sich zum Beispiel um eine Überprüfung von empirischen Ergebnissen mit alternativen Methoden oder Modellspezifikationen, oder die Übertragung von Ergebnissen auf andere Länder oder Zeiträume.

Die Studierenden erhalten somit die Möglichkeit, eigenständig Verantwortung im Rahmen echter Forschungsprojekte zu übernehmen. Es ist allerdings zu beachten, dass unsere Forschungsprojekte durchschnittlich vier bis sechs Jahre dauern, was bedeutet, dass der Einfluss z.B. einer zweimonatigen Bachelorarbeit naturgemäß sehr beschränkt ist.

Neben forschungsnahen Abschlussarbeiten biete ich im Rahmen des Curriculums für die Bachelor- und Masterstudiengänge auch Forschungsseminare an, u.a. mit starkem empirischen Anwendungsbezug. In einem dieser Seminare diskutiere ich mit den Studierenden ausgewählte wissenschaftliche Arbeiten im Stil eines „Inverted Classroom“, wobei die Studierenden die Inhalte aktiv vorbereiten.

Datenlabor Hohenheim (DALAHO)

Die Fakultät WiSo hat 2014 das DALAHO gegründet. Seit 2018 wird es von der Core Facility Hohenheim - Modul „Data & Statistical Consulting“ betreut. mehr


Ein anderes Seminar konzentriert sich auf die direkte Replikation empirischer Studien. Dabei replizieren die Studierenden existierende wissenschaftliche Untersuchungen mit echten Daten des DALAHO. Diese Möglichkeit zur praktischen Anwendung empirischer Forschungsmethoden mit realen Daten ist außergewöhnlich und in Deutschland nur an wenigen Hochschulen möglich. Das DALAHO bietet hierfür hervorragende Ressourcen und eröffnet den Studierenden ideale Möglichkeiten, praktische Erfahrung in der Datenanalyse und Forschungsmethodik zu sammeln.

Was bedeutet für Sie gute Lehre?

Gute Lehre ist eine Verbindung von „Training“ und „Education“. Training ist praxisnah, muss sich dynamisch an Veränderungen anpassen und die Studierenden in die Lage setzen im Job umgehend einsatzfähig zu sein. Education ist tiefer verwurzelt, hat eine lange Halbwertszeit und verändert das grundlegende Denken über Zusammenhänge, z.B. über die Ökonomie. Diese Mischung muss sichergestellt sein.

Zweitens muss gute Lehre interdisziplinär sein. Nur so versteht man, wie ein Teilbereich mit anderen Bereichen wie Unternehmensstrategie oder Rechnungswesen verknüpft ist.

Und drittens sollten die Studierenden verstehen, warum der Lernstoff nicht nur für ihren Job, sondern grundsätzlich Relevanz besitzt. Wie schon gesagt: Finanz-Kompetenz ist für alle Menschen wichtig.

Wie erreicht man das?

FG Betriebswirtschaftslehre, insb. Unternehmensfinanzierung

Seit dem 1.10.2023 leitet Prof. Dr. Daniel Hoang das Fachgebiet in der Fakultät W, nachdem die Vorgängerin Prof. Dr. Tereza Tykvová an die Universität St. Gallen wechselte. mehr


Durch Interaktion mit Studierenden, es braucht den Austausch. Und Lehrende müssen darauf eingehen, dass die Studierenden unterschiedliche Backgrounds und Interessen haben. Lehre im Gießkannenprinzip funktioniert nicht.

Haben Sie einen speziellen Tipp für ein erfolgreiches Studium?

Nehmen Sie das Studium ernst, sehen Sie es nicht nur als Türöffner für einen beliebigen Job. Und nutzen Sie die Zeit an der Uni, um sich persönlich und professionell weiterzubilden. Schließlich nimmt die Zeit im Beruf später den größten Teil Ihres Lebens ein – mehr als 40 Jahre. Im Studium können Sie sich unterschiedliche Dinge ansehen und Ihre Interessen ausloten.

Eine Abschlussfrage noch, Herr Hoang: Was machen Sie denn nach Feierabend?

In meiner Freizeit verbringe ich viel Zeit mit meinen beiden Kindern. Und als Ausgleich zu meiner kopflastigen Arbeit betreibe ich Fitnesssport. Wenn ich Zeit habe, lese ich auch gerne – sehr oft auch wissenschaftliche Studien von meiner Leseliste, die sich über ein Semester hinweg füllt.

Herzlichen Dank für das Gespräch!


Interview: Elsner / Klebs


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