Uni in der Energiekrise  [08.07.22]

Mehrere Millionen Euro zusätzlich für Energie: Auf eine solche Kostenexplosion muss sich Uni Hohenheim möglicherweise noch in diesem Jahr gefasst machen. Um massive Einschnitte in Forschung und Lehre abzuwenden, bitten die Universitäten jetzt das Land um Hilfe. Gleichzeitig ist Energiesparen das Gebot der Stunde, sagt Kanzlerin Katrin Scheffer beim Kaffee mit dem Online-Kurier. Alle Uniangehören können dazu im Alltag einen wichtigen Beitrag leisten.



-
Frau Scheffer, der russische Angriffskrieg treibt die Energiepreise in schwindelerregende Höhen. Das volle Ausmaß wird voraussichtlich erst in den kommenden Monaten bei den Verbrauchern ankommen. Im Winter könnte es in Deutschland sogar zu einem Gas-Engpass kommen.

Wie beobachten Sie die aktuelle Situation?

Mit großer Sorge. Wir sind eine Einrichtung mit rund 2.100 Beschäftigten und 9.000 Studierenden. Wir betreiben energieintensive Spitzenforschung und Landwirtschaft. In Sachen Strom und Gas haben wir den Bedarf einer Kleinstadt.

Bisher sind in unserem Haushalt rund 5,5 Mio. € pro Jahr für Energie vorgesehen. Voraussagen sind im Moment extrem schwierig. Doch aktuellen Prognosen zufolge ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Kosten verdreifachen könnten – möglicherweise noch in diesem Jahr. Das wäre mehr Geld, als alle drei Hohenheimer Fakultäten zusammen an Haushaltsmitteln für Forschung und Lehre erhalten.

Zum Thema

Sie haben weitere Vorschläge fürs Energiesparen? Teilen Sie diese in der Kommenarspalte im Online-Kurier oder per Mail an: energiemanagement@verwaltung.uni-hohenheim.de

Wir haben angesichts der Entwicklungen frühzeitig eine gewisse Vorsorge getroffen und könnten aus unserem Risikopuffer eine Kostensteigerung von bis zu 30% abfedern. Mehrere Millionen Euro zusätzlich haben wir hingegen nicht auf der hohen Kante. Zumal es seitens des Landes enge Vorgaben zur Rücklagenbildung gibt und so genannte „Ausgabereste“ in der kameralen Logik des Landes immer kritisch beäugt werden. Auch Kredite dürfen wir als Universität nicht aufnehmen.

Unternehmen geben ihre höheren Ausgaben über die Preise an die Kunden weiter. Eine solche Möglichkeit steht uns naturgemäß ebenfalls nicht offen

Zusammengefasst: Die Lage ist ernst.


Wenn wir keine Hilfe vom Land erhalten, könnten wir die Kostenexplosion nur durch empfindliche Einschnitte auffangen, die bisherige Sparprogramme deutlich übersteigen. Alle Landesuniversitäten stehen hier vor dem gleichen Problem. Zwar erhalten wir als Inflationsausgleich vom Land jährlich rund +3% auf unseren Grundhaushalt. Doch das reicht schon angesichts der aktuellen Preissteigerungen nicht aus; die Inflation liegt bei rund 8%.

Zudem ist just unser Budget für Energie von der jährlichen Dynamisierung ausgeklammert. Als Ausgleich für die Energiekostensteigerungen, die über viele Jahre aufgelaufen sind, wurden die Energie-Budgets der Unis 2015 einmalig erhöht. Mit der neuen Hochschulfinanzierungsvereinbarung wurden sie aber erneut auf diesem Niveau festgeschrieben und werden nicht mehr gesteigert.

Bei Hochschulen und anderen Landeseinrichtungen ist dieser Punkt übrigens anders gelöst: Ihre realen Energiekosten werden direkt in voller Höhe vom Land finanziert.

Das Finanzierungsmodell der Universitäten stellt uns nun vor sehr große Probleme. Die Unis haben sich deshalb gemeinsam mit einem dringenden Appell an die Landesregierung gewendet und um finanzielle Unterstützung gebeten. Denn es handelt sich aktuell nicht um „normale“ Entwicklungen, deren Ausgleich man von uns als Universitäten erwarten kann. Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation.

Ist der Hilferuf angekommen?

Ja, es gibt erste Signale, dass die Unis einen finanziellen Ausgleich erhalten sollen. Doch weder wissen wir, wie sich die Energiepreise tatsächlich entwickeln, noch in welchem Umfang das Land einspringen wird. Wir müssen also mit vielen Unsicherheiten kalkulieren.

Das gilt übrigens nicht nur jetzt im Moment, sondern wohl auch in den kommenden Jahren. Denn unser Gas-Vertrag läuft 2022 aus und es ist abzusehen, dass sich die Konditionen verschlechtern werden. Gasanbieter werden versuchen, das Risiko von Preisschwankungen so stark wie möglich auf die Verbraucherseite zu verlagern.

Für die Jahre 2023 bis 2025 haben wir uns wieder an einer gemeinsamen Landesausschreibung beteiligt, um ein bestmögliches Ergebnis erzielen zu können. In einer ersten Runde wurde jedoch kein Angebot für uns abgegeben und wir müssen erneut ausschreiben.

Der Bundeswirtschaftsminister hat die zweite Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Damit gilt Gas in Deutschland als „knappes Gut“. Alle Verbraucher sind zu Einsparungen aufgerufen bzw. zu einem Umstieg auf andere Energieträger.

Welchen Beitrag kann die Uni Hohenheim hier leisten?

Das prüfen wir im Moment. Die Uni verwendet Erdgas in erster Linie, um im Heizwerk Wärme zu erzeugen, die anschließend über Wärmenetze auf dem Campus verteilt wird. Im Jahr 2021 lag der Wärmeverbrauch bei etwa 53.800 Megawattstunden. Das entspricht etwa 15.000 Zwei-Personen-Haushalten. Außerdem betreiben wir ein Blockheizkraftwerk mit Gas, was zur Wärme- und Stromgewinnung genutzt wird und damit sehr effizient ist.

Alternativ könnten unsere Heizkessel auch mit Öl erhitzt werden, das Blockheizkraftwerk hingegen nicht. Öl ist zwar ebenfalls teuer und die Klimabilanz ist schlechter als bei Gas, doch es könnte kurzfristig zur Versorgungssicherheit im Winter beitragen.  

Minister Habeck hat ein Auktionsmodell ins Spiel gebracht, das Unternehmen bzw. Einrichtungen belohnt, die ihren Gasverbrauch zugunsten anderer Energieträger senken. Wenn die genauen Konditionen vorliegen, werden wir entscheiden, ob und welchen Umfang wir uns daran beteiligen.

Am besten wäre es natürlich, nicht nur auf andere Energieträger zu wechseln, sondern den Verbrauch zu senken.

So ist es. Und zwar nicht nur im Hinblick auf die aktuelle Energiekrise, sondern auch, um unsere Klimaziele zu erreichen. Kurzfristig – also mit Blick auf den kommenden Winter – sind unsere Möglichkeiten jedoch begrenzt.

Ein Ansatzpunkt ist der Ersatz energieintensiver Altgeräte durch neue energiesparende Modelle. Das ist ein Fokus unserer aktuellen Investitionsrunde. Darüber hinaus können wir nennenswerte Einsparungen in den kommenden Monaten jedoch voraussichtlich nur mit Hilfe der Uni-Angehörigen erzielen.

Wir appellieren deshalb dringend an alle Beschäftigten und Studierenden: Bitte tragen Sie im Alltag durch bewusstes Verhalten zum Energiesparen bei!

Wo sehen Sie die größten Einsparpotenziale im Alltag?

Insbesondere sollte die Heizung während der kalten Monate angemessen reguliert werden. Die Thermostatventilstellung 3 entspricht 20°C. Es wird im Raum im Übrigen nicht schneller warm, wenn eine höhere Ventilstellung gewählt wird. Nachts und am Wochenende sollte eine Ventilstellung von 1-2 gewählt werden, in Nebenräumen 0,5 oder Frostsicherung (*). Wichtig zu wissen ist, dass ein Grad Temperaturerhöhung etwa 6% mehr Energie kostet.

Auch Stromsparen ist relevant: Denn Gas wir z.T. auch zur Stromerzeugung genutzt und es gibt Ausweichbewegungen zwischen den Energieträgern. Mit Blick auf den Klimawandel ist Stromsparen natürlich generell sehr sinnvoll.

Bildschirme, PCs und Lampen benötigen verhältnismäßig viel Energie. Schon wenn man in die Mittagspause oder zu einem längeren Termin geht, sollte man darauf achten, den Bildschirm oder den PC abzuschalten. Am Abend und am Wochenende natürlich sowieso. Generell gilt es, den Standby-Modus zu vermeiden und Geräte lieber komplett ausschalten. Auch das Licht sollte nicht unnötig brennen.

Auch lohnt sich ein genauerer Blick auf die Geräte, die alltäglich im Einsatz sind.

Woran denken Sie hier insbesondere?

Ein Beispiel sind Bildschirme: Ältere Modelle verbrauchen durchaus 55 bis 60 Kilowattstunden, neuere nur zwischen 13 und 20 kWh. Wenn Bildschirme von Größe und Leistung her ähnlich sind, sollten Kolleg:innen, die besonders viel vor Ort sind, an den neueren Modellen arbeiten. Die älteren Modelle können dann an Arbeitsplätzen zum Einsatz kommen, die nicht ständig genutzt werden.

Ebenfalls ist es sinnvoll zu überprüfen, ob z.B. der Kühlschrank in der Teeküche wirklich genutzt wird oder häufig fast leer ist. Vielleicht lassen sich ja andere Lösungen finden. In einigen Bereichen gibt es auch noch ältere Durchlauferhitzer am Waschbecken. Schalten Sie den Dauerbetrieb aus und verwenden Sie die Geräte nur zur kurzfristigen Bereitung von Warmwasser.

Unterstützen können bei all diesen Maßnahmen z.B. Steckdosenleisten mit Schalter oder kleine Reminder an der Türklinke etc. Weitere Tipps gibt der Flyer „Energie sparen am Arbeitsplatz“. Zusätzliche Info-Maßnahmen und Veranstaltungen sind geplant. Unter anderem wollen wir im Herbst im Rahmen von Hohenheim LIVE über die Auswirkungen der Energiekrise sprechen.

Wir freuen uns zudem über Anregungen und weitere Vorschläge zum Energiesparen – tragen Sie diese doch einfach in die Kommentare ein. Gern gehen wir auch konkreten Hinweisen auf Einsparpotenziale nach.

Bewusstes Verhalten im Alltag ist zweifellos wichtig. Aber ist das alles letztlich nicht bloß ein Tropfen auf den heißen Stein?

So mag es auf den ersten Blick vielleicht erscheinen. Doch man darf nicht vergessen, dass sehr viele Menschen an der Universität arbeiten und lernen. Wenn alle ihr Verhalten anpassen, fällt das durchaus ins Gewicht.

Unsere Energiemanagerin hat letztes Jahr z.B. berechnet, dass es einen Unterschied von ca. 16.250 Kilowattstunden pro Jahr macht, ob alle Bildschirme in der Mittagspause laufen oder ausgeschaltet sind. Das entspricht in etwa einem jährlichen Stromverbrauch von drei 4-Personen-Haushalten. Bei Heizung, Warmwasser & Co könnte die Uni ihrer Einschätzung zufolge durch bewusstes Verhalten bis zu 9% an Energie einsparen.

Richtig ist aber natürlich, dass wir mit Verhaltensänderungen allein unsere Klimaziele nicht erreichen werden. Wir arbeiten deshalb mit hoher Priorität an einer Strategie, wie wir mittel- und langfristig noch weiter Energie einsparen können. Vorüberlegungen dazu sollen in den neuen Struktur- und Entwicklungsplan Eingang finden. Leider ist die Sache aber nicht ganz so einfach.

Wo liegt das Problem?


Ganz generell gilt, dass sich die größten Einsparungen durch Baumaßnahmen erreichen lassen, z.B. energieeffiziente Neubauten oder Verbesserung unserer technischen Infrastruktur. Beispielsweise sind unsere Vor- und Rücklauftemperaturen im Heizkreislauf sehr hoch eingestellt. Wir können sie aber nicht einfach senken. Da unser Netz nicht hydraulisch abgeglichen ist, wäre eine Unterversorgung einer ganze Reihe von Gebäuden die Folge.

Ein hydraulischer Abgleich ist aufwändig und mit einer Vielzahl von Maßnahmen in unterschiedlichen Gebäuden verbunden. Doch es ist eine Investition in die Zukunft. Denn wir würden damit nicht nur Energie sparen und Wärmeverluste reduzieren, sondern unser Netz gleichzeitig auch fit für den Einsatz regenerativer Energien machen.

Für Bau- und Sanierungsmaßnahmen sind wir als Universität aber nicht unmittelbar zuständig, sondern das Landesamt für Vermögen und Bau („Universitätsbauamt“) im Finanzministerium. Seitens der Universität können wir an dieser Stelle nur Vorarbeit leisten, d.h. Bedarfe und Prioritäten formulieren. Das Rektorat hat dazu u.a. beschlossen, eine umfassende Treibhausgas-Bilanzierung durchzuführen. Diese erfolgt derzeit in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Nachwachsende Rohstoffe in der Bioökonomie.

Gibt es nicht auch Modernisierungen, die sich ohne große Baumaßnahmen durchführen lassen?

Ja, allerdings haben wir sehr vieles davon bereits 2012 bis 2019 im Zuge eines sogenannten Energiespar-Contractings umgesetzt.

Ein externer Investor stellte damals mehrere Millionen Euro zur Verfügung, damit die Heiz- und Regelungstechnik in über 70 Gebäuden modernisiert werden konnte. Die Rückzahlung erfolgte direkt aus den eingesparten Energiekosten – ohne Belastung für das Baubudget. Inzwischen sind die Investitionen abbezahlt und wir profitieren voll von den Einsparungen.

Im Vergleich zu anderen Unis waren wir hier bei den Vorreitern. Natürlich sind wir weiterhin auf der Suche nach Maßnahmen, die sich auf ähnlichem Weg realisieren lassen, doch das Potenzial ist an vielen Stellen bereits ausgeschöpft. Maßnahmen, die nun anstehen, sind mit vergleichsweise hohem Aufwand verbunden und rechnen sich erst über einen längeren Zeitraum.

Wir prüfen aber eine neue Modernisierungsrunde. Das Land hat die Möglichkeiten hierfür erweitert und bietet nun auch ein anderes Modell an: Das sogenannte „Intracting“. Statt eines externen Investors würde in diesem Fall das Land selbst die notwendigen Gelder vorschießen. Leider konkurrieren derartige Projekte im Landesamt für Vermögen und Bau aktuell jedoch mit vielen weiteren wichtigen Baumaßnahmen auf dem Campus.

Warum kommt es bei Bauprojekten auf dem Campus denn im Moment zu so großen Verzögerungen?

An gutem Willen der Mitarbeiter:innen des Landesamts für Vermögen und Bau mangelt es nicht. Hintergründe sind viel mehr der Fachkräftemangel und die aktuellen Lieferengpässe sowie aufwendige Verfahren.

Außerdem machen uns auch immer wieder bürokratische Hürden das Leben schwer. Beispielsweise haben wir seit Monaten eine betriebsfertige Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Neubaus Bienenkunde. Doch die Vorgaben des Erneuerbare-Energie-Gesetzes sind so kompliziert, dass die Gespräche zwischen Erbauerfirma und dem Netzbetreiber noch immer andauern und sich die Übergabe an die Universität und die Inbetriebnahme weiter verzögern. Von anderen Unis wissen wir, dass das kein Einzelfall ist.

Klar ist aber auch: Wenn es dem Land ernst damit ist, dass alle Universitäten als Teil der Landesverwaltung bis 2030 weitgehend klimaneutral sein sollen, werden die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen. Wir hoffen deshalb, dass die Landesregierung die aktuelle Energiekrise als Weckruf versteht, alle notwendigen Investitionen und Initiativen jetzt massiv zu beschleunigen.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Leonhardmair


Zurück zu Themenservice