Rückenwind für E-Prüfungen  [09.06.22]

Computergestützte Klausuren sind an der Uni Hohenheim noch immer eine Ausnahme. Doch das könnte sich bald ändern. Denn die bisherigen Erfahrungen sind sehr positiv – und E-Prüfungen bieten in didaktischer Hinsicht ein enormes Potenzial, erklären Silke Meyer und Oliver Herrmann beim Kaffee mit dem Online-Kurier. Als Projektmitarbeiter von PePP („Partnerschaft für innovative E-Prüfungen“) bieten sie an der Uni Hohenheim u.a. individuelle Beratung für Lehrende an und arbeiten daran, dass Studierende künftig auch eigene Laptops für E-Prüfungen nutzen können.


Das Projekt PePP ist ein Verbundprojekt der neun Universitäten des Landes Baden-Württemberg. Gefördert wird es durch die Stiftung Innovation in der Hochschullehre.

-
Das Projekt PePP dreht sich um elektronische Prüfungen. Was genau ist darunter eigentlich zu verstehen?

Herrmann: In unserem Projekt stehen computergestützte Prüfungen im Fokus, die in der Regel in speziell ausgestatteten Räumen auf dem Campus durchgeführt werden. Es handelt sich also um eine elektronische Variante einer schriftlichen Prüfung. Davon zu unterscheiden sind Online-Prüfungen, die Studierende prinzipiell von jedem Ort aus ablegen können, z.B. auch als mündliche Prüfungen per Video-Konferenz.

Über Online-Prüfungen wurde während der Pandemie an vielen Hochschulen intensiv diskutiert. Bisher kommen sie aber nur vereinzelt zum Einsatz, da es noch zahlreiche technische, rechtliche und praktische Herausforderungen gibt. Im Projekt PePP wollen wir hier Vorarbeiten leisten.

Meyer: Computergestützte Prüfungen sind hingegen schon längst gelebte Praxis. An der Uni Hohenheim wurden sie bereits vor der Pandemie in begrenztem Umfang eingesetzt – und wir sehen großes Potenzial für eine Ausweitung in den kommenden Semestern.

Die Erfahrungen aus den Pilotversuchen sind sehr positiv und die Umsetzung ist kein Ding der Unmöglichkeit. Wir möchten Lehrende deshalb gerne ermutigen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zu entdecken, welche Möglichkeiten die elektronischen Prüfungen bieten. Bei der konkreten Umsetzung beraten wir gerne individuell.

Welche Vorteile bieten E-Prüfungen denn gegenüber herkömmlichen Prüfungen? Geht es darum den Korrekturaufwand bei großen Klausuren zu reduzieren?

Meyer: Die automatisierte Bewertung ist häufig eine der ersten Assoziationen. Das kann bei einigen Prüfungsformaten eine Option sein, wenn sie nach dem Multiple-Choice-Prinzip aufgebaut sind. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Arbeitsersparnis meist erst nach einer gewissen Zeit eintritt.

Tatsächlich liegt das größere Potenzial von elektronischen Prüfungen aus unserer Sicht aber anderswo – und zwar auf der didaktischen Ebene. Eine gute Klausur zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass nicht nur auswendiggelerntes Wissen abfragt wird, sondern Studierende Kompetenzen einsetzen können, die sie in der Lehrveranstaltung erworben haben.

E-Klausuren bieten hierfür ganz neue Möglichkeiten, beispielsweise erweitern Videos, Graphiken und interaktive Tools das Repertoire für die Gestaltung der Prüfung. Übrigens kann das alles auch schon vor der eigentlichen Klausur, also begleitend zur Lehrveranstaltung eingesetzt werden.

Das müssen Sie erklären…

Meyer: Eine gelungene Lehrveranstaltung zeichnet sich dadurch aus, dass Studierende nicht erst in der letzten Minute für eine Klausur lernen, sondern sich kontinuierlich mit dem Stoff auseinandersetzen. So verankert sich das Wissen nachhaltig und der Stress vor der Prüfung nimmt ab. Fragen, die im Stil der E-Klausuren gestaltet sind, können dazu schon begleitend zur Lehrveranstaltung an die Studierende herausgegeben werden. Das schafft Anreize für das aktive Mitlernen.

Der Vorteil: Studierende machen sich im Vorfeld bereits spielerisch mit dem Format der E-Prüfung vertraut und können ihren Wissenstand selbst testen. Es ist auch möglich, die Fragen in unterschiedliche Schwierigkeitsgrade einzuteilen. Studierende werden so an ihrem jeweiligen Wissenstand abgeholt. Und gleichzeitig erzeugt es einen gewissen Ansporn, das nächste „Level“ zu erreichen. Elektronische Prüfungsfragen können auch für eine Zwischenevaluation genutzt werden oder als Möglichkeit, sich Zusatzpunkte für die Prüfung zu verdienen.

Erfahrungsgemäß werden solche Angebote von Studierenden sehr gut angenommen.

Noch ein paar Worte zu PePP: Worum geht es im Projekt genau?

Herrmann: PePP ist ein Projektverbund der baden-württembergischen Universitäten. Wir arbeiten hochschulübergreifend eng zusammen, um technische und rechtliche Herausforderungen im Zusammenhang mit den E-Prüfungen zu bewältigen und innovative didaktische Konzepte zu entwickeln. Wir wollen so den Weg ebnen, dass elektronische Prüfungen künftig ein integraler Bestandteil bei der Weiterentwicklung der Hochschullehre in Baden-Württemberg sein können.

Uni mitgestalten

Wie wollen wir 2030 an der Uni Hohenheim forschen, lehren und lernen?

An der Uni Hohenheim untergliedert sich PePP in zwei Teilprojekte: Ein technisches und ein didaktisches. Die zwei zugehörigen Projektstellen sind an der Arbeitsstelle Hochschuldidaktik und beim KIM angesiedelt. Wir arbeiten aber auch eng mit anderen Einrichtungen an der Uni Hohenheim zusammen, wie z.B. dem Prüfungsamt.

Meyer: Ich bin für den didaktischen Bereich zuständig. Das heißt ich biete bedarfsorientierte Einzelberatung für Lehrende an, die E-Prüfungen einsetzen möchten. Lehrende, die Interesse haben können sich jederzeit an mich wenden. Gleichzeitig möchte ich auch mit Dozent:innen in den Austausch kommen, die E-Prüfungen bisher noch nicht einsetzen, um zu erfahren, worin der Hemmschuh für sie besteht. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage zu unserem Projekt.

Herrmann:
Das technische Teilprojekt hat den Schwerpunkt „Bring your own device“. Das heißt: Ich möchte die Voraussetzungen schaffen, dass Studierende künftig auch eigene Geräte wie Laptops oder Tablets für E-Prüfungen nutzen können.

Weil die Uni nicht genug Laptops für die E-Prüfungen zur Verfügung stellen kann?

Herrmann: Der Leih-Pool des KIM könnte bei einer starken Ausweitung von E-Prüfungen irgendwann an seine Grenzen kommen. Das ist im Moment aber noch kein Problem. Eng wird es eher, wenn es um geeignete Räume geht, die über ausreichend Steckdosen und gutes WLAN verfügen. Wir als PePP-Team unterstützen das KIM deshalb auch dabei, geeignete Räume ausfindig zu machen, die als nächstes für E-Klausuren ausgestattet werden können.

„Bring your own device“ ist aber noch aus anderen Gründen interessant: Denn in der stressigen Prüfungssituation hilft es Studierenden sehr, wenn sie an einem vertrauten Gerät arbeiten können. Und nicht zuletzt schaffen wir damit auch eine wichtige Voraussetzung, damit in Zukunft ggfs. auch Online-Klausuren stattfinden können, für die man nicht auf den Campus kommen muss. Das könnte z.B. im Kontext der Internationalisierung oder der Inklusion interessant sein.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.


Interview: Leonhardmair


Zurück zu Themenservice