Nachhaltige Nutztier-Revolution in Afrika? [16.11.22]
In Afrika wird mehr Fleisch verzehrt. Darin liegt eine große Chance im Kampf gegen Mangelernährung und Armut. Doch in ökologischer Hinsicht hat die rasant wachsende Tierwirtschaft einen langen Schatten. Wie lassen sich die Potenziale nutzen und gleichzeitig Ziele für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz verfolgen? Diese Forschungsfrage beschäftigt den Hohenheimer Postdoc Dr. Thomas Daum vom Fachgebiet Sozialer und institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung am Hans-Ruthenberg-Institut für Tropische Agrarwissenschaften. Für sein aktuelles Projekt erhält er eine Förderung in Höhe von rund 150.000 € aus dem Eliteprogramm der BW-Stiftung, inklusive Eigenanteil der Uni Hohenheim.
Die Phase zwischen Promotion und eigenem Lehrstuhl ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden: Um Postdocs zu unterstützten und schneller akademische Selbstständigkeit zu ermöglichen, hat die Baden-Württemberg-Stiftung ein Eliteprogramm ins Leben gerufen. Pro Jahr werden landesweit bis zu 15 Forschende aufgenommen, die eine Professur anstreben und eine überdurchschnittliche Befähigung für eine wissenschaftliche Karriere erkennen lassen. Die individuelle Förderung kann bis zu 150.000 Euro betragen.
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- Hohenheimer Info-Veranstaltung zum Eliteprogramm (9.12.22)
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Lektüre-Tipp |
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Im Fachjournal der Welthungerhilfe berichtet Dr. Thomas Daum über Herausforderungen und Perspektiven für eine nachhaltige Nutztierrevolution in Afrika |
Nutztier-Revolution in Afrika
In Deutschland verzehren Menschen pro Jahr durchschnittlich ca. 60 kg Fleisch, in den USA 120 kg. Würden alle Menschen so viel konsumieren, wären das für das Weltklima eine schlechte Nachricht.
In Afrika ist man davon bisher noch weit entfernt. Der durchschnittliche Konsum liegt jährlich gerade einmal bei ca. 10 kg. Doch in keinem anderen Kontinent wächst die Bevölkerung schneller. Gleichzeitig steigt der Wohlstand – und damit können sich immer mehr Menschen Fleisch leisten. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass der Konsum von Fleisch, Milch und Eiern in Afrika bis 2050 um 129 Prozent steigen wird. Die Forschung spricht in Bezug auf diese Entwicklung von einer afrikanischen „Livestock Revolution“.
„Anders als in Deutschland, wo ein Übermaß an tierischen Produkten mitunter zu gesundheitlichen Problemen führt, sind die Auswirkungen für die Gesundheit vieler Menschen in Afrika sehr positiv“, betont Dr. Thomas Daum. „Tierische Produkte liefern hochwertige Proteine, Mikronährstoffe wie Vitamin A und B12, Eisen, Zink und bioaktive Wachstumsfaktoren. Aktuell nehmen viele Menschen in Afrika zu wenig davon auf. Vor allem bei Kleinkindern und Schwangeren ist diese Mangelernährung hochproblematisch. Bereits kleinste Mengen an tierischen Produkten können Kinder vor irreversiblen Schädigungen bewahren.“
Innovation und Nachhaltigkeit zusammendenken
Den positiven Effekten der Nutztierhaltung steht in ökologischer Hinsicht jedoch ein langer Schatten gegenüber: Etwa in Hinblick auf Treibhausgasemissionen, Landnutzung, Biodiversität, Tierwohlaspekte oder die Gefahr für Infektionskrankheiten, die wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können.
In seiner Forschung beschäftigt sich der Hohenheimer Nachwuchswissenschaftler daher mit der Frage, wie die Potenziale der „Livestock Revolution“ genutzt und negative Auswirkungen so gut es geht minimiert werden können. Einen wichtigen Schlüssel dafür sieht er in technologischen und institutionellen Innovationen.
Doch wie lassen sich diese gezielt fördern? „Für landwirtschaftliche Innovationen allgemein ist das bereits relativ gut erforscht. Gleichzeitig gibt es wichtige Erkenntnisse, worauf es bei einer nachhaltigen Transformation von Nahrungsmittelproduktionssystemen ankommt. Das besondere an unserem Ansatz ist, dass wir diese beiden Perspektiven zusammenbringen, also Innovation und Nachhaltigkeit zusammendenken“, so der Hohenheimer Postdoc.
FAO-Bericht |
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Gefragt ist die Expertise von Dr. Thomas Daum auch bei der Welternährungsorganisation. Zum aktuellen FAO-Bericht „The State of Food and Agriculture“ steuerte er einen Hintergrundbericht bei. Thema ist das Potenzial der Mechanisierung für nachhaltige Landwirtschaft im globalen Süden. |
Um besser zu verstehen, wie Rahmenbedingungen beispielsweise im Bereich der Forschung oder der landwirtschaftlichen Beratung gestaltet werden müssen, werten er und sein Team nicht nur gezielt bestehenden Forschungsliteratur aus, sondern führen auch eigene Feldforschung in Afrika durch.
Regionaler Fokus ist Kenia, das zu den größten Tierproduktionsländern in Afrika zählt und bereits heute eine besonders stark steigende Nachfrage an tierischen Produkten verzeichnet. „Mit unserem Projekt wollen wir politischen Entscheidungsträgern, Agrarunternehmen und Entwicklungspartnern konkrete Hilfestellungen an die Hand geben, um die wachsende Tierwirtschaft in Kenia und anderen Ländern nachhaltig zu gestalten“, fasst Dr. Daum zusammen.
Um das sicherzustellen, arbeitet das Projekt u.a. eng mit dem renommierten kenianischen Agrarexperten Prof. Dr. John Mburu von der Universität Nairobi zusammen. Im Rahmen des Projektes wird Louis Schwarze, der bereits mehrere Jahre in Kenia arbeitete, promovieren.
Unterstützung auf dem Weg zur Professur
Für die Verwirklichung des Forschungsvorhabens erhält Dr. Thomas Daum 135.000 Euro aus dem Eliteprogramm für Postdoktorandinnen und Postdoktoranden der Baden-Württemberg-Stiftung und weitere 10.000 € von der Fakultät Agrarwissenschaft an der Uni Hohenheim. Das Eliteprogramm wurde ins Leben gerufen, um in der anspruchsvollen Phase zwischen Promotion und eigenem Lehrstuhl Unterstützung zu leisten.
„Für mich und mein Team ist das eine Riesen-Chance, um die Forschung zu einem wichtigen entwicklungspolitischen Thema voranzubringen. Sehr dankbar bin ich auch für die zusätzliche Unterstützung durch die Universität“, so Daum. „Das Tolle an dem Programm der BW-Stiftung ist neben der finanziellen Unterstützung auch die Möglichkeit, sich mit vielen anderen engagierten Postdocs zu vernetzen, die ebenfalls an hochspannenden Themen arbeiten und in den kommenden Jahren eine Professur anstreben.“
Die Anzahl der möglichen Bewerbungen für das Förderprogramm ist pro Hochschule begrenzt. Deshalb findet an der Uni Hohenheim zunächst eine interne Vorauswahl statt. Interessierte Postdocs reichen dazu eine 1-seitige Skizze der Projektidee sowie ein Qualifizierungskonzept ein, das u.a. einen wissenschaftlichen Lebenslauf und künftige Schritte für eine strategische Karriereplanung beinhaltet.
Die Senatskommission Forschung der Uni Hohenheim wählt bis zu 5 Antragsskizzen aus. Nach einem positiven Bescheid bleiben den Postdocs anschließend rund 8 Wochen für die Ausarbeitung des vollständigen Antrags. Die Abteilung Forschungsförderung bietet dabei Unterstützung an.
Hohenheimer Postdocs, die sich für das Eliteprogramm der Baden-Württemberg-Stiftung interessieren, sind am 9. Dezember (12:30 bis 14:00 Uhr) zu einer Info-Veranstaltung eingeladen. Mehr...
Text: Leonhardmair