(Aprilscherz) Tyrolinger Huhn legt Trollinger Eier  [13.03.23]

Man hielt die Überlieferung aus dem Remstal, wonach es Hühner gegeben haben soll, die nach Trollinger schmeckende Eier gelegt haben, für eine Posse, die zu später Stunde in den Besenwirtschaften erzählt wurde. Doch nach umfangreichen Forschungsarbeiten bestätigen Wissenschaftler der Universität Hohenheim die alte Überlieferung: Es gibt tatsächlich Hühner, die „Weineier“ legen.


Bei einer Fachexkursion der Universität Hohenheim nach Bozen wurde Prof. Dr. Werner Bessei von dem dortigen Professor für Tierzucht von Hühnern einer alten Rasse berichtet, die noch in entlegenen Tälern Südtirols gehalten werden, und die ein sonderbares Verhalten an den Tag legen.

Die Hähne stoßen glucksende Geräusche aus, die an Küken führende Glucken erinnern und zeigen einen unsicheren, stolpernden Gang. Kurzum, sie machen einen „angeheiterten“, d.h. alkoholisierten Eindruck und werden von den Einheimischen auch „Umfeu Gigger“ oder „Gallo ubriaco“ genannt.

Fachgerechte Untersuchungen bestätigen erhöhten Blutalkoholgehalt

In ethologischen Studien an diesen Hühnern, die der auf Verhalten von Geflügel spezialisierte W. Bessei durchführte, wurden die Berichte bestätigt. Blutuntersuchungen ergaben, dass die Hühner einen permanent erhöhten Alkoholspiegel aufwiesen, obwohl kein Alkohol im Futter oder im Wasser nachweisbar war.

Der Alkoholspiegel lag bei den Hähnen mit etwa 0,5 Promille deutlich höher als bei den Hennen mit 0,2 Promille. Zur näheren Untersuchung des Phänomens wurden Hähne und Hennen der Tiroler Rasse an die Versuchsstation Unterer Lindenhof (Eningen u.A.) gebracht, wo die oben beschriebenen Ergebnisse unter kontrollierten Bedingungen bestätigt wurden.

Hefepilz in Darmflora kann Alkohol synthetisieren

Wie kommt aber der Alkohol ins Blut? Bei Menschen und Versuchstieren ist nachgewiesen, dass der Hefepilz Saccheromyces cerevisiae im Darm zu sehr hohen Alkoholwerten im Blut führen kann. Deshalb wurde die Darmflora der Hühner an der Universität Hohenheim näher untersucht.

Tatsächlich fanden sich in den Blinddärmen verschiedene Hefepilze, wie Saccheromyes cerevisiae in den Variationen ellipsoides und pastorianus, die zu den Weinhefen gehören. Diese sitzen natürlicherweise auf den Weinbeeren und leiten dann im Fass die alkoholische Gärung ein. Das Gleiche läuft bei den Tiroler Hühnern im Darm ab.

Natürlicher Stofftransport ins Hühnerei senkt Alkoholgehalt im Hennen-Blut

In weiteren Versuchen wurden frisch geschlüpfte Küken einer alten, im Remstal verbreiteten Hühnerrasse mit einer Weinhefe gefüttert, die aus Trollingertrauben isoliert wurde. Auch hier war der Blutalkoholspiegel erhöht. Und die Eier, die von den so behandelten Hennen gelegt wurden, wiesen einen leichten Alkoholgehalt auf.

Der Alkohol wird bei den Legehennen sofort in das Ei transportiert. Dies erklärt den niedrigeren Blutalkoholspiegel gegenüber den Hähnen. Trollingergeschmack entsteht durch die Veresterung des Alkohols mit den für die Sorte typischen Weinsäuren. Er wird praktisch im Huckepack mit dem Alkohol ins Ei transportiert.

Fachverkostung bestätigt Trollingernote der Remstal-Eier

In Kooperation mit dem Sternelokal „Speisemeisterei“ auf dem Universitätscampus konnten Weinsommeliers in einer Blindverkostung der Eier tatsächlich einen eindeutigen Trollingergeschmack feststellen. Somit ist die Existenz des historischen Trollingerhuhns aus dem Remstal wissenschaftlich belegt.

Der Zusammenhang zwischen dem „Gallo ubriaco“ aus Südtirol und dem Trollingerhuhn aus dem Remstal erklärt sich aus der gemeinsamen Geschichte. Trollinger leitet sich bekanntlich aus „Tyrolinger“ ab. Offensichtlich sind mit dem Wein auch die Hühner in das Remstal gekommen.

Aufbruchstimmung in Landwirtschaftsministerien von Bund und Land


Dem Online-Kurier gegenüber berichtet Geflügelexperte Bessei von bislang noch vertraulichen Gesprächen mit einer ehemaligen Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz, die als Weinkennerin und ehemalige Weinkönigin die Wiederentdeckung des Trollingerhuhns euphorisch begrüßt haben soll.  

Auf Anregung des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) soll das Konzept soll nun auch um eine Variante erweitert werden: die Vermarktung der Hähne. Unter der Bezeichnung „Coq au Trollinger“, vergleichbar dem „Coq au vin“ in Frankreich.

Man erhofft sich von dem Programm nicht nur eine Belebung des regionalen Eiermarktes, sondern auch eine tiergerechte Verwertung der Bruderhähne. Nicht zuletzt könnte die Aktion auch dazu beitragen, das eingestaubte Image des Trollingers aufzufrischen.


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