Hohenheimer Gärten: Der Speierling
Was blüht uns im Oktober? [24.10.19]
Die unreifen Früchte des Speierlings führen aufgrund von Gerbsäuren dazu, dass man sie wieder ausspeit oder ausspuckt. Doch im reifen Zustand nach Frosteinwirkung sind sie ein leckeres Wildobst. Früher erfreute sich der Speierling aufgrund der häufigeren Niederwaldwirtschaft als Nutzbaum größerer Beliebtheit, heute ist er nur selten bei uns zu finden.
Vor 8-9000 Jahren wanderte der wärmeliebende Baum nach der Eiszeit über Süd-Frankreich durch das Rhonetal nach Mitteleuropa zurück. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über das südliche Europa bis in die Türkei, die nördlichsten Vorkommen liegen im Harz. Die Römer nutzten ihn bereits vor mehr als 2000 Jahren. Bei uns ist er in Gebieten mit Weinbauklima anzutreffen. 1993 war er Baum des Jahres und wurde danach vermehrt angepflanzt.
Der sommergrüne Speierling wird bis zu 20 m hoch und bis zu 300 Jahre alt. Er besitzt ein tiefreichendes Herzwurzelsystem. Den Stamm umgibt eine markante Schuppenborke. Die Blätter sind gefiedert und ähneln denen der Eberesche. Die Herbstfärbung ist attraktiv gelb-orange.
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Bis zu 100 kg Früchte im Jahr
Die Blütenstände enthalten 35-75 weiße, fünfzählige Einzelblüten, die sich im Mai entfalten. Sie werden von Insekten bestäubt und sind auch selbstfruchtbar. Nach der Bestäubung reifen die apfel- oder birnenförmigen Apfelfrüchtchen (= lat. sorba). Ein ausgewachsener Baum trägt jährlich bis zu 100 kg Früchte, die im Schnitt jeweils 1-2 Samen enthalten und 10 g wiegen.
Eine natürliche Ausbreitung des Speierlings über Samen findet kaum statt. Häufig werden sie von Nagetieren gefressen, es gibt Pilzinfektionen oder die Konkurrenzkraft der Jungpflanzen ist zu gering.
Die Früchte lassen sich als Marmelade, als Most, als Schnaps oder süß-sauer eingelegt genießen. Dem Apfelwein werden sie zur Verbesserung der Haltbarkeit, der Farbe und des Geschmacks beigemischt. Aufgrund der zusammenziehenden Wirkung der Gerbstoffe wurden die Früchte in der Naturheilkunde eingesetzt.
Das extrem harte, sandfarbene Holz des Speierlings ist gut zu bearbeiten und begehrt. Es wird in der Möbel- und Furnierindustrie sowie beim Instrumentenbau genutzt.
Der Baum des Donnergotts Thor
In der germanischen Mythologie war der Speierling dem Donnergott Thor geheiligt. Zweige des Speierlings wurden auf das Dach gesteckt, um das Haus vor Blitzen, Geistern und Drachen zu schützen.
Die Gattung Sorbus ist ein Rosengewächs, die Art, lat. domestica = einheimisch, wurde 1753 vom berühmten, schwedischen Naturforscher Carl von Linné (1707-1778) beschrieben.
Text: R. Gliniars, R. Bäßler, A. M. Steiner
Fotos: A. M. Steiner und Rhina Duque-Thuis (Herbar-Beleg)