Hohenheimer Gärten: das Mammutblatt

Was blüht uns Ende Juni?  [26.06.15]

Wohin lohnt sich der Spaziergang dieser Tage besonders? Was gibt es zu entdecken? Und natürlich: Was blüht? Im 14-tägigen Abstand präsentieren die Hohenheimer Gärten jeweils eine botanische Besonderheit im Online-Kurier. Diese Woche: das Mammutblatt (Gunnera manicata LINDEN EX ANDRÉ).


In seiner Heimat Brasilien wird das Mammutblatt liebevoll als „Sonnenschirm der Armen“ (Sombrilla de pobre) bezeichnet. Dies verwundert nicht beim Anblick der gigantischen Schmuckstaude mit überdimensionierten Blättern, die einen Durchmesser bis zu 2 Meter erreichen können.

Häufig wird das Mammutblatt aufgrund der Ähnlichkeit auch als Riesen-Rhabarber bezeichnet, obwohl es nicht mit dem Rhabarber verwandt ist. Durch eine Symbiose mit Blaualgen (Cyanobakterien) kann es Luftstickstoff fixieren, eine einzigartige Fähigkeit bei den höheren Pflanzen.

Diese Symbiose des Mammuttblatts mit Blaualgen der Gattung Nostoc gilt als eine botanische Sensation. Die freilebenden Nostoc-Blaualgen bewohnen die feuchten Böden, auf denen das Mammutblatt bevorzugt wächst. Über einzigartige Drüsen an der Basis der Blattstiele gelangen sie in die Pflanze. Hier liefern sie Stickstoff an das Mammutblatt und erhalten im Austausch Kohlenstoff.

Mehrjährige und krautige Riesen

Das Mammutblatt zählt zu den mehrjährigen, krautigen Pflanzen, kann bis zu 3 Meter hoch werden und sich bis zu 4 Meter ausbreiten. Seine Heimat sind die Gebirgssümpfe und Nebelwälder Süd-Brasiliens.

Die riesigen, grundständigen Blätter besitzen dornige Stiele, deren oberirdische Teile zum Herbst hin absterben und im Frühjahr neu austreiben. Trotz ihrer beeindruckenden Größe sind die Blätter aufgrund des Sprossenwerks aus stark hervorstehenden Rippen und Querverstrebungen auf der Blattunterseite sehr stabil.

Beliebt zum Gerben und zum Schwarzfärben von Wolle

Von Juni bis August erscheinen tausende, unscheinbare Blüten an den bis ein Meter hohen, kolbenähnlichen Blütenständen. Die Einzelblüten sind meist zwittrig, zweizählig und werden selbstbestäubt oder durch den Wind. Aus dem unterständigen Fruchtknoten reifen runde, rötliche Früchte, die nur 2,5 Millimeter groß sind.

In Chile wird der Blattstiel geschält und wie Rhabarber gegessen. Zudem werden die kriechenden, schenkeldicken Wurzelstöcke aufgrund ihres hohen Gerbsäureanteils zum Gerben und zum Schwarzfärben von Wolle genutzt.

Viel Sonne für das Mammuttblatt

Das Mammutblatt benötigt einen sonnigen, humus- und nährstoffreichen Standort im Garten an Wasserläufen oder in der Nähe eines Teiches. Auf Trockenheit, kalte Temperaturen und Spätfröste reagiert die Pflanze empfindlich. Nach dem Laubabwurf sollte man die Pflanzen mit trockenem Laub, Reisig oder Tannenzweigen gut abdecken.

Erst nach den Eisheiligen Mitte Mai empfiehlt es sich, die Mammutblätter wieder vollständig freizulegen. Die Vermehrung kann durch Samen im Herbst oder durch Teilung erfolgen. Anfällig ist die Zierstaude für Schnecken und Wühlmäuse.

Ein Blatt „mit langen Ärmeln“

Die Gattung Gunnera aus der Familie Gunneragewächse wurde durch Carl von Linée zu Ehren vom norwegischen Bischof von Trondheim und Botaniker Johan Ernst Gunnerus (1718-1773) benannt. Er war Begründer der Königlich Norwegischen Gesellschaft der Wissenschaften und Autor der Flora Norvegica.

Der lateinische Artname ‚manicatus’ bedeutet ‚mit langen Ärmeln’ bezogen auf die Form der Blätter. Insgesamt gibt es 30 bis 40 Arten an Gunnera, die allesamt in der Südhemisphäre ihrer Heimat haben.

Text: R. Gliniars, R. Bäßler, A. M. Steiner
Fotos: A. M. Steiner

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