Hohenheimer Gärten: Die Rose von Jericho

Was blüht uns zur Weihnachtszeit?  [21.12.16]

Wohin lohnt sich der Spaziergang dieser Tage besonders? Was gibt es zu entdecken? Und natürlich: Was blüht? Im 14-tägigen Abstand präsentieren die Hohenheimer Gärten jeweils eine botanische Besonderheit im Online-Kurier. Diese Woche: Die Rose von Jericho.

Beliebter Weihnachtsbrauch: Eine Rose von Jericho entfaltet im Wasser ihre Ästchen.


Die häufigste Nutzung der Rose von Jericho in der westlichen Welt ist während der Weihnachtszeit. Zur Feier der Geburt Jesu ist es Brauch, die trockenen Pflanzen zum Öffnen zu bringen.

Nach Erzählungen erblühten die Pflanzen auf dem Weg, als Maria vor Herodes nach Bethlehem flüchtete und dort ihr Kind zur Welt brachte. Eine andere Quelle aus dem biblischen Buch Sirach bezieht sich auf blühende Rosen in der Gegend um Jericho.

Rosen mit Quellmechanismus

Vermutlich gemeint war die echte „Rose von Jericho“, Anastatica hierochuntica L. Die Pflanze stirbt in der Trockenzeit ab und zieht sich zusammen. Nach Befeuchtung öffnet sie sich um ihre Samen freizugeben. Es ist eine mechanische Bewegung, die auf Quellmechanismen beruht. Der einjährige Kreuzblütler kommt von Nord-Afrika bis Vorderasien vor und gelangte während der Kreuzzüge nach Europa.


Eine zweite „Rose von Jericho“ aus der gleichen Region ist Pallenis hierochuntica
(Michon) Greuter, ein einjähriger Korbblütler mit einem vergleichbaren Mechanismus. Das lateinische Wort ‚hierochuntis’ bedeutet ‚aus Jericho’.

Auferstehungspflanzen überleben komplettes Austrocknen

Außerdem gibt es sogennante „Auferstehungspflanzen“. Das sind Moose und etwa 300 Arten an Farn- und Blütenpflanzen. Sie besitzen die Fähigkeit, komplettes Austrocknen zu tolerieren und nach Wässerung weiterzuleben. Die Biologie solcher Pflanzen wird untersucht, um Möglichkeiten zur Verbesserung der Ernährung in trockenen Gebieten zu erhalten.

Eine wechselfeuchte Pflanze ist der Moosfarn Selaginella lepidophylla (Hook. & Grev.) Spring, die Unechte Rose von Jericho. Sie stammt aus dem südlichen, pazifischen Nordamerika, wächst langsam und verbreitet sich als Steppenroller. Durch Teilung oder Stecklinge lässt sie sich gut vermehren. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie nach Europa gebracht. Aufgrund ihrer hohen Beliebtheit bei Sammlern sind ihre Bestände in der Natur stark dezimiert.

Schönes Schauspiel: In Wasser gelegt öffnet sich die Rose

Bei uns findet man meist die Unechte Rose von Jericho im Handel, auch wenn diese von vielen Händlern teilweise vorsätzlich, teilweise unwissentlich als echte Rose deklariert wird. Im ausgetrockneten Zustand legt man sie in eine Schale mit Wasser und die Entfaltung beginnt. Die Ästchen entrollen sich bis in die obersten Spitzen. Die Pflanze ergrünt und kann wieder Photosynthese betreiben.

Getrocknet ist sie theoretisch unbegrenzt haltbar. Die in Deutschland gekauften Exemplare der Unechten Rose von Jericho sind oft abgestorben, öffnen sich aber durch den hygroskopischen Vorgang immer wieder.

Glücksbringer, Orakel, Medizin und Weihnachtsbrauch

Die Rose(n) von Jericho werden als Glücksbringer verehrt und als Orakel zum Wetter befragt. In einigen Familien wird die Pflanze von Generation zu Generation zum Schutz weitergegeben. Ein Sud aus der echten Rose von Jericho soll bei Krämpfen und Geburten förderlich sein.

Der Brauch, die Pflanze in Wasser zu legen und auf deren Öffnung zu warten, wurde in Mitteleuropa bis ins 18. Jahrhundert häufig von Hebammen zur Geburt eines Kindes vorgenommen. Sie ist ein Symbol für die Weihnachtszeit geworden.


Text: R. Gliniars, R. Bäßler, A. M. Steiner

Fotos: A. M. Steiner

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