Hohenheimer Gärten: Die Rosskastanie – Aesculus hippocastanum L.

Was blüht uns im Mai?  [17.05.17]

Wohin lohnt sich der Spaziergang dieser Tage besonders? Was gibt es zu entdecken? Und natürlich: Was blüht? Jeden Monat präsentieren die Hohenheimer Gärten jeweils eine botanische Besonderheit im Online-Kurier. Dieses Mal: Die Rosskastanie – Aesculus hippocastanum L.

Majestätisch: Die Rosskastanien rund ums Schloss. | Bildquelle: A.M. Steiner


Die Rosskastanie erfreut zu jeder Jahreszeit, im Winter mit ihren großen, klebrigen Knospen, im Frühling beim Erscheinen der großen handförmigen Blätter, im Mai mit ihren orchideenhaften Blütenmeer und im Herbst mit den glänzenden Samen. Sie ist nicht mit der Ess- oder Edelkastanie zu verwechseln, auch wenn sich die Früchte ähneln.

Einzug in Europa als Pferdefutter

Die Rosskastanie kommt natürlicherweise in den Mittelgebirgen Griechenlands, Albaniens und Mazedoniens vor, wohin sie sich während der letzten Eiszeit zurückgezogen hat.

Erst durch den Menschen gelangte sie wieder nach Mitteleuropa, im Jahr 1576 zunächst nach Wien. Die Türken verbreiteten sie während ihrer Eroberungsfeldzüge quer durch Europa, denn sie hatten Kastanien als Futter für ihre Pferde mit dabei.

Wolkige Krone, tiefe Wurzeln

Die Rosskastanie kann 25 bis 30 m hoch, bis zu 2 m im Durchmesser und bis zu 200 Jahre alt werden. Sie besitzt eine wolkige Kronenstruktur. Das Wurzelsystem ist tief- und weitreichend und macht sie sehr sturmfest.

Der Stamm ist oft drehwüchsig und mit einer Schuppenborke versehen. Die gegenständigen Blätter besitzen 5 bis 7 Fiederblättchen, die unterschiedlich groß sind. Ihre Herbstfärbung ist goldgelb.

Blüten mit "Ampelanlage"

Anfang Mai öffnen sich die Blüten zu hunderten in verzweigten, kerzenartigen Blütenständen. Jede Einzelblüte trägt 5 cremig-weiße Kronblätter, deren beide obere einen Farbfleck, das Saftmal, zugleich eine Art „Ampelanlage“ aufweisen.

Dieser Fleck ist zunächst gelb und dann produziert die Blüte Nektar, der Bestäuber wie Bienen und Hummeln anlockt. 1-2 Tage nach der Bestäubung erlischt die Nektarproduktion und das Saftmal verfärbt sich rot, der Besuch für die Insekten lohnt sich nicht mehr.

Schwere Fruchtfülle

Im oberen Teil des Blütenstandes befinden sich männliche, im mittleren zwittrige und im unteren Teil nur weibliche Blüten. So entwickeln sich nur im unteren Teil die Früchte, was die Blütenstandachsen stabil hält.

Bei 1000 Blütenständen pro Krone, die bis zu 10000 Früchte produzieren, macht dies einiges an Gewicht aus, denn die bis zu 6 cm dicken Früchte können jeweils bis zu 20 g wiegen. Sie reifen von September bis Oktober in stacheligen Kapseln, die bei der Reife aufplatzen und die mahagonifarbenen Samen mit dem weißen Fleck entlassen.

Mehl- und Kaffee-Ersatz in Notzeiten

Der beliebte Parkbaum reagiert empfindlich auf Streusalz, Spätfröste schaden ihr. Unter den Insekten ist am meisten über die Rosskastanien-Miniermotte bekannt, deren Larvenfraß in den Blättern braune Flecken hervorruft.

Die Rosskastanie ist keine Baumart von großem wirtschaftlichem Gewicht. Genutzt werden vor allem die Früchte als Vieh- und Wildfutter. In Notzeiten nutze man sie zur Mehlherstellung und als Kaffee-Ersatz. In der Naturheilkunde verwendet man die Inhaltsstoffe von Rinde, Blätter, Blüten und Früchten mit Durchblutung fördernder Wirkung. Auch zur Schnupftabak- und Seifenherstellung sind die Früchte geeignet.

Seifig, aber essbar

Die Rosskastanie zählt zu den Seifenbaumgewächsen, den Sapindaceae, die durch seifenartige Saponine als Inhaltsstoffe charakterisiert sind. Fallen die Kastanien im Herbst herab und werden feucht, dann wird der Boden beim Kehren seifig und schaumig, was die Kehrwoche nicht leichter macht.

Das lateinische Wort ‚Aesculus’ steht für eine Eichenart mit eßbaren Früchten, lat. ‚esca’ bedeutet Speise. ‚Hippos’ steht für Pferd, das Griechische ‚kastanon’ bedeutet Esskastanie.

Text: R. Gliniars, R. Bäßler, A. M. Steiner
Fotos: A. M. Steiner


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