Baum des Jahres 2018 – Die Ess-Kastanie, Castanea sativa MILL.
Was blüht uns Ende Oktober? [30.10.18]
Zum 30. Mal wurde einer Baumart der Titel „Baum des Jahres“ verliehen. Im Jahr 2018 ist es die „Keste“ bzw. Ess- oder Edel-Kastanie. Die Aktion soll die Menschen wieder an den Umgang mit Bäumen heranführen und eine Sensibilität für dieses lebendige Naturgut schaffen.
Die Eiszeitrefugien der Edel-Kastanie lagen im Transkaukasus, in Italien und auf der Iberischen Halbinsel. Die Kulturform stammt aus der West-Türkei. Die Griechen brachten die Edel-Kastanie zu den Römern, die sie zunächst als Holzbaum für den Weinbau nutzten. Die Römer brachten die Baumart über die Alpen zu uns.
Brot der Armen
Zitat aus Goethes West-östlicher Divan im Buch Suleika: |
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„An vollen Büschelzweigen,
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In Mitteleuropa wird sie seit dem Mittelalter nachweislich als Fruchtbaum angepflanzt. Lange galten die Früchte der Edel-Kastanie im südlichen Mitteleuropa als Brot der Armen, ein Baum mit 100-200 kg Früchten im Jahr wurde für eine Person gerechnet. Durch die kleine Eiszeit um 1600, der Einfuhr neuzeitlicher Nahrungsmittel wie dem Mais oder der Kartoffel und dem Aufkommen des Kastanienrindenkrebses verlor die Edel-Kastanie zunehmend an Bedeutung.
Heute wächst sie bei uns im Elsass, im Schwarzwald, im Odenwald und im Pfälzer Wald in größeren Beständen. Sie bevorzugt mildes, nicht zu trockenes Weinklima. Ein pfälzischer Spruch besagt: „Wo’s Keschde gibt, gibt’s auch Woi.“
Kräftig-würziger Honig
Die Edel-Kastanie ist ein mittelgroßer Baum von 25 m Höhe, im Extrem bis zu 40 m hoch. Sie bildet eine Pfahlwurzel aus. Der Stamm ist oft drehwüchsig, die Rinde olivbraun, später silbergrau. Die Blätter sind bis zu 25 cm lang, ledrig derb, glänzend und gezähnt.
Die Blüten sind eingeschlechtlich. Ab Mitte Juni blühen die männlichen Blütenkätzchen, etwas später öffnen sich die weiblichen Blüten. Sie werden durch den Wind sowie von Bienen und Käfern bestäubt.
Der Honig ist rötlich bis bräunlich und besitzt einen kräftigen, leicht bitteren Geschmack von tiefer Würze. Er gilt als seltener Sortenhonig in Deutschland und ist vielseitig verwendbar. Ein Tee mit den Blättern hilft volksmedizinisch bei Husten und Keuchhusten. Die Gerbstoffe wirken bei Durchfallerkrankungen oder Entzündungen im Mundraum.
Eichenähnliches Holz
Das Holz ähnelt dem der Eiche, es besitzt ein gelbes Splint- und ein hellbraunes Kernholz. Es ist elastisch, enorm witterungsbeständig und gut zu bearbeiten. Daher wird es als unbehandelter Baustoff im Außenbau auf Spielplätzen, im Wasser- und Schiffsbau sowie für Gartenmöbel und im Lawinenverbau eingesetzt. Die Witterungsbeständigkeit ist durch den hohen Gerbsäuregehalt, bis zu sieben Mal mehr als bei der Eiche, erklärbar. Die Edel-Kastanie eignete sich für die Niederwaldwirtschaft, kann alle 15 Jahre geschlagen werden und macht dann neue Stockausschläge. Im Zuge des Klimawandels wird ihr im mitteleuropäischen Forst eine gute Zukunft vorhergesagt.
Die Edel-Kastanie ist ein Buchengewächs, Fagaceae, im Unterschied zur Rosskastanie, die zu den Seifenbaumgewächsen, den Sapindaceae, zählt. Die Früchte der Edel-Kastanie sind essbar und schmecken süßlich. Es handelt sich um braun glänzende Nussfrüchte, die von einem stachligen Fruchtbecher umgeben sind. Sie sind im Oktober erntereif und gelangen als Maronen in den Handel. Diese Samen sind von mehliger Konsistenz und werden vielseitig verwendet, als Füllung von Geflügel, als Beilage zu Wild, als Dessert in vielen Varianten, zu Mehl vermahlen als Brotteig oder Suppe. Sie besitzen einen hohen Nährwert und können im Feuer geröstet werden. Der einstige Reichskanzler Otto von Bismarck prägte den Spruch, „die Kastanien aus dem Feuer holen“, für die Übernahme einer unangenehmen Aufgabe.
Die wissenschaftliche Bezeichnung Castanea leitet sich von ‚karyon’ = hart- und glattschalige Frucht ab; ‚sativa’ bedeutet gesät oder angepflanzt. Die Art wurde von Philip Miller (1691-1771), einem englischen Gärtner und Botaniker erstmals beschrieben.
Text: R. Gliniars, R. Bäßler, A. M. Steiner | Fotos: A.M. Steiner