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2,6 Mio. Euro Aufbauhilfe REACT-EU: Neuer Imaging-Geräteverbund bringt Forschung voran [21.04.23]
Uni Hohenheim weiht fünf hochleistungsfähige Forschungsgroßgeräte ein / Infrastruktur an der Core Facility Hohenheim (CFH) steht auch Verbundpartnern zur Verfügung
Auch in der Forschung sagt ein Bild oft mehr als 1.000 Worte: Ein neuer Geräte-Pool an der Universität Hohenheim in Stuttgart besticht durch hochauflösende dreidimensionale Visualisierung der Untersuchungsobjekte. Eine weitere Besonderheit: Die Geräte können miteinander verbunden werden – sodass man das gleiche Detail auf verschiedenen Skalenebenen betrachten kann. Am 20. April 2023 hat die Core Facility Hohenheim ihre neue Forschungsinfrastruktur mit einer Einweihungsfeier in Betrieb genommen. Ermöglicht wurden die Geräte durch EU-Mittel in Höhe von 2,6 Mio. Euro aus dem EFRE-Fonds im Rahmen der Aufbauhilfe REACT-EU. Von nun an treiben die Geräte die Forschung zum Beispiel zu den Folgen des Klimawandels und dem Artenschutz voran. Das Dach über denForschungsprojekten bildet der Forschungsverbund BioInterAct. An ihm sind neben der Universität Hohenheim auch die Universität Tübingen und das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart beteiligt. Die neuen Großgeräte stehen den Arbeitsgruppen aller Verbundpartner zur Verfügung.
Ein nachhaltiges Agrarsystem, das dem Klimawandel trotzt und die Artenvielfalt erhält – das ist das langfristige Ziel des Forschungsverbunds BioInterAct. Um das zu erreichen, müssen die Verbundpartner – die Universitäten Hohenheim und Tübingen und das Naturkundemuseum Stuttgart – mit ihrer Forschung am Ball bleiben.
BioInterAct verfolgt den Ansatz, über eine Visualisierung der Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Insekten und Boden neue Erkenntnisse zu gewinnen. Der Verbund unter der Federführung der Hohenheimer Systembiologin Prof. Dr. Waltraud Schulze bildet gewissermaßen ein Dach für zahlreiche Forschungsprojekte.
„Die Entwicklung von Pflanzen und ihre Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen, die Interaktionen der Insekten mit Pflanzen und Boden stellen ein sehr komplexes Netzwerk dar. Hier haben wir noch große Wissenslücken“, zeigt die Expertin auf. „Wir wollen besser verstehen, wo äußere Reize die Zellen und Organismen beeinflussen, und welche Strukturen für die Wechselwirkungen wichtig sind.“
Aufeinander abgestimmter Geräteverbund liefert Datengrundlage – und Bilder
Für diese Forschung ist ein aufeinander abgestimmter Geräteverbund notwendig, der nun an der Core Facility Hohenheim (CFH) etabliert werden konnte. Er besteht aus verschiedenen Mikroskopen und einem Isotopen-Massenspektrometer. „Wir freuen uns sehr über die fünf neuen Großgeräte“, erklärt Prof. Dr. Julia Fritz-Steuber. Sie hat als Prorektorin für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Transfer den Antrag initiiert. „Mit den Geräten können wir durch verschiedene bildgebende Analyseverfahren dasselbe Untersuchungsobjekt in unterschiedlichen Skalen betrachten – von Zentimeter bis Nanometer.“
Den Vorteil veranschaulicht sie an einem Beispiel: „Wenn Sie einen Vogel auf einem Baum sehen und ihn dann mit dem Fernglas näher betrachten wollen, finden Sie nur mit Mühe die gleiche Stelle wieder. Genauso würde es uns mit nicht abgestimmten Mikroskopen gehen. Doch bei unserem Geräteverbund wird bei der nächsten Skalenebene direkt an die gleiche Stelle des Untersuchungsobjekts gezoomt.“ Das sei vor allem für den Agrarbereich interessant: „In Hohenheim können wir die gesamte Skala abdecken, von der einzelnen Zelle bis zur Versuchsstation.“
Prof. Dr. Fritz-Steuber selbst will die neuen Geräte in der Nutztierforschung einsetzen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Jana Seifert untersucht sie wichtige Bakterien im Pansen von Rindern. „Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil des Geräteverbunds: die Visualisierung auf organischer, zellulärer und molekularer Ebene. Durch das bildgebende Verfahren können wir bereits visuell die Zusammensetzung des Konglomerats aus Futtersubstrat und Bakterien erkennen.“
Fünf hochleistungsfähige Geräte – ein Booster für die Forschung
Dr. Wilhelm E. Kincses, Leiter der Core Facility Hohenheim (CFH), die ebenfalls am Antrag beteiligt war, erläutert die Einsatzmöglichkeiten der neuen Infrastruktur. „Mit dem konfokalen Superresolution Mikroskop können wir zelluläre Strukturen untersuchen und Proteine in den Zellen lokalisieren. Das konfokale Laser-Scanning Mikroskop erlaubt eine Lebendzellanalyse sowie Untersuchungen von Zellstrukturen und ganzen Zellen. Mit dem korrelativen Raman-Rasterkraftmikroskop und dem Environmental Rasterelektronenmikroskop schließlich können wir unter anderem Oberflächenstrukturen lebender Organismen untersuchen.“
Wichtig für die Einordung der Ergebnisse aus diesen bildgebenden Verfahren sei jedoch das fünfte Gerät, ein funktional gekoppeltes Isotopenverhältnis-Massenspektrometer (IRMS). Es ermittelt die Isotopenzusammensetzung unterschiedlicher Materialien: „Anhand des Isotopenverhältnisses lässt sich die Herkunft von Nährstoffen rekonstruieren, Flüsse von Stoffen innerhalb der Pflanzen erstellen und die Interaktion von Pflanzen mit Insekten bestimmen“, so der Experte.
Die CFH, eine zentrale Einrichtung der Universität Hohenheim, betreibt die Großgeräte. Dafür gründet sie eine eigene „Imaging Unit“ als neues Modul. Alle Arbeitsgruppen der Universität Hohenheim, der Universität Tübingen und des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart können nun deren Services in Anspruch nehmen.
Proteine in den Zellen – Antwort auf äußere Reize
Zurück zur Forschung von Prof. Dr. Schulze: Sie fokussiert auf die kleinste Untersuchungsebene, die Einzelzelle. Denn kleine Zellen können große Wirkungen haben: Die Zelle ist der Ursprung der genetischen Vielfalt und beeinflusst mit ihren Anpassungsmechanismen den gesamten Organismus. „Die Proteine und andere Komponenten in den Zellen reagieren auf äußere Reize, etwa Extremwetter. Aus den Erkenntnissen hierzu leiten wir Vorhersagen auf die nächste Skalenebene ab: zum Beispiel zu den Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Insekten“, so Prof. Dr. Schulze.
Deren Interaktionen sind Forschungsgegenstand anderer Arbeitsgruppen, die so neue Erkenntnisse über ökologische Zusammenhänge gewinnen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei das Kompetenzzentrum Biodiversität und integrative Taxonomie (KomBioTa), eine Einrichtung der Universität Hohenheim und des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart.
Es schließen sich Gewächshausversuche im Hohenheimer Phytotechnikum an, bei denen Forschende unter definierten Bedingungen die Herkunft der Nährstoffe aus dem Boden untersuchen. „Letztendlich wollen wir die Erkenntnisse noch weiter hochskalieren und betrachten landwirtschaftliche Ökosysteme unter realen Bedingungen, also Agrarsysteme in Baden-Württemberg“, schließt Prof. Dr. Schulze. „Nur so erhalten wir die Basis, um Handlungsempfehlungen für die Praxis zu entwickeln.“
HINTERGRUND zur finanziellen Förderung des Imaging-Geräteverbunds
Am Forschungsverbund BioInterAct (Visualisierung der Pflanzen-Boden-Insekten-Interaktionen in klimagestressten Agrarsystemen) sind neben der Universität Hohenheim die Universität Tübingen und das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart beteiligt. Im Rahmen des Forschungsverbunds konnte der neue Geräte-Pool mit EU-Mitteln aus dem „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ EFRE als Teil der Reaktion der Union auf die Covid-19-Pandemie in Höhe von 2,6 Mio. Euro angeschafft werden.
Die Ausschreibung des EFRE-Programms durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) wurde durch eine Aufstockung aus dem Aufbauhilfeprogramm REACT-EU ermöglicht. Die Mittel dienen der Bewältigung der Pandemie-Folgen und sollen zur klimafreundlichen, digitalen und stabilen Erholung der Wirtschaft nach der Krise beitragen.
HINTERGRUND: Kompetenzzentrum Biodiversität und integrative Taxonomie (KomBioTa)
Das Artensterben und insbesondere der Rückgang der Insekten stellt eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts dar. Der Verlust an Vielfalt betrifft Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen, deren Fehlen die Funktion von Ökosystemen, und damit auch wichtige Serviceleistungen für den Menschen, wie die Bestäubung der Pflanzen bis hin zu fundamentalen Ökosystemleistungen, wie dem Reinigen von Luft und Wasser, gefährdet.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde KomBioTa im Jahr 2020 an der Universität Hohenheim und am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart aus Landesmitteln eingerichtet. Es bündelt zahlreiche Arbeitsgruppen an beiden Institutionen für gemeinsame Forschung und Lehre. Das Land fördert das Zentrum der Universität Hohenheim und des Naturkundemuseums Stuttgart im Rahmen der Landesinitiative „Integrative Taxonomie“ mit jährlich rund 1 Million Euro.
Weitere Informationen
Text: Elsner
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Julia Fritz-Steuber, Prorektorin für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Transfer an der Universität Hohenheim,
0711 459 22228, prorektorat-forschung@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Waltraud Schulze, Universität Hohenheim, Fachgebiet Systembiologie der Pflanze,
0711 459 24770, wschulze@uni-hohenheim.de
Dr. Wilhelm E. Kincses, Core Facility Hohenheim (CFH),
0711 459 22671, wilhelm.kincses@uni-hohenheim.de
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