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Schaufenster Bioökonomie: Bakterien sollen Waschmittel und mehr aus Holz produzieren [13.07.20]
Nahrungs- & Waschmittel, Arzneien & Pflanzenschutz: Uni Hohenheim will nachhaltige Produktion umweltfreundlicher Biotenside im künftigen Laubholz-Technikum erproben
Aus Holz kann man nicht nur Bretter und Feuerholz machen: Mit dem richtigen Know-how können daraus innovative und nachhaltige Produkte entstehen. Einer, der sich dieser Aufgabe widmet, ist Prof. Dr.-Ing. Rudolf Hausmann vom Fachgebiet für Bioverfahrenstechnik an der Universität Hohenheim in Stuttgart. In dem vom Land Baden-Württemberg in Lenningen neu gegründeten „Technikum Laubholz“ möchte er auf biotechnologischem Weg aus dem Rohstoff Laubholz moderne Tenside herstellen. Diese Biotenside können nicht nur spezielle Anforderungen der Industrie erfüllen, sondern über kurz oder lang auch eine Alternative zu den bisher aus Erdöl oder Pflanzenöl hergestellten Tensiden darstellen.
Wir begegnen ihnen tagtäglich mehrere dutzend Mal, oft ohne es zu wissen: Tenside. Was so chemisch klingt, ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Angefangen bei Wasch- und Reinigungsmitteln über Körperpflegeprodukte und Kosmetika bis hin zu Arznei- und Nahrungsmitteln, selbst in der Landwirtschaft werden sie als Pflanzenschutzmittel eingesetzt.
Vereinfacht ausgedrückt dienen Tenside dazu, zwei Komponenten miteinander zu verbinden, die sich normalerweise nicht mischen würden, wie beispielsweise Öl und Wasser.
Klingt kompliziert? Ist praktisch: So verschwinden beim Waschen die Flecken vom letzten Eisessen auf dem T-Shirt erst mit Hilfe der Waschmitteltenside, die die Fettrückstände im Wasser lösen. Oder bei der Herstellung von Mayonnaise: Hier sorgt das im Eigelb enthaltene Lezithin dafür, dass aus Wasser und Öl eine cremige Masse entsteht. Zwar spricht man bei Lebensmitteln nicht von Tensiden, sondern von Emulgatoren, aber das Wirkprinzip ist das gleiche.
Klassische Tenside basieren auf Erdöl oder Palmöl – mit negativen Folgen
Auch wenn es eine Vielzahl an natürlich vorkommenden Tensiden gibt, wird der Großteil von ihnen auf chemischem Weg hergestellt. Nur so kann der großindustrielle Bedarf mit seinen spezifischen Anforderungen an die Eigenschaften der Tenside gedeckt werden.
Dabei dienen hauptsächlich Erdöl und Pflanzenöle als Quellen. Beides ist auf Dauer nicht tragfähig, denn die Erdölvorkommen sind begrenzt und die verwendeten Pflanzenöle stammen zumeist entweder aus den in Verruf geratenen Palmölplantagen oder ihre Herstellung steht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, wie z. B. beim Rapsöl.
Bakterien stellen Biotenside aus Pflanzenabfällen her
Gefragt sind deshalb alternative Lösungen, die z. B. Pflanzenabfälle nutzen. Einen Ansatz verfolgt Prof. Dr. Hausmann. Er entwickelt biotechnische Verfahren, bei denen mit Hilfe von Bakterien aus nachwachsenden Rohstoffen Tenside hergestellt werden.
Gegenüber den chemisch hergestellten haben diese Biotenside zudem noch weitere große Vorteile: „Sie sind meist biologisch abbaubar, umweltfreundlich und einige von ihnen können sogar in Lebensmitteln eingesetzt werden. Zudem weisen sie eine hohe strukturelle Vielfalt auf, die sie für Spezialanwendungen interessant macht“, erläutert Prof. Dr. Hausmann.
Speziell gilt sein Interesse den so genannten Rhamnolipiden, die von Pseudomonas-Bakterien aus einem besonderen Zucker, der Rhamnose, und verschiedenen Fettsäuren gebildet werden. Die Mikroorganismen brauchen diese Substanzen, um pflanzliche Öle aus der Umgebung in Lösung zu bringen und als Energiequelle in ihr Inneres aufnehmen zu können.
Langfristiges Ziel: Die Produktionskosten soweit wie möglich senken
Bisher konnten sich die biotechnologisch hergestellte Rhamnolipiden auf dem Markt gegenüber den synthetischen Tensiden allerdings noch nicht durchsetzen. Ein Grund dafür ist die relativ geringe Produktausbeute, die ihre Herstellungskosten in die Höhe treibt.
Aktuell werden sie deswegen nur in Nischenbereichen eingesetzt. „Wenn Biotenside als Alternative zu den herkömmlichen Tensiden etabliert werden sollen, müssen die Produktionskosten soweit wie möglich gesenkt werden“, erklärt Prof. Dr. Hausmann.
Ein Schwerpunkt seiner Forschung liegt deswegen auf der Verbesserung des Produktions-Prozesses. „Dies kann nur durch eine gleichzeitige genetische und verfahrenstechnische Optimierung geschehen“, erläutert er. „Ziel ist es, in unseren Bioreaktoren einen möglichst hohen Bakterienbesatz zu erreichen, um daraus dann möglichst viel an der gewünschten Substanz zu gewinnen.“
Innovative Verwertungsmöglichkeit für Laubholz
Ein weiterer Ansatz, den er jetzt im neu gegründeten Technikum Laubholz verfolgen möchte, ist die mikrobielle Verwertung von so genannten Laubholz-Hydrolysaten. Dabei wird das Holz beispielsweise über eine Behandlung mit Enzymen, Säuren oder anderen Verfahren in seine molekularen Bestandteile zersetzt, die dann von den Bakterien verwertet werden können.
Was die Sache kompliziert macht: Dabei handelt es sich jedoch um ein Vielstoffgemisch aus verschiedenen Holzzuckern wie Xylose, Glucose, Arabinose und Mannose und den strukturgebenden Holzbestandteilen Zellulose, Hemizellulose und Lignin.
„Hieraus ergeben sich besondere biologische, technologische und biotechnologische Herausforderungen“, so Prof. Dr. Hausmann.
Um einen effizienten Prozess im Bioreaktor gestalten zu können, müssten diese Schritte aufeinander abgestimmt sein. Was jetzt schon teilweise im Labormaßstab funktioniert, soll langfristig im Technikum Laubholz auch für die Umsetzung in industriellen Großanlagen etabliert werden.
Vor allem Laubholz besitzt viele Abfallhölzer, für die es einen Markt braucht
Für Prof. Dr. Hausmann ist es eine gute Alternative, langfristig Laubholz sinnvoll zu nutzen: „Der Holzpreis sinkt und alternative Absatzmärkte sind gesucht“, weiß der Professor.
Aktuell wird ein Großteil des Laubholzes nur als Feuerholz verkauft. Insbesondere in Baden-Württemberg, das sehr reich an Buchenwäldern ist. Denn im Gegensatz zu Fichte, deren langer gerade gewachsener Stamm sich gut für die Holzverarbeitung eignet, gibt es bei der Buche einen großen Anteil an dünnen und krumm gewachsenen Ästen, wie z. B. in der Krone, die sich sonst nicht verwerten lassen.
HINTERGRUND: Technikum Laubholz
In der Forschungseinrichtung des Landes Baden-Württemberg sollen in enger Zusammenarbeit von Hochschulen, Universitäten, Forschungsinstituten und Partnern aus Industrie und Maschinenbau rasch industriereife Produkte aus Laubholzfasern entstehen.
In den nächsten beiden Jahren will das Land Baden-Württemberg das Technikum mit 30 Mio. Euro fördern, insgesamt sollen in den nächsten acht Jahren 100 Mio. Euro an Investitionen fließen.
Die Technikum Laubholz GmbH wurde am 01.04.2020 gegründet. Standort sind die Gebäude der ehemaligen Papierfabrik Scheufelen in Lenningen, Landkreis Esslingen.
HINTERGRUND: Wissenschaftsjahr 2020 Bioökonomie
2020 steht das Wissenschaftsjahr im Zeichen der Bioökonomie – und damit einer nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise. Es geht darum, natürliche Stoffe und Ressourcen nachhaltig und innovativ zu produzieren und zu nutzen und so fossile und mineralische Rohstoffe zu ersetzen, Produkte umweltverträglicher herzustellen und biologische Ressourcen zu schonen. Das ist in Zeiten des Klimawandels, einer wachsenden Weltbevölkerung und eines drastischen Artenrückgangs mehr denn je notwendig. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ausgerichtete Wissenschaftsjahr Bioökonomie rückt das Thema ins Rampenlicht.
Die Bioökonomie ist das Leitthema der Universität Hohenheim in Forschung und Lehre. Sie verbindet die agrarwissenschaftliche, die naturwissenschaftliche sowie die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät. Im Wissenschaftsjahr Bioökonomie informiert die Universität Hohenheim in zahlreichen Veranstaltungen Fachwelt und Öffentlichkeit zum Thema.
Weitere Informationen
Wissenschaftsjahr 2020 BMBF
#Wissenschaftsjahr2020 #DasistBioökonomie
Wissenschaftsjahr 2020 Hohenheim
Bioökonomie an der Universität Hohenheim
Expertenliste Bioökonomie
Text: Stuhlemmer
Kontakt für Medien:
Prof. Dr.-Ing. Rudolf Hausmann, Universität Hohenheim, Fachgebiet Bioverfahrenstechnik,
T +49 711 459 24720, E Rudolf.Hausmann@uni-hohenheim.de
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