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Waagrechte Bäume: Ministerin eröffnet surrealen Fassaden-Garten an Uni Hohenheim [26.04.18]
7.5.2018, 17:00 Uhr: Pflanzen & Weltraumtechnik in Symbiose bei feierlicher Eröffnung des vertikalen Hightech-Gartens für mehr Grün & bessere Stadtluft durch Theresia Bauer Ort: Uni Hohenheim, Heinrich-Pabst-Straße (schräg gegenüber Mensa), 70599 Stuttgart
Kopf in den Nacken: auf den ersten Blick wirkt es, als könne man die glatte Wand hochlaufen. Denn über eine der senkrechten Gebäudefassade an der Universität Hohenheim schlängelt sich neuerdings ein Weg! Zwischen grünen Stauden blühen Feuernelken. Vollends surreal wirken 3 mannshohe Ligusterbäumchen, die waagrecht aus der Fassade ragen - und sich um die eigene Achse drehen. Schöpferin der grünen Installation ist das Hohenheimer Startup „Visioverdis“. Denn dank ihrer zum Patent angemeldeten GraviPlant-Technik ist es der Firma gelungen, Gebäudefassaden als neue Lebensräume sogar für Großpflanzen zu erschließen. In Mega-Städten mit beschränktem Raum können solche Fassen-Gärten künftig Smog bekämpfen und das Stadtklima verbessern. Und tatsächlich bietet die Technik noch weitere ungeahnte Vorteile.
Die Eröffnung durch die Ministerin bildet gleichzeitig den Auftakt zu einer besonderen Abendveranstaltung: den Start Up Stories. Mit dieser Veranstaltungsreihe sucht Ministerin Bauer an allen 9 Landesuniversitäten das Gespräch mit jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Forschungsergebnisse in eine Geschäftsidee ummünzten.
Eine der Vortragenden an diesem Abend ist Dr. Alina Schick von der Firma Visioverdis, Erfinderin der sog. GraviPlants, eine Kombination von Pflanzen und Technik, die sogar Bäume waagrecht wachsen lässt. Inspiriert wurde sie durch ihre Studienfächer Gravitationsbiologie und Schwerkraftwahrnehmung von Pflanzen. Bereits zu dieser Zeit interessierte sie sich dafür, wie man auf einer Raumstationen wie der ISS Gemüse anbauen kann.
„GraviPlants“-Technik lässt Pflanzen auch in waagrechte Richtungen wachsen
In ihrer Anfangszeit montierte sie Obstbäumchen in Waschmaschinentrommeln und kleinere Nutzpflanzen auf rotierende Kübel. Denn durch die Drehbewegung ändert sich die Schwerkraft- und Licht-Wahrnehmung der Pflanzen.
In der Folge orientieren sich die Pflanze nach der letzten ihr bekannten Wuchsrichtung, bevor sie gedreht wurden. Auf der Erde können die rotierenden Pflanzen so in unterschiedliche Richtungen ausgerichtet werden – z.B. mit waagrechter Wuchsrichtung.
Unter dem Namen „GraviPlant“ hat Dr. Schick ihre Erfindung inzwischen zum Patent angemeldet.
Vertikale Fassaden-Gärten reagieren auf wachsenden Bedarf an urbanen Grün
Neben der surrealen Optik hat die ungewöhnliche Technik auch ein paar ganz reale Vorteile. Vor allem in smoggeplagten Großstädten.
„In Deutschland sind die Städte noch vergleichsweise grün. Wir bekommen jedoch zunehmend Anfragen aus Asien und dem arabischen Raum mit den dortigen Mega-Städten“, weiß Dr. Schick. Also aus Städten, in denen Raum für Grünanlagen längst Mangelware ist. „Diesen Städten gehört die Zukunft. Und der Bedarf an Begrünung wächst.“
Anders als die klassische Fassadenbegrünung mit einer Dicke von wenigen Zentimetern erlaubt die GraviPlant-Technologie eine Mehr-Schicht-Begrünung mit Baum- und Strauchschicht. Die Pflanzen spenden Schatten und kühlen durch Verdunstungskälte. Sie filtern die Luft und dämmen den Verkehrslärm. Und durch erhöhte Rotation könnten sie wie große Quirls sogar die Luft verwirbeln, was zusätzliche zur Smogableitung beitragen könnte.
Welch ein Plus an Lebensqualität dies bedeuten kann, weiß Dr. Schicks Mitarbeiterin Julia Andermann aus eigener Erfahrung: Bevor sie in das Startup Visioverdis einstieg, verbrachte sie mehrere Jahre in China. „Wie viele Menschen in Peking mussten wir uns angewöhnen, täglich im Internet nachzusehen, ob es ratsam ist die Kinder draußen spielen zu lassen.“ Die GraviPlants ihrer neuen Arbeitgeberin könnten helfen, das zu ändern.
GraviPlants-Rotation fördert Wachstum, Ertrag & Luftverbesserung durch Pflanzen
Doch auch die Pflanzen profitieren von Drehbewegung und waagrechten Wachstum. Ein Beispiel: „Normalerweise tragen Liguster-Bäumchen nur an den Zweigspitzen frisches Laub. Unsere sind bis ins Innere der Kronen begrünt“, verdeutlicht Dr. Schick.
Grund sei, dass das Sonnenlicht dank Drehung die Pflanzen von allen Seiten bescheine und es zu weniger Eigenbeschattung der Pflanzen kommt. Den Bäumchen beschere das mehr als die doppelte Blattmasse. Tomaten und Chilis zeigten in einigen Versuchen sogar leichten Mehrertrag als nicht gedrehte Pflanzen. Beim Einsatz der Pflanzen als Luftverbesserer stiegen dadurch auch Sauerstoffproduktion, CO2-Bindung, Feinstaubfilterwirkung und Verdunstung und Verdunstungskühle.
Computergestützte Technik im Untergrund
Eindrucksvoll und optisch beeindruckend sind die Gärten auch durch die verwendete Technik.
In der Dämmerung inszeniert Dr. Schick den Hohenheimer Garten durch die Beleuchtung mit kleinen Spots. Doch unter der Blattoberfläche steckt HighTech: Sensoren messen die Bodenfeuchte an den Pflanzenwurzeln. Ein Computer gleicht die Daten mit der Wettervorhersage ab und sorgt für automatische Bewässerung.
160 Kilo wiegt aktuell jeder GraviPlant samt Rotor und Pflanzenversorgungs-System. Rotationsgeschwindigkeit: zwischen 0,1 und 1,6 Umdrehungen pro Minute.
Die Stauden dazwischen drehen sich nicht. Sie stecken in Gitterkörben mit Substrat und einem Abdeck-Vlies. Zwei Tage lang war ein Kranwagen beschäftigt, diese Pflanzenkörbe sieben Meter hoch zwischen Stahlträger zu stapeln. Gesamtgewicht des Fassaden-Gartens mit ca. 30 qm und 72 Boxen: über die 15 Tonnen inklusive Wasser, Erde und Pflanzen
Neues Projekt „Skyfey“ zielt auf Landwirtschaft in urbanen Wohnblöcken
Zudem entwickeln Dr. Schick und Kollegium bereits neue Ideen. So testen sie zum Beispiel, wie sich Rotation und waagrechter Wuchs auf Medizinalpflanzen auswirken.
Eine weitere Idee: Das Projekt „Skyfey“ für Pflanzenbau in Wohnblöcken – diesmal ganz ohne Rotation. „In Städten müssen Rohstoff-, Wasser und Energiekreisläufe effizienter werden. Wir testen, wie sich Wohnen mit Indoor-Landwirtschaft kombinieren lässt.“
Bei „Skyfey“ sollen Pflanzen wie im Gewächshaus künstlich versorgt und beleuchtet werden. Dünger und die notwendige Energie würden die aufbereiteten Abwässer der Wohnblock-Bewohner liefern. Möglich macht dies ein Blockkraftheizwerk (BKHW).
Beleuchtet mit Kunstlicht im idealen Farb-Spektrum sollen die Äcker der Zukunft die Kellergeschosse der Wohnblöcke besiedeln. „Das ist wichtig, um die Top-Etagen weiterhin als Penthaus vermarkten zu können – die ertragreichsten Wohnflächen“, weiß Dr. Schick aus Gesprächen mit Architekten.
Letztlich gehe es bei jedem Projekt um die Vision, Technik und Botanik zu verbinden, um neue Lebensräume für Pflanzen im urbanen Raum zu schaffen..
Benachbartes Gewächshaus zeigt Anfänge der Graviplant-Forschung von Visioverdis
Im gleichen Gewächshaus lassen sich auch noch die Anfänge des Unternehmens bewundern. In einer Ecke steht noch die Waschmaschinen-Trommel, mit der Frau Schick neben ihrer Doktorandenzeit die ersten Pflanzen dreht.
„Promoviert habe ich eigentlich zu einem ganz anderen Thema in der landwirtschaftlichen Beratungslehre“, berichtet die Startup-Geschäftsführerin heute. „Die Idee stammt noch aus meiner Studienzeit – und hat mich seither nicht losgelassen.“
Denn eigentlich sei die Idee, rotierende Pflanzen in ungewöhnliche Richtungen wachsen zu lassen, schon 150 Jahre alt. „Erfunden wurden sie von Julius Sachs, der damals mit Uhrwerken arbeitete und diese Entwicklung als Klinostaten bezeichnete.“
Dr. Schick startete mit Scheflera, Sonnenblumen und Chillipflanzen. Dabei erlitt sie auch Fehlschläge: Weihnachtsstern und Zimmerzypressen wollen zum Beispiel nicht gerne gedreht werden.
Dafür konnte sie die Technik immer weiter verfeinern. 235 Kilo wogen noch die ersten Baummodule. Mit der neuen Variante, die im September auf den Markt kommt, konnte das Gewicht auf 160 Kilo reduziert werden.
Förderung & Betreuung durch Universität Hohenheim, Bund & Land Baden-Württemberg
Unterstützt und betreut wird ihre Arbeit auch durch die Gründungsförderung der Universität Hohenheim. „Dank dieser Beratung haben wir 2016 das erste Gründungs-Stipendium durch das Exist-Programm des Bundes bekommen“, berichtet Dr. Schick.
Seit 2017 fördert das Land das junge Unternehmen durch das Programm „Junge Innovatoren“. Ab März 2019 soll Visioverdis auf eigenen Beinen stehen. „Dazu gehört auch ein umfangreiches Coaching“, erklärt Dr. Kathrin Ballesteros Katemann, Gründungsreferentin der Universität Hohenheim. „Die Themen reichen von Team-Building bis zu den Marketingmaßnahmen. Außerdem dienen wir als Sparring-Partner für die Zeit nach der Förderung, damit die jungen Unternehmen in dieser schwierigen Phase marktfähig bleiben.“
Dabei ist es der Universität Hohenheim auch ein Anliegen, die Ideen ihrer Startups sichtbar zu machen. „Hier bot sich das 200ste Jubiläumsjahr der Universität geradezu an, die GraviPlant-Installation von Visioverdis als Innovationshotspot auf dem Campus umzusetzen“, kommentiert Bastian Strinz als Transfer- und Innovationsmanager.
Fachlich unterstützt und begleitet wird das junge Unternehmen an der Universität Hohenheim durch das Fachgebiet Düngung und Bodenstoffhaushalt des Instituts für Kulturpflanzenwissenschaften unter Leitung von Prof. Dr. Torsten Müller. Es stellt Dr. Schick und ihrem Team auch die nötige Infrastruktur zur Verfügung.
Projekt „HoMa – Hohenheim macht!“ will generellen Gründungsgeist fördern
Startups wie Visioverdis sind auch das Ziel von Prof. Dr. Andreas Kuckertz vom Fachgebiet Unternehmensgründungen und Unternehmertum. Um den Gründergeist auf dem Campus zu fördern entwickelte er das fakultätsübergreifende Projekt „HOMA! – Hohenheim macht“, das vom Land mit insgesamt 570.000 € gefördert wird.
„Unser Schwerpunkt sind Unternehmensgründungen aus der Bioökonomie“, erklärt der Fachmann für Existenzgründungen. „Dazu wollen wir Hohenheimer Technologien mit wirtschaftlichem Potential aufspüren und zum Erfolg verhelfen. Der Ansatz: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fakultäten A und N, die Interesse haben eine Technologie wirtschaftlich zu verwerten, mit kreativen, geschäftstüchtigen Studierenden der Fakultät W zusammenbringen.
Dazu veranstalten Prof. Dr. Kuckertz regelmäßig die sogenannte „Start-Up Garage“, bei denen Studierende die Existenzgründung im geschützten Raum durchspielen. Sobald es in die konkrete Existenzgründung geht, erhalten die künftigen Unternehmer konkrete Unterstützung durch das Referat Wissenstransfer, in dem auch Gründungsreferentin Dr. Ballesteros Katemann und der Transfer- und Innovationsmanager Bastian Strinz arbeiten.
Weitere Beispiele auf Veranstaltung „Start Up Stories“ mit Ministerin Bauer am 7.5.18
Erfolgreiche Beispiele für Unternehmensgründungen an der Universität Hohenheim präsentieren die Gründer im Anschluss an die Einweihung des vertikalen Gartens im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Start Up Stories“ mit Theresia Bauer als Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst.
Dabei tauscht sich die Ministerin direkt mit Studierenden und Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft über Gründungsaktivitäten an der Universität Hohenheim aus. Auf einer Podiumsdiskussion stellt sie sich auch den Fragen der Teilnehmenden. Die Veranstaltung beginnt um 18:00 Uhr in Schloss Hohenheim.
HINTERGRUND Startup Visioverdis
Seit 2009 forscht Dr. Schick an den waagrecht wachsenden Pflanzen. 2015 kam die Zusage für eine Förderung im Rahmen des EXIST-Programms. Das Stipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie fördert Gründungen aus der Hochschule heraus. Seit 2017 übernahm das Landesprogramm „Junge Innovatoren“ die Folgeförderung für weitere zwei Jahre
Beim PUSH! Campus Challenge der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) gewann das Visioverdis-Team im November 2015 außerdem den ersten Platz für die beste Geschäftsidee. Auch im Folgejahr kam der Gewinner aus Hohenheim: Geco-Gardens bietet platzsparende vertikale Kleingärten für den ökologischen Eigenanbau.
Teile der aktuellen Installation hatte die württembergische Landeskriche bereits im vergangenen Jahr für einen Ausstellungspavillon zum Lutherjahr in Wittenberg verwendet. Auch in Hohenheim wird der vertikale Garten nur während des Jubiläumsjahres zu sehen sein. 2019 könnten sich die waagrechten Linguster-Bäumchen auf der Bundesgartenschau in Heilbronn drehen. Mehr zum Unternehmen unter www.visioverdis.de
HINTERGRUND: 200 Jahre Universität Hohenheim
Bildung und Forschung als Schlüssel zum Überleben: Auf diesem Gedanken gründeten König Wilhelm von Württemberg und Königin Katharina im Jahr 1818 die damalige „Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt Hohenheim“ – die Vorläuferin der heutigen Universität. Anlass waren eine Klimakatastrophe, Missernten und Hungersnöte nach dem „Jahr ohne Sommer“. Ausgelöst hatte sie der indonesische Vulkan Tambora, der 1815 Tonnen von Asche und Staub mit der Sprengkraft von 170.000 Hiroshima-Bomben in die Atmosphäre spie.
200 Jahre später folgt die Universität Hohenheim ihrem Gründungsauftrag, durch Forschung und Lehre Beiträge zur Lösung globaler Herausforderungen zu liefern. Im Jubiläumsjahr 2018 feiert sie diese Arbeit mit 180 Veranstaltungen. Themen wie Ernährung und Gesundheit, Klima, Wasser und Ökosysteme, soziale Ungleichheit oder auch Bioökonomie spielen dabei ebenso eine Rolle wie die kulturellen Aspekte des Campuslebens. Programm und Infos unter www.uni-hohenheim.de/jubilaeum2018 und #hohenheim200 auf Facebook, Instagram und Twitter.
Text: Klebs
Kontakt für Medien:
Dr. Alina Schick, Universität Hohenheim / Firma Visioverdis GmbH
T 0711 - 459 24816, E, info@visioverdis.de, WWW.visioverdis.de
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