Neue Serie: Lehre im Aufbruch
Systemakkreditierung läuft [10.10.19]
Bild: Uni Hohenheim
Seit der Bologna-Reform sind Unis verpflichtet, ihre Studiengänge regelmäßigen Qualitäts-Checks zu unterziehen. Für die Akkreditierung beauftragten die Hohenheimer Fakultäten bislang externe Agenturen, die alle Studiengänge einzeln unter die Lupe nahmen. Künftig jedoch will die Uni das Qualitätsmanagement selbst in die Hand nehmen. Davon verspricht sie sich u.a. mehr Dialog, einheitliche und selbstgewählte Qualitätskriterien sowie die Möglichkeit, besser auf Hohenheimer Besonderheiten eingehen zu können. In den kommenden Monaten muss die Uni dafür zunächst im Rahmen einer sogenannten „Systemakkreditierung“ unter Beweis stellen, dass ihr internes Qualitätsmanagement die Anforderungen des deutschen Akkreditierungsrats erfüllt.
In der Vergangenheit war „Akkreditierung“ für viele Professorinnen und Professoren ein Reizwort. Viel Bürokratie, überschaubarer Mehrwert, Verlust an Autonomie, lautete die Kritik. 2016 sprachen sich in einer bundesweiten Befragung des Deutschen Hochschulverbands 98% der Teilnehmer dafür aus, die Akkreditierung abzuschaffen.
Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigte das Akkreditierungs-System zwar 2016 im Grundsatz, stieß aber eine umfassende Reform an. Mittlerweile haben die Bundesländer diese umgesetzt und per Staatsvertrag Verfahren und Kriterien für die Akkreditierung neu geregelt. Hochschulen haben die Wahl, ob sie die kontinuierliche Qualitätsentwicklung ihrer Studiengänge über einzelne Programmakkreditierungen oder über eine Systemakkreditierung nachweisen. Bei einer Systemakkreditierung wird das interne Qualitätsmanagementsystem der Hochschule als solches geprüft.
Mehr Dialog, weniger Bürokratie
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Die Uni Hohenheim hat vor anderthalb Jahren den Beschluss gefasst, den anspruchsvollen Weg der Systemakkreditierung einzuschlagen – und verspricht sich davon eine Reihe von Vorteilen im Vergleich zum bisherigen Verfahren.
„Bei der Akkreditierung einzelner Studienprogramme steht der Aspekt der Dokumentation im Vordergrund. Die Überprüfung zu einem bestimmten Zeitpunkt setzt immer nur punktuell an und kann wenig auf Hohenheimer Besonderheiten eingehen“, sagt Barbara Duffner, Leitung des Referats Qualitätsmanagement / Strategie Lehre im Rektoratsbüro.
„In Hohenheim war es bisher so, dass die Fakultätsverwaltung Informationen für einen Selbstbericht zusammenstellte, der einer externen Agentur vorlegt wurde. Diese machte sich im Anschluss vor Ort ein Bild bei einer Begehung und erteilte verbindliche Auflagen für den jeweiligen Studiengang. Mitunter kam es vor, dass die externen Prüfer für jeden Studiengang die Kriterien unterschiedlich auslegten und so kam es sogar zu widersprüchlichen Auflagen, die die Uni umsetzen sollte. Der strategische Blick aufs große Ganze blieb aus“, so Duffner.
Demgegenüber soll beim künftigen Verfahren der regelmäßige Austausch aller Akteure im Mittelpunkt stehen: Vom Studiendekan über die Studiengangsleitung und die Lehrenden bis zu den Studierenden und dem Rektorat.
Das QM System wurde unter Beteiligung aller mit der Lehre und dem Studium befassten Personen und Bereichen entwickelt, inklusive Studierender. Zum Auftakt fand eine universitätsweite öffentliche Veranstaltung statt und ein Kernteam wurde eingesetzt, um die Eckpunkte des QM-Systems zu erarbeiten.
Leitlinien sind dabei die Ziele, die sich die Fakultäten und die Uni selbst gesetzt haben. „Fakultäten sollen aus dem QM-Verfahren den größtmöglichen Mehrwert für die Weiterentwicklung ihrer Studiengänge ziehen können“, betont Duffner. „Daher steht in unserem neuen Verfahren der Aspekt des Dialogs im Vordergrund.“
Systemakkreditierung ist angelaufen
Die Vorbereitungen laufen seit anderthalb Jahren. Jetzt wird es ernst. Ob die Uni Hohenheim künftig das Siegel des Deutschen Akkreditierungsrats für ihre Studiengänge selbst verleihen darf, entscheidet sich voraussichtlich bis Ende 2020.
Im November wird dazu ein kritisches, externes Experten-Team auch erstmals dem Campus einen Besuch ausstatten, um sich vor Ort ein Bild von dem uni-internen Qualitätsmanagementsystem zu machen. Anfang 2020 wird dann eine zweite Begehung stattfinden, bei der die Wirksamkeit des Systems getestet wird.
Im Vorfeld der Systemakkreditierung haben bereits 3 Modellstudiengänge das neue QM-System durchlaufen. Bei positiver Beurteilung durch die Gutachter soll das System ab nächstem Jahr in den Dauerbetrieb übergehen und Schritt für Schritt bei allen Hohenheimer Studiengängen zur Anwendung kommen.
„Die Rückmeldungen aus den Modellstudiengängen waren überwiegend sehr positiv und wir fühlen uns gut vorbreitet. Nun hoffen wir, dass wir auch die externen Gutachter überzeugen können und mit einer positiven Empfehlung beim Akkreditierungsrat antreten können, um das Akkreditierungssiegel zu bekommen“, so Duffner.
Grundzüge des neuen QS-Systems
Das Hohenheimer QM-System ist in zwei Stufen gegliedert. Der sogenannte „Studiengangdialog“ soll jedes Jahr innerhalb der Fakultäten stattfinden. Das Format bietet einen Rahmen, um regelmäßig über aktuelle Entwicklungen und etwaige Probleme im jeweiligen Studiengang zu diskutieren und Maßnahmen für Verbesserungen zu ergreifen.
Gesprächsgrundlage ist ein aktuelles Datenblatt, das vom Referat für Qualitätsmanagement erstellt wird. Unter anderem sind dort Entwicklungen der Studierenden- und Bewerberzahlen aufgelistet, die durchschnittliche Abitur-Note der Bewerber, Abbrecher-Quoten, Module, die Studierenden besondere Schwierigkeiten bereiten, etc.
Außerdem sind im Info-Paket Ergebnisse von aktuellen Alumni- und Studierenden-Befragungen enthalten, die studiengangspezifisch ausgewertet werden, inklusive Vergleichswerte von anderen Universitäten. Außerdem steuert die zentrale Studierendenberatung ggfs. eine Ergänzung bei, wenn dort bestimmte Probleme im Zusammenhang mit einem Studiengang gehäuft aufschlagen.
Alle 8 Jahre werden die Gespräche im Format eines sogenannten „On Campus-Dialog“ ausgeweitet und 4 externe Experten miteinbezogen. Dabei handelt es sich um 2 Profs und eine Studentin bzw. einen Studenten einer anderen Universität, sowie einen Praktiker aus einem Berufsfeld, das für den jeweiligen Studiengang relevant ist.
„Anders als die Prüfer beim bisherigen Akkreditierungsverfahren nehmen die Experten hier in erster Linie die Rolle von ‚critical friends‘ ein, die eine Außenperspektive für die Diskussion beisteuern. Ihr tatsächlicher Prüfauftrag beschränkt sich auf eine Reihe von Kriterien, die vom Deutschen Akkreditierungsrat vorgegeben sind“, erklärt Duffner.
Das Siegel für den jeweiligen Studiengang wird nach einem abschließenden „Rektoratsdialog“ verliehen. Dabei vereinbaren die Fakultäten mit dem Rektorat Zielvereinbarungen, die sich am Ergebnispapier des „On Campus-Dialogs“ sowie an den strategischen Zielen der Uni orientieren, z.B. hinsichtlich der Internationalisierung oder einer Förderung des Forschenden Lernens in den Studiengängen. Festgeschrieben sind die strategischen Ziele der Uni im Struktur- und Entwicklungsplan der Universität (SEP).
Text: Leonhardmair