Bund und Länder stellen Weichen neu
Einigung zur Hochschulfinanzierung [05.05.19]
Wie viel zahlt der Bund in Zukunft für die Universitäten? Nach zähen Verhandlungen sind die Leitplanken dafür nun gesteckt. Das milliardenschwere Ausbauprogramm „Hochschule 2020“ soll unter neuem Namen dauerhaft verstetigt werden. Auch für den Qualitätspakt Lehre, mit dem derzeit z.B. das Projekt Humboldt reloaded finanziert wird, soll es ein Nachfolgeprogramm geben, allerdings in etwas geringerem Umfang. Das gaben Bund und Länder nach einer gemeinsamen Wissenschaftskonferenz am Freitag bekannt. Uni-Rektor Stephan Dabbert wertet die Einigung in einer ersten Einschätzung als bemerkenswerten Erfolg. Ein abschließendes Fazit sei derzeit allerdings noch nicht möglich. Denn die entscheidenden Verhandlungen mit dem Land über die Grundfinanzierung der Unis stünden erst noch bevor.
Hintergrund
Die Grundfinanzierung der Unis ist Sache der Länder. Doch die Bezeichnung ist etwas irreführend. Denn in den letzten Jahren ist der Betrag, den die Unis jedes Jahr ohne zusätzliche Auflage vom Land erhalten, zusammengeschrumpft und reicht längst nicht mehr, um den Forschungs- und Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten.
Forschungsprojekte werden seit Längerem fast ausschließlich aus Drittmitteln finanziert (z.B. von Bund, EU oder Land), die die Unis im Wettbewerbsverfahren einwerben. Und der enorme Ausbau der Studienplätze in den vergangenen Jahren wäre ebenfalls ohne Zusatz-Gelder des Bundes nicht möglich gewesen.
Um den Unis zu ermöglichen, mehr Studierende aufzunehmen, wurden zwei befristete Ausbauprogrammen eingerichtet, die beide im kommenden Jahr auslaufen:
- Hochschulpakt 2020: Für den Ausbau der Studienplätze stellen Bund und Länder derzeit jeweils 1,88 Mrd. € pro Jahr zur Verfügung. Entscheidendes Vergabekriterium: Zusätzliche Studierende im Vergleich zum Referenzjahr 2005. Da die Uni Hohenheim in diesem Zeitraum stark gewachsen ist, ist der Hochschulpakt für sie eine wichtige Säule im Haushalt.
- Qualitätspakt Lehre: Für die Förderung innovative Lehrprojekte stellt der Bund bislang 200 Mio. € jährlich bereit, die im Wettbewerbsverfahren vergeben werden. Mit dem Reform-Projekt Humboldt reloaded gehört Hohenheim dabei zu den besonders erfolgreichen Unis.
Auch nach dem Auslaufen der Programme bleiben die Unis auf Unterstützung durch den Bund angewiesen, um die neu geschaffenen Studienplätze zu erhalten.
Angesichts der schwachen Geburtenjahrgänge scheint sich der enorme Anstieg der Studierendenzahlen in Zukunft zwar nicht weiter fortzusetzen. Von einem Einbruch ist allerdings ebenso wenig auszugehen, da sich nach wie vor immer mehr Abiturientinnen und Abiturienten eines Jahrgangs für ein Studium entscheiden.
Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag deshalb in Aussicht gestellt, dass der Bund dauerhaft in die Finanzierung der Studienplätze einsteigen wird. Die genauen Bedingungen waren bis zuletzt jedoch unklar. Insbesondere die Sparziele des Finanzministeriums ließen die Universitäten in den letzten Monaten bangen. Eine Einigung zwischen Bund und Ländern schien kurzfristig sogar auf der Kippe zu stehen.
Hochschulpakt-Nachfolge ohne zeitliche Befristung
Nun allerdings können die Hochschulen aufatmen: Auf einer gemeinsamen Wissenschaftskonferenz haben sich Bund und Länder in der Nacht auf Freitag über die wichtigsten Weichenstellungen verständigt.
Das Nachfolgeprogramm des Hochschulpakts (neuer Name: „Zukunftsvertrag Studium und Lehre“) soll 2021 zunächst im gleichen finanziellen Umfang weiterlaufen wie der bisherige Hochschulpakt – allerdings ohne zeitliche Befristung.
Mit einem zentralen Anliegen konnten sich die Unis hingegen nicht durchzusetzen: Um zu verhindern, dass Tarifsteigerungen und Inflation die Programmmittel nach und nach aufzehren, hatten sie eine jährliche Erhöhung um 3% gefordert. Bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist eine solche Dynamisierung bereits seit Jahren üblich. Wissenschaftsministerin Anja Karliczek hatte dies für die Hochschulen im Vorfeld der Verhandlungen jedoch stets abgelehnt.
Immerhin soll es nun einen Kompromiss geben, mit dem viele nicht mehr gerechnet hatten: Ab 2024 sollen Bund und Länder ihren Anteil jeweils um 170 Millionen € auf 2,02 Mrd. € aufstocken. Dies entspricht einer 9%-igen Erhöhung nach 3 Jahren. 2027 soll außerdem über eine weitere Anpassung verhandelt werden.
„Es ist eine sehr gute Nachricht, dass die Ankündigung des Koalitionsvertrags eingelöst wird und der Bund dauerhaft in die Finanzierung von Studienplätzen einsteigt. Angesichts der schwierigen Verhandlungen ist das Ergebnis für Hochschulen deutlich besser ausgefallen, als man es zuletzt befürchten musste. Eine Dynamisierung der Mittel wäre für die Unis zwar sehr wichtig gewesen, aber immerhin ist nun erstmals überhaupt eine Erhöhung der Mittel eingeplant“, so Uni-Rektor Stephan Dabbert.
Neuer Verteil-Schlüssel
Änderungen soll es auch bei den Kriterien geben, nach welchen die Bundes-Gelder jedes Jahr an die Länder verteilt werden. Bislang war entscheidend, wie viele Studierende die Hochschulen im Vergleich zum Referenzjahr 2005 zusätzlich aufgenommen haben.
Beim neuen „Zukunftsvertrag“ soll künftig hingegen die Gesamtzahl der Studierenden maßgeblich sein. Belohnt werden dabei nicht nur Länder, deren Hochschulen besonders viele Studierende aufnehmen, sondern auch solche, die eine geringe Abbrecherquote und einen geringen Anteil an Langzeit-Studierenden aufweisen.
Konkret sollen die Gelder wie folgt an die Länder verteilt werden:
- 20% nach Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger
- 60% nach Gesamtzahl der Studierenden, die sich in Regelstudienzeit befinden
- 20% nach Zahl der Absolventinnen und Absolventen
Nach welchen Kriterien die Länder die Gelder anschließend an die Unis weiterverteilen sei bislang noch offen. Es liege jedoch nah, dass sich der Verteil-Schlüssel zumindest in Grundzügen auch hier widerspiegeln wird, schätzt Uni-Rektor Dabbert.
„Ich halte das neue Verteilsystem für besser als bisherige, weil die Gesamtzahl der Studierenden berücksichtigt wird und nicht lediglich der Aufwuchs seit 2005. Das alte System hat gerade bei kleineren Unis zu erheblichen jährlichen Schwankungen geführt“, so Dabbert.
Allerdings gebe es durchaus auch kritische Aspekte: „Im Grunde werden durch die Honorierung der Zahl der Absolventinnen und Absolventen finanzielle Anreize gesetzt, dass bei Prüfungen möglichst viele Studierende durchkommen. Es liegt in der Verantwortung der Universitäten, dafür zu sorgen, dass die eigenen Qualitätsmaßstäbe nicht heruntergeschraubt werden“, so Dabbert.
Unis sollen mehr wissenschaftliche Beschäftigte entfristen
Im Gegenzug zur Verstetigung der Gelder erwarten Bund und Länder von den Unis, dass sie mehr befristet Beschäftigten im wissenschaftlichen Bereich eine dauerhafte Anstellung ermöglichen. Dazu soll jedes einzelne Land mit dem Bund eine entsprechende Selbstverpflichtung aufsetzen. Damit kommen Bund und Ländern Forderungen von Gewerkschaften entgegen.
„Ich habe mich zu diesem Thema ja bereits ausführlich im Online-Kurier geäußert. Es ist sicherlich möglich, den Anteil an unbefristet Beschäftigten noch in gewissem Ausmaß zu erhöhen, allerdings werden in der Diskussion die eigentlichen Probleme, die zu den Befristungen führen, abermals ignoriert“, so Dabbert. „Ursache der jetzigen Situation ist nicht in erster Linie mangelndes Interesse der Universitäten an einer Verbesserung, sondern ein komplexes Regelungsgeflecht aus Arbeitsrecht, Haushaltsrecht und Drittmittelbestimmungen, das komplexe Reformen nötig hätte. Ein erster wirksamer Ansatzpunkt wäre es, wenn der Bund die Richtlinien für Drittmittelprojekte so anpassen würde, dass auch eine Finanzierung für Beschäftigte möglich ist, die bereits einen unbefristeten Vertrag haben.“
Außerdem sei eine Reform der Kapazitätsverordnung notwendig: „Andernfalls führen mehr Entfristungen nicht zu einem besseren Betreuungsverhältnis, sondern können die Relation sogar verschlechtern. Denn momentan sind die Unis ja dazu gezwungen, für jede Entfristung auch zusätzliche Studierende aufzunehmen“, so Dabbert.
Einsparungen bei der Förderung der Lehre
Auch für den „Qualitätspakts Lehre“ soll es ein Nachfolgeprogramm geben (neuer Name: „Innovationen in der Lehre“). Allerdings will der Bund statt 200 Mio. € künftig lediglich 150 Mio. € pro Jahr dafür bereitstellen. Zum Ausgleich sollen die Länder, die bislang noch gar nicht an dem Qualitätspakt beteiligt sind, ab 2024 ebenfalls 40 Mio. € jährlich beisteuern.
Um den Austausch der Hochschulen über qualitativ hochwertige Lehrprojekte und die Entwicklung von Evaluationskriterien für die Lehre zu fördern, soll außerdem eine neue zentrale „Institution für Qualität in der Lehre“ eingerichtet werden, die in begrenztem Umfang auch selbst Projektmittel vergeben kann, z.B. Auszeichnungen für besonders gelungene Projekte.
„Es ist positiv, dass die Weiterentwicklung der Lehre auch künftig durch den Bund gefördert wird. Die Kürzungen in diesem Programm sind natürlich ein Wermutstropfen. Besonders deshalb, weil sich die Uni Hohenheim mit dem Reform-Projekt Humboldt reloaded in der Vergangenheit überaus erfolgreich an den Ausschreibungen des Qualitätspakts beteiligt hat. Auch in Zukunft werden wir aber selbstverständlich wieder unseren Hut in den Ring werfen“, so Dabbert.
Rektor: Abschließendes Fazit noch nicht möglich
Ein generelles Fazit will Uni-Rektor Stephan Dabbert zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ziehen.„Die Einigung ist ein sehr wichtiger Schritt für eine nachhaltige Finanzierung der Universitäten. Tatsächlich bewerten kann man diesen in seiner Bedeutung für Hohenheim aber erst, wenn auch die Verhandlungen mit dem Land über die Grundfinanzierung der Unis abgeschlossen sind. Der Finanzierungsanteil des Landes Baden-Württemberg liegt für Hohenheim eine Größenordnung über dem des Bundes. Die bevorstehenden Verhandlungen mit dem Land zum Hochschulfinanzierungsvertrag können jetzt auf einem positiven Ergebnis auf Bundesebene aufbauen. Es bedarf aber erheblicher finanzieller Anstrengungen des Landes um zu einem tragfähigen neuen Hochschulfinanzierungsvertrag zu kommen. Nur wenn auch dies gelingt, wird die finanzielle Grundlage der Universität mittelfristig solide sein“, so Dabbert.
Text: Leonhardmair