1. „Bring Your Own Device“-Prüfung in BaWü
Uni-Klausur am eigenen Laptop [23.02.23]
Bild: Uni Hohenheim / Jan Potente
Programmiercode auf ein Blatt Papier schreiben? Das fühlt sich selbst in einer Klausur irgendwie seltsam an – und kann zu Fehlern führen. Doch auch in anderen Fächern gibt es gute Gründe für E-Prüfungen: Weniger Papier, schnellere Korrektur und vielfältigere Fragetypen sind nur einige davon. Die Uni Hohenheim will digitale Prüfungen deshalb nicht nur ausweiten, sondern auch auf ein neues Level heben. In einem Pilotprojekt, das so zum ersten Mal an einer Uni in Baden-Württemberg stattgefunden hat, konnten 40 Studierende nun erstmals ihren eigenen Laptop für eine computergestützte Klausur mitbringen.
Eine Prüfungssituation ist immer mit einer gewissen Anspannung verbunden. Gut, wenn man dann auf ein vertrautes Arbeitsmittel zurückgreifen kann. Das Angebot, in einer Klausur wahlweise den eigenen Laptop statt eines Uni-Geräts zu nutzen, kam daher bei vielen Studierenden gut an.
95% der Teilnehmenden gaben in einer anschließenden Befragung an, dass sie ihren Laptop auch für weitere E-Prüfungen nutzen würden und das Prüfungssystem als leicht bedienbar empfanden. 90% berichteten, dass sie sich gut auf die Prüfung konzentrieren konnten. 85% erlebten die Prüfung als weniger stressig bzw. gleich stressig im Vergleich zu einer Papier-Prüfung. Technische Probleme traten bei niemandem auf.
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Erfolgreicher Auftakt für mehr
„Eine Voraussetzung, um den eigenen Laptop in der Prüfung nutzen zu können, ist die Installation des Safe-Exam-Browser“, erklärt Silke Meyer von der Arbeitsstelle Hochschuldidaktik an der Uni Hohenheim. „Die Applikation wurde an der ETH Zürich entwickelt und stellt sicher, dass Studierende während der Prüfung nur auf freigegebene Websites und Programme Zugriff haben.“
Im Rahmen des Projekts PePP („Partnerschaft für innovative E-Prüfungen. Projetverbund der baden-württembergischen Universitäten“) begleitet Meyer das Pilotprojekt und bietet Beratung für Lehrverantwortliche, die künftig selbst ähnliche Klausuren an der Universität Hohenheim umsetzen wollen. Ihr Kollege Oliver Herrmann unterstützt auf technischer Seite.
„Die erfolgreiche und schnelle Umsetzung ersten ‚Bring Your Own Device‘-Klausur wurde möglich durch die maßgebende Vorarbeit und Unterstützung der Abteilung Kommunikation, E-Learning u. Print im KIM. Ansprechpersonen dort sind Christian Starke und Christine Berggold“, betont Meyer.
Im Sommersemester sollen weitere Prüfungen an das Pilotprojekt anknüpfen, u.a. auch in einer großen Lehrveranstaltung mit rund 450 Teilnehmenden. „Die Studierenden sollen sich dabei selbstverständlich nicht wie Versuchskaninchen vorkommen. Deshalb gibt es vorab immer eine Testklausur, bei der sich alle mit der Technik und den Prüfungsbedingungen vertraut machen können“, so Meyer.
Innovative Prüfung für innovatives Lehrformat
Die erste „Bring Your Own Device“-Prüfung fand im Rahmen des Qualifizierungsangebots „AI & Data Science Certificate Hohenheim“ (AIDAHO) statt. Es steht für alle Hohenheimer Studierende offen und vermittelt begleitend zum Studium umfangreiche Zusatzqualifikationen aus den Bereichen künstliche Intelligenz und Datenwissenschaften.
„Mit AIDAHO machen wir Studierende fit für die digitale Arbeitswelt und setzen auch in der Lehre auf innovative Formate. Was liegt also näher als ein digitales Prüfungsformat?“, erklärt Tobias Schrimpf die Motivation der Kursverantwortlichen. „Das ‚Bring Your Own Device‘-Format ermöglicht uns dabei größere Flexibilität bei der Planung, da wir weniger Geräte aus dem zentralen Leih-Pool benötigen. Es ist aus unserer Sicht deshalb auch für größere Lehrveranstaltungen sehr gut geeignet.“
E-Prüfungen bieten großes Potenzial
Ganz konkret mussten die Prüflinge Grundkenntnisse in den Programmiersprachen Python, R und SQL unter Beweis stellen. Im Rahmen der E-Klausur brachten sie dazu u.a. vorgegebene Code-Blöcke per Drag & Drop in die richtige Reihenfolge oder gaben selbst Teile von Programmierbefehlen ein, die noch während der Prüfung auf Fehler hin getestet werden konnten.
Ein nächster Entwicklungsschritt wäre, dass Code auch ausgeführt und automatisch bewertet wird. „Soweit sind wir noch nicht, an einer Möglichkeit Code automatisiert zu korrigieren arbeitet unser Team, insbesondere mein Kollege Jan Dvorak derzeit“, fügt Tobias Schrimpf vom Projekt AIDAHO hinzu.
„Die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten gehören zu den größten Vorteilen von E-Prüfungen“, betont auch Silke Meyer vom PePP-Team. „Beispielsweise können Videos, Grafiken, Screenshots oder Podcast-Beiträge ohne Probleme in Prüfungsfragen einbezogen werden.“
Aber auch die Arbeit der Dozent:innen werde erleichtert. Zum Beispiel durch die automatisierte Auswertung von Multiple Choice-Fragen oder durch den Einsatz eines Zufallsgenerators, um für alle Prüflinge unterschiedliche Varianten einer Klausur zu generieren. Auf diese Weise wird Abschreiben deutlich erschwert und im Hörsaal müssen zwischen den Studierenden weniger Plätze freibleiben.
Hintergrund PePP
Im Projektverbund „Partnerschaft für innovative E-Prüfungen“ (PePP) haben sich alle baden-württembergischen Universitäten im Land zusammengeschlossen. Die Projektleitung ist an der Universität Freiburg angesiedelt. Unterstützung leisten das „Hochschulnetzwerk Digitalisierung der Lehre Baden-Württemberg“ (HND-BW) sowie das Hochschuldidaktikzentrum Baden-Württemberg (HDZ).
Das Ziel von PePP ist es, hochschulübergreifend bereits existierende, erfolgreiche Ansätze für digitale Prüfungen in dauerhafte Lösungen zu überführen. Dies soll mit Hilfe sogenannter Reallabore geschehen, in denen technisch-didaktische Innovationen weiterentwickelt und an mehreren Universitätsstandorten in Baden-Württemberg in realen Situationen erprobt werden. Die Erfahrungen dieser Reallabore sollen dann in allgemeine Empfehlungen münden und allen Akteuren zur Verfügung gestellt werden.
Der Projektverbund wird gefördert durch die Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“.
Hintergrund AIDAHO
Das Qualifizierungsprogramm „AI & Data Science Certificate Hohenheim“ (AIDAHO) bietet Studierenden aller Fachrichtungen der Universität Hohenheim eine umfangreiche Zusatzausbildung in den Bereichen künstliche Intelligenz und Data Science. Hierzu belegen die Studierenden im Verlauf ihres Studiums insgesamt fünf Kurse und erhalten dafür ein Zertifikat, das die absolvierten Kurse und erworbenen Kompetenzen bescheinigt.
Gefördert wird AIDAHO durch die Bund-Länder-Initiative „Künstliche Intelligenz in der Hochschulbildung“ mit 1,4 Millionen Euro.
Text: Leonhardmair