Ein Kaffee mit Thorsten Quandt, Professor

Sparkurs: Erster Spitzen-Wissenschaftler geht  [05.05.12]

Studierende hatten es bei der Protest-Aktion letzte Woche bereits befürchtet. Jetzt ist seine Entscheidung gefallen: Kowi-Prof Thorsten Quandt folgt einem Ruf der Uni Münster. Mit ihm gehen Forschungsgelder in Millionenhöhe. Damit ist Quandt der erste Spitzen-Wissenschaftler, der Hohenheim in Folge des jüngst verordneten Sparkurses verlässt. Der Online-Kurier hat ihn zu seinen Gründen befragt.

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Herr Quandt, es waren zuletzt unruhige Tage. Wie fühlen Sie sich nach der Entscheidung?

Ehrlich gesagt, merkwürdig. Dass man als Professor einen Ruf einer anderen Uni erhält, ist ja im Unialltag nichts Unnormales. Das System der W-Besoldung ist genau darauf angelegt, diesen Wettbewerb zwischen den Unis zu fördern.

Doch die Umstände der Bleibe-Verhandlungen waren diesmal eben alles andere als normal. Denn das Ministerium besteht darauf, dass die Uni mit sofortiger Wirkung keine unbefristeten Zulagen für Professoren mehr vergeben darf.

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Die Studierenden, meine Kowi-Kollegen und der neue Rektor haben bis zuletzt versucht, hier noch einige Hebel in Bewegung zu setzten. Dennoch war Hohenheim letztlich gezwungen, mir ein anderes Angebot zu machen als dies aus den Vorgesprächen mit dem vorigen Rektor zu erwarten war.

In der Regel ist es die Leidenschaft fürs Forschen, die einen zu diesem Beruf motiviert. Spielen Leistungszulagen dann wirklich eine so große Rolle?

Geld ist in der Tat kein guter Anreiz, um Professor zu werden. Vielleicht zum Vergleich: Ein Oberstudienrat am Gymnasium verdient ab einem bestimmten Dienstalter mehr als ein W2-Professor mit Grundgehalt, ein Studiendirektor mehr als ein W3-Prof.

Allerdings finde ich die Diskussion über die Angemessenheit des Gehalts in diesem Zusammenhang müßig. Es geht eher um die Frage des universitären Wettbewerbs.

Mit Einführung der W-Besoldung hat man das Grundgehalt der Professoren massiv gegenüber der alten C-Besoldung gekürzt und gesagt: Ihr könnt es euch durch besondere Leistungen wieder aufstocken. Es war politisch gewollt, den Wettbewerb zu fördern und Anreize für mehr Leistung zu setzen.

Wenn Hohenheim solche Zulagen ab sofort nur noch zeitlich befristet vergeben kann, ist das ein bedenkliches Signal. Man zieht sich an dem Punkt gewissermaßen aus dem Wettbewerb zurück. Und das wirkt sich auf die Konkurrenzfähigkeit bei allen Berufungen aus.

Gerade wenn die Leidenschaft fürs Forschen im Mittelpunkt steht, muss ich als Prof ja sehen, wo mir und meinem Team langfristig die besten Bedingungen geboten werden.

Dennoch hat Hohenheim versucht sie zu halten. Wie groß war denn der Unterschied zwischen dem Angebot der Uni Münster und der Uni Hohenheim?

Sie werden verstehen, dass ich keine konkreten Zahlen nennen möchte. Es gab aber in einigen Parametern klare Unterschiede. Die Höhe der Zulagen spielte dabei gar nicht die entscheidende Rolle, sondern die Befristung. Was Hohenheim aktuell bieten kann, fällt nach einer gewissen Zeit wieder weg.

Und wie gesagt: Es geht mir um den langfristigen Rückhalt, mit meinem Team Forschung auf hohem Niveau betreiben zu können. Münster konnte mir diese Sicherheit bieten, Hohenheim aktuell nicht. Zumal, wie erwähnt, bestimmte Aussagen zurückgenommen werden mussten. Das ist für das notwendige Vertrauen in solchen Verhandlungen nicht hilfreich.

Ich gehe außerdem davon aus, dass es in meinem Fall sehr schwierig gewesen wäre, die befristeten Zulagen in Hohenheim zu einem späteren Zeitpunkt zu verstetigen. Denn wenn ich mich bei dem sehr attraktiven Angebot gegen Münster entschieden hätte, wäre auch mein ganz persönlicher Wert im Wettbewerbssystem der W-Besoldung gesunken.

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Weshalb?

Die Scientific Community beobachtet Berufungsverfahren sehr genau. Hätte ich jetzt ausgeschlagen, hätte mir das den Ruf eingebracht, an der Uni Hohenheim tatsächlich um jeden Preis bleiben zu wollen. Und damit gewissermaßen „unberufbar“ zu sein. Bei Berufungen spielen solche Signale eine wichtige Rolle.

Man muss wissen: Der Ruf an eine andere Uni ist für Professoren üblicherweise die einzige Gelegenheit, um über Ausstattung und Zulagen zu verhandeln.

Hinzu kommt, dass Professoren für solche Verhandlungen insgesamt nur ein sehr schmales Zeitfenster bleibt. Die Bundesländer haben eine Altersobergrenze für Berufungen. Die liegt meist bei 52 Jahren. Die meisten Professoren sind jedoch – wie ich – schon Ende Dreißig oder Anfang Vierzig, wenn sie das erste Mal auf einen Lehrstuhl kommen.

Insofern ist auch die Aussage, dass Hohenheim möglicherweise für mehrere Jahre keine unbefristeten Zulagen mehr bezahlt, ein schlechtes Signal für die Betroffenen. Letztlich gibt es dann für mehrere Jahre kein sogenanntes „Rückverhandlungspotenzial“, und man verliert einen großen Teil seiner „berufbaren“ Zeit bis 52 Jahre.

Klingt kompliziert.

Das ist es auch – viele Professoren lassen sich daher auch bei den Verhandlungen coachen, weil es so ein schwieriges System ist. Eigentlich bizarr, wenn man überlegt, um welche geringen Summen es zum Teil geht, verglichen mit anderen Berufen mit ähnlicher Verantwortung. Aber genau dieses System war ja politisch gewollt.

Die Studierenden haben letzte Woche zu einer spontanen Protest-Aktion aufgerufen. Können Sie deren Wut verstehen?


Natürlich. Sie haben schnell erkannt, dass die Haltung des Ministeriums zu gravierenden Einbußen in der Lehre führen kann, weil Professoren wegfallen und etablierte Kollegen nicht gewonnen werden können. Auch das Anwerben von Berufseinsteigern birgt die Gefahr, dass diese schnell wieder wechseln, wenn es andere Angebote gibt. Und Hohenheim müsste jetzt an vielen Ecken was drauflegen, um die fehlenden Anreize bei den Zulagen auszugleichen.

Ich hoffe wirklich, dass das Ministerium einlenkt – und Hohenheim mehr Spielraum gibt, das Budget für Professoren wieder auszugleichen. Man hätte die Uni vorwarnen und ihr eine gewisse Frist zur Lösung einräumen sollen, ohne dass gleich ein Flurschaden entsteht. Natürlich kann man auf die Gesetzeslage verweisen – aber wo bleibt da das Augenmaß?

Schließlich verliert die Uni nicht nur Professoren, sondern auch Forschungsgelder. Denn die sind meist an den jeweiligen Wissenschaftler gebunden. Insgesamt rechnet sich das alles nicht. Die Uni verliert, aber auch das Land.

Wann verlassen Sie Hohenheim?

Mein Dienstbeginn in Münster ist voraussichtlich der 1. Oktober. Bis dahin werde ich gemeinsam mit den Hohenheimer Kollegen alles daran setzten, damit die Lücke in der Lehre nicht all zu groß ausfällt. Sowohl die Studierenden als auch die Kollegen in der Hohenheimer Kommunikationswissenschaft sind phantastisch. Und ich habe einen tollen Rückhalt erleben dürfen. Der Abschied fällt mir nicht leicht.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Leonhardmair

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