Ein Kaffee mit… Dr. Robert Amann

Hohenheimer Lehrpreisträger im Interview  [27.07.18]

Unirektor Stephan Dabbert übergibt den Hohenheimer Lehrpreis 2018 an Robert Amann. Bild: Uni Hohenheim

Dass einige seiner Studierende mit Chemie auf Kriegsfuß stehen, ist Dr. Robert Amann wohl bewusst. Dennoch hält er an seinem Anspruch fest, alle Studierende mitzunehmen – und den Funken Begeisterung vielleicht auch bei denjenigen zum Überspringen zu bringen, die den Stoff ursprünglich als trockene Angelegenheit angesehen haben. Auf Vorschlag der Fachschaft erhielt Dr. Robert Amann für sein besonderes Engagement den Hohenheimer Lehrpreis 2018, der mit 10.000 € dotiert ist. Der Online-Kurier hat ihn zum Kaffee getroffen.

 

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Herr Amann, herzlichen Glückwunsch zum Hohenheimer Lehrpreis! Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?


Vielen Dank für den Glückwunsch! Die Nominierung durch die Fachschaft betrachte ich als eine überaus schöne Wertschätzung. Sie hat mich völlig überrascht und ich bin im positiven Sinne geplättet.

Ich bin wahrscheinlich nicht der typische Kandidat für den Lehrpreis. Ich bin im November 30 Jahre an der Uni Hohenheim. Zuerst als Doktorand, anschließend in erster Linie als Beauftragter für die Bereiche Sonderabfall und Gefahrgut. Dies sind bis heute meine Aufgabenschwerpunkte.

Daneben unterstütze ich den Lehrstuhl für Bioorganische Chemie auch in gewissem Umfang im Bereich Lehre. Diese Tätigkeit empfinde ich als ausgesprochen erfüllend, weil ich sehr gerne an meine eigene Studienzeit an der Uni Heidelberg und an der Oregon State University zurückdenke.

Unter den Professoren und Dozenten waren damals – diesseits und jenseits des großen Teichs – einige höchst faszinierende Persönlichkeiten. Sie haben es geschafft, meine Begeisterung für das Fach Chemie zu entfachen. Es ist mir bis heute ein Herzensanliegen, diese Inspiration und die Unterstützung, die ich selbst erfahren habe, weiterzugeben.

…und das kommt offenbar bei den Studierenden an. Großes Lob gibt es besonders für Ihre Fähigkeit, jeden Einzelnen abzuholen – selbst Studierende, die mit Chemie eher auf Kriegsfuß stehen.

An der Uni Hohenheim gibt es keinen Chemie-Studiengang. Unsere Lehrveranstaltungen besuchen Studentinnen und Studenten aus unterschiedlichen Studiengängen der Fakultäten Naturwissenschaft bzw. Agrarwissenschaft. In den Bachelor-Modulen vermitteln wir ihnen chemisches Grundlagenwissen, das sie in ihrem weiteren Studium und oftmals auch in späteren Berufsfeldern benötigen.

Jeder, der einen dieser Studiengänge beginnt, weiß, dass auch Chemie darin eine Rolle spielt. Dennoch liegt es in der Natur der Sache, dass das Interesse am Fach und das mitgebrachte Vorwissen sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Dabei gibt es immer auch junge Menschen, die sich mit Chemie zu Schulzeiten eher schwergetan haben – und die mit entsprechend großer Anspannung auf unsere Prüfungen blicken.

Dieser didaktischen Herausforderung versuche ich mich bewusst zu stellen. Mein persönlicher Anspruch ist es, möglichst all denen gerecht zu werden, die ernsthaft bemüht sind, sich den Stoff unserer Lehrveranstaltungen anzueignen. Wenn es mir gelingt, auch bei denjenigen Interesse zu wecken, die den Stoff ursprünglich nur als trockene Materie angesehen haben, freut mich das natürlich ganz besonders.

Wie gelingt Ihnen das?

Ganz generell möchte ich den Studentinnen und Studenten vermitteln, dass sie die Zeit, die sie fürs sture Auswendiglernen aufwenden, deutlich effektiver investieren können: Wer die entscheidenden Grundprinzipien chemischer Reaktionen einmal verstanden hat, kann neues Wissen recht einfach daran anknüpfen – und idealerweise macht das Lernen dann ja auch Spaß.

Eine wichtige Rolle spielen dabei aus meiner Sicht gut aufbereitete Zusatz-Materialien, die je nach Bedarf und in individuellem Tempo genutzt werden können mit dem Ziel, den Stoff der Lehrveranstaltungen besser nachzuvollziehen. In den vergangenen Jahren habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, solche maßgeschneiderten Foliensätze zu entwickeln, bei deren Lektüre alle Interessierten sich je nach ihrem Kenntnisstand entweder rasch durchklicken oder entsprechend länger verweilen, um die Inhalte in Ruhe zu verinnerlichen und so verstehen zu können.

Darüber hinaus haben wir ein freiwilliges Seminar zum chemischen Praktikum ins Leben gerufen, in dem ich ausgewählte Folien präsentiere. Außerdem biete ich den Teilnehmern an, sich mit Rückfragen auch außerhalb der Lehrveranstaltungen an mich zu wenden.

Foliensatz ist nicht gleich Foliensatz: Was ist Ihnen beim Erstellen der Materialien wichtig?


Nach der Einführung des Bachelor-/Master-Systems habe ich den Lehrstuhl unter anderem bei der Korrektur der Klausuren unterstützt. Dabei habe ich mich immer bemüht, fehlerhafte Denkprozesse nachzuvollziehen und herauszufinden, wo genau das Verständnisproblem liegt.

Diese Arbeit gab für mich ursprünglich den Anstoß, die Foliensätze zu entwickeln. Zugleich schärfte sie das Gespür dafür, welche Erklärungen die Studentinnen und Studenten benötigen.

Generell lege ich viel Wert darauf, Zusammenhänge Schritt für Schritt zu erklären und auch praktische Anleitungen an die Hand zu geben zum korrekten Zeichnen wichtiger chemischer Formeln, wie zum Beispiel die des Traubenzuckers.

Wo möglich, versuche ich den abstrakten Stoff durch konkrete Anwendungsbeispiele anschaulich zu machen, die einen Bezug zum jeweiligen Studienfach oder zu möglichen Berufsfeldern herstellen. Für etwas Auflockerung sorgen außerdem Kurz-Portraits von Chemikern, deren Biografien oft mit höchst spannenden Geschichten verknüpft sind.

Für das ergänzende Seminar wähle ich besonders wichtige Folien aus, entferne den Text und erläutere die Grafiken mündlich. Zur Verbesserung des Verständnisses für die Materie würze ich die Präsentation ab und zu gerne mit einer Prise skurrilen Humors. Als Eselsbrücke schreibe ich den Molekülen und ihren Reaktionspartnern dann menschliche Eigenschaften zu und versuche auf diese Weise, das Reaktionsverhalten möglichst anschaulich zu erklären.

Der Hohenheimer Lehrpreis ist mit 10.000 € dotiert, die im Bereich Lehre eingesetzt werden sollen. Wissen Sie bereits, wofür Sie den Betrag verwenden möchten?


Das ist eine Menge Geld und ich muss mir darüber noch Gedanken machen. Eine erste Idee für einen kleinen Teil des Preisgelds habe ich allerdings bereits.

Wir erwarten von unseren Praktikumsteilnehmern, dass sie sich den Stoff der Versuche vor Beginn der Veranstaltung aneignen, damit sie zumindest ansatzweise nachvollziehen können, was sich im Reaktionsgefäß abspielt. Allerdings halten wir es nicht für sinnvoll, Kurztests als verpflichtenden Bestandteil einzuführen, um zu überprüfen, ob alle den Stoff auch wirklich parat haben.

Stattdessen würde ich gerne ein spielerisches Element aufnehmen, das mir aus meiner Studienzeit in den USA noch sehr lebhaft in Erinnerung geblieben ist.

Dort wurden die Teilnehmer eines Seminars für die gesamte Laufzeit in zwei Gruppen eingeteilt. Zu Beginn jeder Sitzung waren die Mannschaften aufgefordert, in Gemeinschaftsarbeit Lösungen zu komplexen chemischen Fragen zu erarbeiten, welche die Professoren ausgewählt hatten und die ein sogenannter Team Captain dann vorstellte. So wurde die Gruppenarbeit geschickt mit dem spielerischen Wettbewerb kombiniert. Am Ende des Semesters erhielt die Gruppe mit der höchsten Gesamtpunktzahl einen kleinen Preis.

Vielleicht ließe sich ein solcher Preis als Motivation zur intensiveren Beschäftigung mit dem Praktikumsstoff bei uns ja auch mit der Unterstützung einer studentischen Gruppe oder eines sozialen Projekts verknüpfen. Das wäre eine Win-Win-Situation für alle Seiten. Konkret denke ich z.B. an ein Projekt, von dem mir unlängst eine Studentin berichtete. Sie unterstützt mit ihrem Verein Zinduka e.V. eine Grundschule in Kenia.

Wir werden berichten. Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Leonhardmair

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