Neue Profs: Christine Wieck

Sie schafft den Durchblick in der Agrarpolitik  [31.01.19]

Prof. Dr. Christine Wieck leitet das Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik | Foto: Universität Hohenheim / Dorothea Elsner

Vernetztes Denken ist das A und O für alle, die in der Agrarpolitik den Durchblick behalten wollen – und etwas, das Studierende in den Vorlesungen von Prof. Dr. Christine Wieck lernen können. Die Afrika-Expertin leitet seit Februar das Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik.


Seit Jahren erforscht sie die agrarpolitischen Entscheidungen in der EU, aber auch die agrarpolitischen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Afrika und den internationalen Handel mit Agrar- und Lebensmittelprodukten.


Frau Wieck, was wollen Sie den Studierenden beibringen?

In der Agrarpolitik ist ein aggregierter Überblick wichtig, um zu verstehen, wie die Dinge zusammenhängen. Nehmen Sie als Beispiel den Wegfall der Milchquote vor einigen Jahren bei uns in der EU – das hat sich global ausgewirkt. Wir müssen weg vom Denken nur für einzelne Märkte oder Produkte, hin zum vernetzten Denken. Das will ich den Studierenden vermitteln.

Das Fachgebiet hat nach dem Weggang Ihres Vorgängers Harald Grethe seinen Namen nicht verändert. Gibt es einen nahtlosen Übergang? Was machen sie anders?

Herr Grethe arbeitete mit Simulationsmodellen für einzelne Märkte oder ganze Länder. Ich dagegen bevorzuge ökonometrische Modelle, gucke mir aber auch Institutionen und Prozesse an, die einer Entscheidungsfindung zugrundliegen. Ebenso interessiere ich mich für die Rolle von NGOs und der Zivilgesellschaft in der Agrarpolitik.

Freies Assoziieren



Was ist denn der Unterschied zwischen den verschiedenen Modellen?

Partialmarkt oder angewandte Gleichgewichtsmodelle sind auf ein bestimmtes Basisjahr kalibriert, schauen in die Zukunft und simulieren die Auswirkungen, die Politikmaßnahmen mit sich bringen.

Beim ökonometrischen Modell dagegen arbeiten wir mit längeren Datenreihen oder machen Vergleiche über Länder hinweg. Die Modelle sind kleiner und schneller aufzubauen und fokussierter zugeschnitten.

Und welche Forschungsthemen stecken dahinter?


Meine Forschungsthemen hängen eng mit meiner früheren Tätigkeit zusammen: Vor meiner Tätigkeit in Hohenheim war ich 2,5 Jahre bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, der GIZ, in der Politikberatung tätig – also nah dran an der praktischen Agrar- und Entwicklungspolitik. Es ging dabei um die Auswirkungen der EU Agrarpolitik und der EU Handelspolitik, gerade auf Afrika.

Durch die europäische Exportstrategie ist zum Beispiel der Export von Schweinefleisch nach Asien und von Milchpulver nach Nordafrika gestiegen. Und es ging allgemein um die Frage, welche agrarpolitischen Strategien und Instrumente notwendig sind, damit Entwicklungsländer ihre eigene Agrar- und Ernährungswirtschaft stärken können.

Als Forschungsthema haben mich aber auch schon immer die Auswirkungen von Lebensmittelhygienestandards und Tierseuchenstandards interessiert. Diese Standards sind auch ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der Agrar- und Ernährungsmärkte. Sie können große Probleme bewirken, wenn sie ungerechtfertigt eingesetzt werden oder sehr unterschiedlich zwischen Ländern sind. In der Vergangenheit habe ich mir zum Beispiel angeguckt, welche Auswirkungen die geringe Harmonisierung von Lebensmittelstandards zwischen EU, USA und Japan auf die europäische Agrar- und Ernährungsindustrie hatte.

Sie forschen also weltweit?

Ja, aber auch die agrarpolitische Willensbildung der EU und Deutschlands ist Gegenstand meiner Forschung. Dazu schaue ich mir den Diskurs genau an, betrachte die Ansichten des Bauernverbands und wie sich der Diskurs im Laufe der Zeit verändert. Ich vergleiche zum Beispiel die deutsche Debatte mit der in Polen oder Frankreich. Die Agrarwirtschaft in Europa profitiert von dem gemeinsamen Binnenmarkt der EU, aber es gibt auch einen Trend zurück zur Regionalisierung.

Interessant ist übrigens auch die Debatte zum Tierwohl. Da reagiert die Agrarpolitik nur langsam bis überhaupt nicht. Eine Folge dessen ist, dass jetzt die Industrie die Standards setzt. Dabei sollte das doch eine öffentliche Aufgabe sein.

Arbeiten Sie auch im Bereich Bioökonomie?

Da die Landwirtschaft ein Teil der Bioökonomie, gehört diese implizit dazu. Aber in Zukunft möchte ich mich auch konkreter damit beschäftigen. Beispielsweise wären Regulierungsfragen zu neuen Produkten interessant zu untersuchen, etwa von Eiweißprodukten oder Leguminosen in Europa, oder wie die Agrarpolitik noch enger mit der Bioökonomie-Politik verknüpft werden kann.

Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik

Seit 1.2.2018 leitet Prof. Dr. Christine Wieck das Fachgebiet. Es wurde nach dem Wechsel ihres Vorgängers Prof. Dr. Harald Grethe an die HU Berlin in unveränderter Ausrichtung wiederbesetzt. mehr


Können sich Studierende denn an Ihrer Forschung beteiligen?

Aber sicher, Masterarbeiten gibt es, und auch als studentische Hilfskraft kann man bei mir arbeiten. Seminararbeiten sind natürlich ebenfalls möglich. Für Humboldt reloaded war es vergangenes Sommersemester jedoch leider schon zu spät, aber dieses Jahr wollen wir uns an „Forschung schnuppern“ und vielleicht auch mit einem Humboldt-Projekt beteiligen.

Was kennzeichnet für Sie gute Lehre?


Auf jeden Fall interaktive Lehre, mit viel Diskussion, Fragen und Antworten. Sinnvoll ist, wenn die Studierenden selber Themen vorstellen. Und ganz wichtig ist mir immer der Bezug zu aktuellen Themen aus Agrarpolitik und der Agrar-und Ernährungswirtschaft.

Wo arbeiten denn Ihre Absolventinnen und Absolventen später?

Das ist recht breit gefächert: in Verbänden, Lobby-Organisationen, Unternehmen, der Agrarverwaltung, Ministerien oder internationalen Organisationen…

Hätten Sie einen guten Rat, den Sie den Studierenden mit auf den Weg geben möchten?

Gehen Sie mit Neugier durch die Welt, und verlieren Sie nie aus dem Blick, was Sie interessiert.

Bevor Sie nach Hohenheim kamen, waren Sie an der Uni Bonn, an der Washington State University und bei der GIZ. Wie gefällt es Ihnen jetzt hier in Hohenheim?

Sehr schön ist es hier, es ist ein besonderes Flair, wenn die Studierenden im Sommer vor dem Schloss auf den Wiesen sitzen.

Eine letzte Frage, Frau Wieck: Wie verbringen Sie denn Ihre Freizeit?


Vor allem mit meiner Familie und meinen Kindern. Außerdem gehe ich gern wandern in die Berge. Dann gibt es noch meine Rosenbeete – und für Krimis habe ich auch eine Schwäche.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Wieck!

Interview: Elsner

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