Schwergewichte der Forschung

Schweineställe werden fit fürs Tierschutzlabel  [04.07.17]

Schweine lieben es, im Stroh zu wühlen | Bildquelle: Universität Hohenheim / Sacha Dauphin

Mehr Platz, strukturierte Buchten und Einstreu zur Beschäftigung: Die Anforderungen des Tierschutzlabels „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes gehen deutlich über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus. Um sie zu erfüllen, müssen Landwirtschaftsbetriebe ihre Schweineställe umbauen. Wie das in der Praxis gelingen kann, untersucht ein Team der Uni Hohenheim mit seinen Kooperationspartnern im Projekt „Label-Fit“.


Verbraucherinnen und Verbraucher wollen mehr Tierwohl, und das kostet Geld. Um das unter einen Hut zu bringen, kann ein Tierschutzlabel nützlich sein: Die Haltungsbedingungen sind so einerseits für die Verbraucherinnen und Verbraucher transparent, und Mehrerlöse für Schweinefleisch unterstützen die Landwirtschaft bei der Finanzierung von Umbauten in den bestehenden Ställen.

Dieser Umbau stellt eine große Herausforderung dar. Wie er vonstatten gehen kann, untersucht nun ein Hohenheimer Forschungsteam gemeinsam mit dem Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg (Landesanstalt für Schweinezucht LSZ), dem Friedrich-Loeffler-Institut Celle, dem Deutschen Tierschutzbund und dem Fleischproduzenten Vion im Projekt „Label-Fit“.

Zum Projekt

"Label-Fit“ wird gemeinsam durch die LSZ (Projektkoordination), die Uni Hohenheim, das Friedrich-Loeffler-Institut, den Deutschen Tierschutzbund und die Vion GmbH über eine Laufzeit von 3 Jahren bearbeitet. Es startete am 15.1.17. Das BMEL finanziert es mit insgesamt knapp 1,4 Millionen Euro. Hohenheim erhält für zwei der insgesamt fünf Teilprojekte 420.876 Euro.



Schwanzbeißen als ein Gradmesser für Tierwohl

Erste Zielmarke sind die Kriterien der Einstiegsstufe des Tierschutzlabels „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes. „Die Tiere sollen mehr Platz bekommen, die Buchten in Komfortliege-, Aktivitäts-, Fress- und Kotbereiche unterteilt werden und reichlich  organisches Material zur Beschäftigung zur Verfügung stehen“, erklärt apl. Prof. Dr. Eva Gallmann vom Fachgebiet Verfahrenstechnik der Tierhaltungssysteme.

Der für das Label ebenfalls vorgeschriebene Verzicht auf das Schwanzkupieren verschafft der Forscherin und ihrem Team einen Gradmesser für den Erfolg der Maßnahmen: „Stress, Langeweile oder unzureichende Haltungs- und Fütterungsbedingungen können zum Beispiel bei den Tieren das sogenannte Schwanzbeißen auslösen, bei dem sie sich gegenseitig attackieren“, so die Expertin. „Unversehrte Schwänze zeigen daher an, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Forschung mit Tieren

Schweine mit neuartigen Ohrmarken versehen oder Verhaltensstudien per Video: Untersuchungen wie im Projekt „Label-Fit“ stellen für die Tiere kaum eine Belastung dar. Rund 80 Prozent der Versuche mit Tieren fallen in Hohenheim in die Kategorie „geringe Belastung“. Die Untersuchungen im Rahmen von „Label-Fit“ sind keine Tierversuche im juristischen Sinne: Sie finden an der LSZ als Praxisversuch im Rahmen der regulären landwirtschaftlichen Nutztierhaltung statt.



Mehr Platz und Liegekomfort im Stall


An der LSZ in Boxberg baut das Projektteam daher den Stall so um, dass er die Kriterien der Einstiegsstufe des Tierschutzlabels erfüllt. „Wir testen dabei verschiedene Varianten“, erklärt Svenja Opderbeck, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Hohenheim. „Zum Beispiel variieren wir die Geometrie der Buchten, die Beleuchtung und Liegeflächengestaltung, oder wir schaffen unterschiedliche Temperaturzonen.“

Was die Schweine davon halten, erfahren die Forscherinnen, indem sie das Verhalten der Tiere überwachen. Videoüberwachung und elektronische Ohrmarken geben Aufschluss über Aktivitäts- und Ruheverhalten, Sozialverhalten oder Fressverhalten der Tiere – die Digitalisierung in der Landwirtschaft liefert Daten bei minimaler Beeinträchtigung der Tiere. „Dazu kommen Stallklimadaten, Daten zur Gesundheit der Schweine, wie etwa die Unversehrtheit ihrer Schwänze, und später die Schlachtdaten“, umreißt Opderbeck das Arbeitsprogramm.


Schweine brauchen Beschäftigungsmaterial


Doch Schweine brauchen auch noch etwas anderes, damit sie sich wohlfühlen: Sie haben ein ausgeprägtes Wühlbedürfnis, sollten also Heu, Stroh oder andere organische Materialien zur Verfügung haben. Was in welcher Form für diesen Zweck ideal ist und wie dessen Attraktivität durch nutritive oder geruchliche Zusätze gesteigert werden kann, erforschen die Projektpartner Friedrich-Loeffler-Institut, LSZ und Deutscher Tierschutzbund.

Schwergewichte der Forschung

Als Schwergewichte der Forschung gelten an der Uni Hohenheim Forschungsprojekte ab 250.000 Euro Fördersumme für apparative Forschung bzw. 125.000 Euro für nicht-apparative Forschung.


Das Beschäftigungsmaterial und die Einstreu im Liegebereich birgt jedoch ein verfahrenstechnisches Problem: Die vorhandenen Entmistungskanäle sind in der Regel auf Flüssigmist ausgerichtet. Die Streu kann aber eine Schwimmschicht auf der Gülleoberfläche bilden und zu Verstopfungen führen.


Flüssigentmistung stellt Herausforderung dar

Bastian Kolb ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in Hohenheim und hat sich des Problems angenommen. Er will technische Verfahren entwickeln und erproben, mit denen auch in Ställen mit sogenannter Flüssigentmistung den Tieren Einstreu angeboten werden kann.

Zunächst an der Uni im Labor, später an den Stallungen der LSZ testet er die Pilotanwendungen. „Wir variieren die Zusammensetzung des Mists und die Betriebsweise der Anlage, also etwa Dauer und Häufigkeit des Einsatzes oder die Leistungsstufe“, berichtet Kolb. Einen Punkt behält er dabei immer im Blick: „Für das Tierschutzlabel wichtig ist die Nachrüstbarkeit bestehender Anlagen.“

Text: Elsner / LSZ

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