NATURE-Publikation

Alternativer Produktionsweg pflanzlicher SOS-Signale  [02.01.18]

Foto: Uni Hohenheim / Andreas Schaller

Anknabbern verboten: Wenn Schadinsekten über eine Pflanze herfallen, setzt sich diese zur Wehr. Sie bildet Schutz-Substanzen, die für die Insekten giftig sind. Diese Abwehrreaktion wird von Botenstoffen ausgelöst, den Jasmonaten. Und deren Biosynthese gilt seit fast zwei Jahrzehnten als aufgeklärt. Doch nun haben Pflanzenphysiologen der Uni Hohenheim und des National Center for Biotechnology in Madrid einen alternativen Syntheseweg für Jasmonate gefunden. Die Pflanzenphysiologie muss daher viele Erklärungen zu Resistenzen und Hormonwirkungen neu durchdenken.


Sie kontrollieren die Abwehrreaktion der Pflanzen gegen Insekten und andere Schaderreger, und sie steuern zum Beispiel die Entwicklung der Pollen: Jasmonate sind Pflanzenhormone, die in fast allen Pflanzen vorkommen. „Die Frage, wie Jasmonate in der Pflanze gebildet werden, gilt eigentlich als längst aufgeklärt“, berichtet Prof. Dr. Andreas Schaller, Leiter des Fachgebiets Physiologie und Biotechnologie der Pflanzen an der Universität Hohenheim.

In den Jahren 2000 und 2001 hat die Hohenheimer Pflanzenphysiologin Dr. Annick Stintzi den letzten noch fehlenden Schritt des Biosyntheseweges gefunden. Das Team hat diese Ergebnisse damals in zwei Artikeln im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht. Beide fanden international große Beachtung.


Doch eine Sache bereitete den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Kopfzerbrechen: Mit immer empfindlicheren Messtechniken entdeckten sie, dass auch Mutanten ihrer Modell-Pflanze Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana), die einen Gen-Defekt in dem bekannten Biosyntheseweg haben, Jasmonate bilden können. „Es musste also eine Alternative zum bekannten Syntheseweg geben“, erklärt Prof. Dr. Schaller.


Bypass umgeht bekannten Jasmonat-Syntheseweg

Gemeinsam mit Sally Weiss, Doktorandin an der Universität Hohenheim, und ihrem im Projekt federführenden Kooperationspartner Prof. Dr. Roberto Solano und seinem Team am National Center for Biotechnology (CNB-CSIC) in Madrid machten sie sich auf die Suche nach diesem alternativen Weg – und wurden fündig. „Er stellt sich als eine Art Bypass dar, der das zentrale Enzym im bekannten Syntheseweg umgeht und in parallelen Syntheseschritten ebenfalls zu Jasmonaten führt“, fasst Dr. Stintzi die Erkenntnisse zusammen.

Viele Schlussfolgerungen zu Resistenzen und Hormonwirkungen gingen bisher jedoch von einem einzigen Syntheseweg aus. „Sie muss man nun hinterfragen“, betont Prof. Dr. Schaller. Da man beispielsweise bei der Arabidopsis-Mutante annahm, dass sie keine Jasmonate bilden kann, habe man Wirkungen auf andere Signalmoleküle zurückgeführt. „Jetzt wissen wir, dass doch Jasmonate im Spiel sein können.“


Entdeckung erlaubt neue Schlussfolgerungen

Interessant sind diese Erkenntnisse auch für die Erforschung ursprünglicher Landpflanzen wie den Moosen. „Bisher war unklar, woher in diesen Pflanzen die Jasmonate kommen, denn ihnen fehlt der altbekannte Syntheseweg“, sagt Prof. Dr. Schaller. Jetzt geht man davon aus, dass niedere Pflanzen wohl nur über den neu entdeckten, höhere dagegen über beide Wege zur Bildung von Jasmonaten verfügen.
 
Erstmals entdeckt wurden die Botenstoffe im Duft des Jasmins, was ihnen auch den Namen gab. Die flüchtigen Stoffe erreichen auch andere Pflanzen und stellen eine Art SOS-Signal dar: Wird der Jasmin-Busch von Schaderregern befallen, warnt er auf diese Weise die ihn umgebenden Pflanzen. So wird deren Abwehr frühzeitig induziert. „Vor diesem Hintergrund ist durchaus denkbar, Pflanzen mit Jasmonaten zu behandeln und damit ihre Resistenz zu fördern“, zeigt Prof. Dr. Schaller auf.

Andrea Chini, Isabel Monte, Angel M Zamarreño, Mats Hamberg, Steve Lassueur, Philippe Reymond, Sally Weiss, Annick Stintzi, Andreas Schaller, Andrea Porzel, José M García-Mina & Roberto Solano (2018): An OPR 3-independent pathway uses 4,5-didehydrojasmonate for jasmonate synthesis. Zur Publikation

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