Hohenheimer Medienpsychologin über Corona-Auswirkungen

Krise verändert Mediennutzung  [15.04.20]

Bild: Clipdealer

Auf Abstand, aber nicht einsam: Die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie angeordnete Kontaktsperre führt zwar dazu, dass immer mehr Menschen Internet-Angebote nutzen. Bei einem Großteil der Bevölkerung sei das jedoch nicht verknüpft mit einer zunehmenden Vereinsamung, wie viele befürchten. Denn soziale Medien können im Kampf gegen soziale Isolation positiv wirken. Aber auch mit Blick auf mögliche Vereinsamung gibt es Risikogruppen, erläutert Prof. Dr. Sabine Trepte vom Lehrstuhl Medienpsychologie an der Uni Hohenheim. Sie beschäftigt sich unter anderem mit dem Einfluss, den die Nutzung von sozialen Medien auf das tägliche Leben der Menschen hat.

 

Serie: Die Corona-Pandemie hat bereits jetzt einschneidende Folgen: Bildungssektor, Wirtschaft, die Arbeitswelt allgemein, aber auch das menschliche Miteinander werden voraussichtlich auch nach der Krise anders sein als vorher. Um damit sinnvoll umgehen zu können, sind sowohl in der Krise selbst als auch für die Zeit danach wissenschaftliche Fakten wichtiger denn je. Expertinnen und Experten der Uni Hohenheim informieren aus ihrer jeweiligen Fachperspektive zu verschiedenen Aspekten der Corona-Krise und ihren Folgen.

 

Seit Einführung des Kontaktverbotes habe die Nutzung von Internet-Angeboten erheblich zugenommen. Sie böten nicht nur einen willkommenen Zeitvertreib mit Online-Spielen und Videos, sondern auch einen ständigen Zugang zu Informationen.

Eine besonders positive Entwicklung dabei: „Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass wieder verstärkt auf die Seriosität der Quellen geachtet wird“, erläutert Prof. Dr. Trepte. Der Journalismus verzeichnet Nutzerrekorde. Vor allem die Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Fernsehsender sowie von Zeitungen, die Wert auf Qualitätsjournalismus legen, erfreuten sich steigender Zugriffszahlen.

Soziale Medien lassen neue soziale Kontakte entstehen

Vor allem die sozialen Medien seien aber auch die wichtigsten Helfer, um mit anderen in Kontakt zu bleiben und sich auszutauschen. Überall entstünden Initiativen, in denen sich Menschen miteinander vernetzen, um Hilfe für andere zu organisieren. So erledigten z. B. jüngere die Einkäufe für ältere Menschen oder führten deren Hunde spazieren. Schüler bekämen den Lehrstoff nach Hause geschickt und stünden im Austausch mit ihren Lehrern.

Ein weiterer Trend: Menschen verabredeten sich zum gemeinsamen Musizieren – jeder auf seinem Balkon. „Diese Qualität ist neu. Nur eins können die sozialen Medien nicht: Die körperliche Nähe zu anderen Menschen ersetzen“, hebt Prof. Dr. Trepte hervor.

Vor allem Ältere und Jugendliche sind von Einsamkeit betroffen

In der Debatte um mögliche Vereinsamung unterscheidet Prof. Dr. Sabine Trepte zwischen Einsamkeit und sozialer Isolation: Während Einsamkeit ein länger anhaltendes subjektives Gefühl des Ausgeschlossenseins aus sozialen Gruppen beschreibe, bezieht sich die soziale Isolation vor allem auf die physische Trennung von anderen Menschen.

Wer vor der Corona-Krise nicht unter Einsamkeit gelitten habe, werde es auch angesichts von Kontaktsperre und Abstandsregel nicht tun. „Diese Menschen verfügen ja bereits über ein stabiles Netzwerk aus Partnerschaft, Familie, Freunden und Bekannten, das ihnen jetzt die notwendige soziale Unterstützung und emotionale Entlastung bietet.“

Gefährdet seien hingegen vor allem Ältere über 80 Jahre, sowie Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, bei denen auch ohne Krise eher Gefühle von Einsamkeit auftreten als in anderen Altersgruppen und denen nun ganz besonders die regelmäßigen Treffen mit ihren Freunden fehlen. Aber auch alle anderen, die schon vor der Corona-Krise gefährdet waren, benötigen Unterstützung.

Hierzu gehören Personen, die unter psychischen oder körperlichen Krankheiten leiden oder behindert sind, sowie ökonomisch und sozial benachteiligte Menschen. Ihnen fehlen oft, neben den materiellen Mitteln, auch die psychischen Ressourcen sich gezielt Hilfe zu suchen.

Im Kampf gegen Einsamkeit ist jeder gefordert

Abhilfe könne eine allgemeine altruistische Haltung schaffen. „Wenn sich jeder Einzelne in seinem persönlichen Umfeld nur eine gefährdete Person sucht, nach der er guckt und zu der er –  natürlich mit dem gebotenen Abstand – Kontakt hält, dann ist schon viel gewonnen“, meint Prof. Dr. Trepte.

Das kann ein Anruf bei der älteren Nachbarin sein. „Oft reicht es schon, sich nach ihrem Befinden zu erkundigen, die eventuell vorhandenen Sorgen und Nöte anzuhören, über Alltagsthemen zu reden und vielleicht auch die ein oder andere Besorgung zu erledigen.“

Text: Stuhlemmer

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